Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten M wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 26. Januar 2001 gemäß § 349 Abs. 4 StPO dahin abgeändert, daß der Angeklagte M
- hinsichtlich des Falles II. B 3) der Urteilsgründe vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen wird und
- zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Soweit der Angeklagte freigesprochen wird, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last; die übrigen Kosten seines Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten M wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls, falscher Versicherung an Eides statt sowie Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Der Angeklagte ist vom Vorwurf des Betrugs aus Rechtsgründen freizusprechen.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stand der Lebensgefährtin des Angeklagten aus einem Abfindungsvergleich nach einem Verkehrsunfall gegen die Versicherungsgesellschaft ein Zahlungsanspruch in Höhe von 65.000,00 DM zu. Nachdem es zunächst bei der Einlösung eines von der Versicherung übersandten Schecks Schwierigkeiten gegeben hatte, übermittelte die Versicherungsgesellschaft auf Drängen des Angeklagten einen Verrechnungsscheck direkt an dessen Bank, die diesen Betrag dem Konto des Angeklagten gutschrieb. Infolge eines Versehens sandte die Versicherungsgesellschaft dem Angeklagten M sechs Tage später einen weiteren Scheck über den Betrag von 65.000,00 DM zu. Auf Veranlassung des Angeklagten reichte der anderweitig Verfolgte W diesen Scheck bei der Bank ein, die kurze Zeit später den Betrag von 65.000,00 DM auch tatsächlich zur Einlösung brachte.
2. In diesem Geschehensablauf hat das Landgericht zu Unrecht einen Betrug gesehen; es fehlt bereits an einer Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB.
a) Die Vorlage eines Schecks, mit der eine nicht (mehr) bestehende Schuld eingefordert wird, kann eine Täuschungshandlung nur begründen, wenn sich zumindest aus den Umständen die konkludente Erklärung eines tatsächlichen Geschehens ergibt (vgl. BGHSt 46, 196, 198). Nur die Täuschung über Tatsachen ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 263 StGB (vgl. Ranft JuS 2001, 854, 855; zu weitgehend Hefendehl NStZ 2001, 281, der den Bestand einer Forderung schlechthin als eine dem Beweis zugängliche Tatsache behandeln will).
Inwieweit eine Rechtsbehauptung zugleich einen Tatsachenkern enthält, bestimmt sich nach der Eigenart der jeweiligen Rechtsbeziehung. Maßgeblich ist hierfür, wie nach der Verkehrsanschauung eine entsprechende Erklärung zu verstehen ist (BGH NJW 1995, 539, 540). Der Verkehr wird vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung von Tatsachen im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruches erwarten, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfen kann (vgl. BGHSt 46, 196, 199; 39, 392, 398). Damit kommt der Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Geschäftspartnern wesentliches Gewicht bei der Beantwortung der Frage zu, wann der Verkehr bei einem bestimmten Geschäftstyp der Behauptung eines Anspruchs schlüssig zugleich die Behauptung bestimmter anspruchsbegründender Tatsachen beimißt (vgl. Cramer in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 263 Rdn. 14 f.). Eine Tatsachenbehauptung wird deshalb immer dann vorliegen, wenn der Anspruch dem Grunde oder der Höhe nach von tatsächlichen Umständen abhängt, deren Vorliegen dem Erklärungsgegner jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist. Diesen werden nämlich regelmäßig nur solche Gesichtspunkte interessieren, die seine Vermögensinteressen berühren (BGH StV 2000, 477, 478). Umgekehrt bedeutet dies, daß bei einem Einfordern einer Leistung konkludent nur solche wahrheitswidrigen Umstände schlüssig miterklärt werden, die eine Vermögensgefährdung auf Seiten des Geschäftsgegners herbeiführen könnten. Auf den hier vorliegenden Fall bezogen lautet deshalb die Fragestellung, ob im Verhältnis zu der den Scheck einlösenden Bank der Umstand eine Rolle gespielt haben könnte, daß die Schuld aus dem Abfindungsvergleich mit Einlösung des früher bereits versandten Schecks getilgt war.
b) Danach liegt hier keine Täuschungshandlung vor, weil es für die den Scheck einlösende Bank ohne Bedeutung ist, ob das der Scheckhingabe zugrundeliegende Schuldverhältnis besteht. Der Einreichung eines Schecks kommt deshalb auch kein diesbezüglicher Erklärungsgehalt zu.
