Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Urteil vom 12.02.2018) |
Tenor
Die Vollstreckung der mit Urteil des Amtsgericht Tiergarten vom 12. Februar 2018 (433 Ls 262 Js 6403/17) angeordneten Einziehung des Wertes der Taterträge wird dem
Jugendrichter beim Amtsgericht Köln
übertragen.
Gründe
Rz. 1
Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Tiergarten hat die Verurteilte mit Urteil vom 12. Februar 2018 wegen Diebstahls in sechs Fällen sowie versuchten Diebstahls in sieben Fällen schuldig gesprochen und die Entscheidung über die Vollstreckung der verhängten Jugendstrafe zunächst zurückgestellt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.640,04 Euro angeordnet. Mit Beschluss vom 20. August 2018 hat das Amtsgericht Tiergarten die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2018 hat der Jugendrichter beim Amtsgericht Tiergarten gemäß § 58 Abs. 3, § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG i.V.m. § 462a Abs. 2 Satz 2 StPO die infolge der Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich werdenden weiteren Entscheidungen sowie gemäß § 85 Abs. 5 JGG die Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen an das Amtsgericht Köln abgegeben, da die Verurteilte in den dortigen Bezirk umgezogen war und dort ihren Lebensmittelpunkt hat. Der Jugendrichter beim Amtsgericht Köln hat zwar die weitere Überwachung der Bewährung übernommen, durch Beschluss vom 11. Dezember 2018 aber die Übernahme der Vollstreckung der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgelehnt, da es sich insoweit nicht um eine jugendstrafrechtliche Sanktionsvollstreckung, sondern um eine der Mobiliarzwangsvollstreckung ähnelnde Maßnahme handele.
Rz. 3
Das Amtsgericht Tiergarten hat mit Beschluss vom 16. April 2019 die Vorgänge, „soweit sie die Vollstreckung der Vermögensabschöpfungsentscheidung betrifft”, dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
Rz. 4
1. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht der Amtsgerichte Tiergarten (Bezirk des Kammergerichts) und Köln (Oberlandesgerichtsbezirk Köln) zur Entscheidung des zwischen den Jugendgerichten bestehenden Streits nach § 14 StPO berufen, der auch für das Vollstreckungsverfahren (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 14 Rn. 1 mwN) und – hier – bei Ablehnung der Übernahme der Vollstreckungsleitung nach § 85 Abs. 5 JGG gilt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 20. April 1981 – 2 ARs 80/81, BGHSt 30, 78, 79 [zum inhaltsgleichen § 85 Abs. 3 JGG aF]; Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 85 Rn. 18).
Rz. 5
2. Zuständig für die zwischen den beiden Jugendgerichten allein im Streit stehende Vollstreckung der angeordneten Einziehung des Wertes der Taterträge aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. Februar 2018 ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter beim Amtsgericht Köln.
Rz. 6
a) Von § 85 Abs. 5 JGG wird auch die Abgabe der Vollstreckung einer Vermögensabschöpfungsentscheidung erfasst. Der Anwendungsbereich des § 85 Abs. 5 JGG ist nicht auf jugendrichterliche Sanktionen im engeren Sinne beschränkt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. April 1981 – 2 ARs 80/81, BGHSt 30, 78, 79 [zum inhaltsgleichen § 85 Abs. 3 JGG aF]; vgl. auch BeckOK-JGG/Sengbusch, 13. Ed., § 85 Rn. 13), sondern gilt auch für die Vollstreckung von Nebenstrafen, Maßregeln und Nebenfolgen (vgl. NK-JGG/Rose, 10. Aufl., § 82 Rn. 2; Eisenberg, aaO, § 82 Rn. 39), worunter auch die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB fällt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2019 – 1 StR 467/18, juris Rn. 12 ff.; Urteil vom 17. Juni 2010 – 4 StR 126/10, BGHSt 55, 174, 177 f.; MüKo-StGB/Laue, 3. Aufl., § 6 JGG Rn. 6; BeckOK-JGG/Putzke, aaO, § 8 Rn. 8; NK-JGG/Ostendorf, aaO, § 6 Rn. 2; Eisenberg, aaO, § 6 Rn. 5).
Rz. 7
b) Mit der – hier auch im Übrigen – sachgerechten Abgabe der Vollstreckung nach § 85 JGG geht die gesamte Verantwortlichkeit des Vollstreckungsorgans auf den nachfolgenden Vollstreckungsleiter über (vgl. nur Eisenberg, aaO, § 85 Rn. 4). Sachliche Gründe, die Vollstreckung der Vermögensabschöpfungsentscheidung hiervon auszunehmen, sind nicht ersichtlich. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 21. Juni 2019 zutreffend ausgeführt hat, zeigt sich hier zudem, dass die zwangsweise Durchsetzung des Wertersatzes schon in Hinblick auf etwaig notwendig werdende Zahlungserleichterungen nicht sinnvoll von der weiteren – vom Amtsgericht Köln bereits übernommenen – Bewährungsüberwachung getrennt werden kann (vgl. zu diesem Gesichtspunkt einheitlicher Entscheidungskompetenz bei Nachtragsentscheidungen auch Senat, Beschluss vom 13. Dezember 2017 – 2 ARs 524/17, NStZ-RR 2018, 227).
Unterschriften
Franke, Zeng, Grube, Schmidt, RiBGH Wenske befindet sich im Urlaub und ist daher an der Unterschrift gehindert. Franke
Fundstellen
Haufe-Index 13380276 |
NStZ 2020, 7 |