Verfahrensgang
LG Bückeburg (Urteil vom 05.04.2005) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 5. April 2005 wird
- das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 62 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
- das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 62 Fällen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1. Der Senat hat das Verfahren im Fall II. 62 der Urteilsgründe eingestellt, weil gegen die Annahme einer nicht geringen Menge auf Grund der bisherigen Feststellungen Bedenken bestehen.
a) Die Strafkammer durfte bei der Schätzung des Wirkstoffgehalts für die Bestimmung der nicht geringen Menge beim Handeltreiben nicht die gesamte Erwerbsmenge von 500 Tabletten und damit auch den zum Eigenverbrauch bestimmten Anteil zugrunde legen. Diesen Anteil hätte sie konkret feststellen, notfalls im Wege der Schätzung unter Beachtung des Zweifelssatzes ermitteln müssen (vgl. BGH bei Winkler NStZ 2002, 191, 192). Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass eine Schätzung des Wirkstoffgehalts dann rechtlich bedenklich ist, wenn die Untersuchung sichergestellter Betäubungsmittel möglich ist, was hier wenigstens für einen Teil zutrifft (BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 32).
b) Weiterhin beruht die Berechnung der Strafkammer auf einem Missverständnis der Rechtsprechung zur Bestimmung des Grenzwertes bei Amphetaminderivaten. Soweit dort von durchschnittlichen Konsumeinheiten mit 120 mg die Rede ist (vgl. BGHSt 42, 255, 265), ist die zur Erzielung des gewünschten Rauschzustandes konsumierte Menge gemeint, nicht aber der Wirkstoffgehalt einer einzelnen Tablette. Zu letzterem können die bei Untersuchungen festgestellten Werte ein Anhalt sein. Bei MDMA, dem häufigsten Inhaltsstoff von Ecstasy, beträgt der durchschnittliche Wert jedoch nach der Tabelle bei Weber für die Jahre 1999 bis 2001 nur 64 mg/Tablette (Weber, BtMG 2. Aufl. S. 1623). Damit würde sich ein Wirkstoffgehalt für die gesamten 500 Tabletten von nur 32 g MDMA-Base ergeben und somit der Grenzwert von 30 g bereits bei einem Eigenverbrauchsanteil von nur 10 % unterschritten werden.
2. Im Fall II. 64 der Urteilsgründe hat die Strafkammer alle Verkäufe von Cannabis, Ecstasy und Kokain an den damals minderjährigen Abnehmer R. in der Zeit von November 2004 bis 4. Januar 2005 als eine Tat abgeurteilt. Diese konkurrenzrechtlich fehlerhafte Zusammenfassung würde an sich den Angeklagten nicht beschweren. Jedoch weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, dass nicht beachtet worden ist, dass der Verkauf von Cannabis und Ecstasy nach den Urteilsfeststellungen bereits als Teil der in den Fällen 39 bis 62 abgeurteilten Bewertungseinheiten erfasst ist. Denn dort ist R. jeweils namentlich als Käufer bezeichnet. Somit verbleibt zur Aburteilung in diesem Fall nur der Verkauf von drei Gramm Kokain. Die insoweit verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten ist gleichwohl angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein solches Strafmaß für den von der Strafkammer angenommenen Schuldumfang völlig unangemessen gewesen wäre und dass das jugendliche Alter des Abnehmers dem Angeklagten bei der Strafzumessung auch dann angelastet werden kann, wenn wie hier ein Vorsatz im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG nicht sicher feststellbar ist. Da R. das Erscheinungsbild eines Minderjährigen aufwies (UA S. 12), fällt dem Angeklagten insoweit wenigstens Fahrlässigkeit zur Last.
3. Dass auch in den übrigen Fällen der Eigenverbrauchsanteil nicht ermittelt worden ist, beschwert den Angeklagten nicht. Im Fall II. 63 der Urteilsgründe ist der Wirkstoffgehalt so hoch, dass auch bei einem hohen Eigenkonsum in jedem Fall die Grenzmenge überschritten wurde. In den übrigen Fällen ist allenfalls der Schuldumfang berührt. Da jedoch der Kauf von zum Eigenverbrauch bestimmten Drogen als tateinheitlich begangener Erwerb von Betäubungsmitteln zu beurteilen gewesen wäre, kann angesichts der ohnehin sehr milden Einzelstrafen ausgeschlossen werden, dass diese noch niedriger ausgefallen wären.
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dass die Strafkammer trotz des festgestellten großen Umfangs des Betäubungsmittelhandels den für gewerbsmäßige Begehung vorgesehenen Strafrahmen des § 29 Abs. 3 StGB nicht angewandt hat, beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht.
5. Die Teileinstellung in Fall II. 62 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der Einzelstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Gleichwohl ist die Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO. Ihr liegen eine Einsatzstrafe von ebenfalls einem Jahr und drei Monaten und 62 weitere Einzelstrafen von je sechs Monaten zu Grunde. Es kommt hinzu, dass das im Fall II. 62 festgestellte und vom Angeklagten eingestandene strafbare Verhalten – wenn auch nicht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt werden kann.
Unterschriften
Tolksdorf, Winkler, Pfister, Kolz, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2556774 |
NStZ 2006, 173 |