Für die Bank ist nämlich nur von Relevanz, daß der Scheck eine wirksame Anweisung des Ausstellers enthält, die sie verpflichtet, den Scheck einzulösen. Deshalb wird der befaßte Bankmitarbeiter nur die Umstände prüfen, die hierfür in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von Bedeutung sind. Da der Scheck durch essentielle inhaltliche Erfordernisse bestimmt wird (Art. 1 bis 3 ScheckG), muß der Bankmitarbeiter im Falle der Scheckvorlage diese Voraussetzungen auch beachten. Die Vorlage des Schecks enthält deshalb die konkludente Erklärung, daß die wesentlichen Scheckvoraussetzungen (Unterschrift des Ausstellers, Anweisung und Schecksumme) durch die sich aus der Scheckurkunde ergebende Person getätigt worden sind. Insoweit lag keine Falscherklärung des Angeklagten und der von ihm mit der Einreichung beauftragten Person vor, weil die Umstände, die eine die bezogene Bank schriftlich bindende Anweisung bewirkten, rechtlich und tatsächlich zutreffend gegenüber der Bank bezeichnet wurden.
c) Der vorgelegte Scheck ist auch nicht nach Art. 21 ScheckG abhanden gekommen. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob – im Hinblick auf mögliche Regreßforderungen – im Falle eines abhanden gekommenen Schecks etwas anderes gilt (vgl. Marxen, BayObLG EWiR § 263 StGB 1/99, 519 f.). Ein Abhandenkommen im Sinne des Art. 21 ScheckG läge vor, wenn der Scheck ohne rechtswirksamen Begebungsvertrag in fremde Hände gelangt wäre (vgl. BGHZ 26, 268, 272; BGH NJW 1951, 402; Baumbach/Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz 22. Aufl. Art. 21 ScheckG Rdn. 3). Hier wollte die aus dem Abfindungsvergleich verpflichtete Versicherung jedoch den Scheck an den Angeklagten übersenden. Der Umstand, daß durch die bereits vorher erfolgte Einlösung des ersten Schecks die Verbindlichkeit bereits erfüllt war, bildete lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum, der von § 119 BGB nicht erfaßt wird.
d) Dem Angeklagten stand zum Zeitpunkt der Einlösung des Schecks ein wirksamer Anspruch aus dem Scheck zu. Allerdings fehlte im Grundverhältnis zwischen ihm als Gläubiger und der Versicherung als Schuldnerin im Zeitpunkt der Versendung des Schecks aufgrund der zwischenzeitlichen Tilgung der Schuld ein rechtlicher Grund im Sinne des § 812 BGB. Dieser Mangel hätte die Versicherung ab dem Zeitpunkt der Versendung des Schecks berechtigt, den versehentlich ausgereichten Scheck im Wege des Bereicherungsausgleiches zurückzuverlangen. Dies läßt jedoch das Verhältnis zwischen dem Angeklagten als Scheckeinreicher und der bezogenen Bank unberührt, weil der Scheck ein vom Grundgeschäft unabhängiges Wertpapier darstellt (vgl. Bülow, Heidelberger Kommentar zum Wechsel- und Scheckgesetz 3. Aufl. Einf. vor ScheckG Rdn. 6 f.). Die bloße Vorlage des Schecks konnte deshalb gegenüber der Bank konkludent auch keine Erklärung rechtlicher oder tatsächlicher Art enthalten, die sich auf ein anderes Rechtsverhältnis (zwischen anderen Personen) bezog, nämlich das Grundverhältnis zwischen Schecknehmer und Scheckaussteller. Umstände aus dem Grundverhältnis gehören bei einer wertenden Gesamtbetrachtung grundsätzlich nicht zum Erklärungsinhalt einer Scheckvorlage. Damit scheidet eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 StGB aus.
II.
Aufgrund des Freispruchs entfällt die für die Verurteilung wegen Betrugs ausgeworfene Einzelfreiheitsstrafe in Höhe von sechs Monaten. Auf Antrag des Generalbundesanwalts reduziert der Senat die ursprüngliche Gesamtstrafe von vier Jahren um sechs Monate und setzt selbst aus Gründen der Verfahrensökonomie eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten fest. Hierzu ist er analog § 354 Abs. 1 StPO befugt, weil die jetzt gebildete Gesamtstrafe das für den Angeklagten denkbar günstigste Ergebnis darstellt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 – Strafausspruch 2).
Unterschriften
Harms, Häger, Tepperwien, Raum, Brause
Fundstellen
Haufe-Index 657725 |
NStZ 2002, 144 |
wistra 2002, 99 |
Kriminalistik 2002, 377 |
LL 2002, 320 |