Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 18.07.2012) |
Tenor
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 18. Juli 2012 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Gegen den Angeklagten ist am 18. Juli 2012 in seiner Anwesenheit ein Urteil verkündet worden. Gegen dieses hat er einen Tag später durch Schriftsatz seiner damaligen Verteidigerin „rein fristwahrend” Revision eingelegt. Am 27. November 2012 hat die Strafkammer das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Dazu hat sie ausgeführt, dass die Verteidigerin zunächst trotz mehrmaliger Erinnerung das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt habe und sodann nach Zustellung durch persönliche Übergabe innerhalb der mit dieser Zustellung in Lauf gesetzten Monatsfrist keine Revisionsbegründung eingegangen sei.
Rz. 2
Mit Schriftsatz vom 8. März 2013, an diesem Tag bei Gericht eingegangen, beantragt der neue Verteidiger für den Angeklagten Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung und begründet die Revision. Er trägt vor, der Angeklagte habe am 30. November 2012 den Verwerfungsbeschluss der Strafkammer erhalten. Mit einem am 26. Januar 2013 bei dem Präsidenten des Bundesgerichtshofs eingegangenen Schreiben habe er sich dorthin gewandt. Daraus und aus der Einlegung der Revision ergebe sich sein unbedingter Wille, sich gegen das Urteil zur Wehr zu setzen. Am 5. März 2013 habe der Verteidiger, seit dem 11. Februar 2013 für ein Strafvollstreckungsverfahren beigeordnet, den Angeklagten erstmals besucht und sei mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung beauftragt worden. Diese späte Einlegung könne dem rechtsunkundigen Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, da ihm zugleich mit dem Verwerfungsbeschluss ein anderer Pflichtverteidiger hätte beigeordnet und Wiedereinsetzung von Amts wegen hätte gewährt werden müssen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Der Antragsteller hat zwar nicht zugleich einen Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO gestellt bzw. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO beantragt. Der Erreichung seines Rechtsschutzziels steht dies aber nicht zwingend entgegen, da die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist dem Verfahren nach § 346 StPO die Grundlage entzieht (BGH, Beschluss vom 21. Januar 1958 – 1 StR 236/57, BGHSt 11, 152, 154; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 346 Rn. 17).
Rz. 4
Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unzulässig.
Rz. 5
Gemäß § 45 StPO muss ein fristwahrendes Wiedereinsetzungsgesuch spätestens innerhalb einer Woche nach dem Wegfall des Grundes, der den Antragsteller an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer Prozesshandlung gehindert hat, gestellt werden. Der Antragsteller muss darlegen, welche Frist er versäumt und was ihn an der Fristwahrung gehindert hat. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 2, 6 und 7; BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – 1 StR 341/12). Diesen Anforderungen wird der Antrag des Angeklagten nicht gerecht.
Rz. 6
So ergibt sich aus seinem Vortrag, dass er den Revisionsverwerfungsbeschluss am 30. November 2012 zur Kenntnis genommen und damit auch erfahren hat, dass seine Verteidigerin das Rechtsmittel nicht begründet hatte. Gleichwohl hat er innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO bzw. des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO – über den Lauf dieser Frist ist er ausweislich der Akten ordnungsgemäß belehrt worden – nichts unternommen. Auch das Schreiben an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2013, dessen Inhalt zudem nicht dargelegt wird, kommt von vornherein nicht als die Wochenfrist wahrender Antrag auf Wiedereinsetzung in Betracht. Denn es ist fast zwei Monate nach dem Wegfall des behaupteten Hindernisses verfasst worden.
Rz. 7
Darüber hinaus ist kein verschuldensausschließender Sachverhalt dargelegt, da offen bleibt, ob der Angeklagte seine Verteidigerin überhaupt mit der Begründung des Rechtsmittels beauftragt hatte. Dies versteht sich angesichts der „rein fristwahrenden” Einlegung des Rechtsmittels nicht von selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2010 – 4 StR 313/10). Dass sich der Angeklagte innerhalb der Revisionsbegründungsfrist mit allen rechtlich zulässigen Mitteln gegen das Urteil zur Wehr setzen wollte, ist danach nicht erkennbar. Von daher bestand für das Landgericht auch kein Anlass, wegen der ausbleibenden Revisionsbegründung durch die Verteidigerin, mag dies auch verknüpft sein mit der Nichtrückgabe des Empfangsbekenntnisses, dem Angeklagten Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren.
Rz. 8
Selbst in Anbetracht seiner Rechtsunkundigkeit hätte der Angeklagte jedenfalls die Möglichkeit gehabt, seinen Willen zur Anfechtung des Urteils und sein mangelndes Verschulden an der Fristversäumnis trotz des Revisionsverwerfungsbeschlusses zum Ausdruck zu bringen, z.B. durch eine schriftliche Eingabe – so hat er sich auch an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs wenden können – oder durch eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle gemäß § 299 StPO. Der jetzt zu Tage getretene Wille zur Anfechtung ist demgegenüber unbeachtlich, da ein Motivwechsel keinen Grund für eine Wiedereinsetzung darstellt.
Unterschriften
Raum, Graf, Cirener, Radtke, Mosbacher
Fundstellen
Haufe-Index 5291954 |
NStZ-RR 2016, 67 |