Leitsatz (amtlich)
Anrechte bei der Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B, sind nach der ab 1.1.2001 geltenden Änderung der für sie geltenden Satzung der Bahnversicherungsanstalt im Anwartschaftsstadium als statisch, im Leistungsstadium jedoch als volldynamisch zu beurteilen (im Anschluss an die BGH, Beschl. v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474; Beschl. v. 8.9.2004 - XII ZB 144/04, z.V.b.).
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3-4
Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 03.05.2004; Aktenzeichen 17 UF 43/04) |
AG Lüneburg |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerden des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten zu 2) werden der Beschluss des 17. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Celle v. 3.5.2004 aufgehoben und das Urteil des AG - FamG - Lüneburg v. 10.2.2004 in Ziff. II (Versorgungsausgleich) dahingehend abgeändert, dass der Ausgleichsbetrag zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B, nicht 43,15 EUR sondern 71,20 EUR beträgt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 571,80 EUR
Gründe
I.
Die Parteien haben am 4.2.1983 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin; geboren am 21.8.1956) ist dem Ehemann (Antragsgegner; geboren am 15.10.1946) am 26.8.2003 zugestellt worden. Das AG - FamG - hat durch Verbundurteil die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es im Wege des Rentensplittings nach § 1587b Abs. 1 BGB vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt Abteilung A (BVA/A; weitere Beteiligte zu 2) auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA; weitere Beteiligte zu 1) Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 253,23 EUR, bezogen auf den 31.7.2003, übertragen hat. Ferner hat es zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt Abteilung B (BVA/B; weitere Beteiligte zu 2) im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der LVA Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 43,15 EUR, bezogen auf den 31.7.2003, begründet. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG die Entscheidung im Ergebnis dahin abgeändert, dass im Wege des Quasisplittings Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 118,85 EUR, bezogen auf den 31.7.2003, begründet werden.
Dabei ist das OLG nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1) und 2) von ehezeitlichen (1.2.1983 bis 31.7.2003; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften der Parteien in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Antragstellerin bei der LVA i.H.v. 199,46 EUR und für den Antragsgegner bei der BVA/A i.H.v. 705,92 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit, ausgegangen. Die für den Antragsgegner bei der BVA/B bestehenden Anwartschaften hat das OLG als volldynamisch bewertet und daher i.H.v. 237,70 EUR ungekürzt dem Versorgungsausgleich zu Grunde gelegt.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten der Antragsgegner und die weitere Beteiligte zu 2) die Anwartschaften des Antragsgegners bei der BVA/B als im Anwartschaftsstadium statisch bewertet wissen. Die Antragstellerin und die LVA haben sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die nach §§ 629a Abs. 2 S. 1, 621e Abs. 2 S. 1 1. Halbs. Nr. 1, 2. Halbs. i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO zulässigen Rechtsbeschwerden des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten zu 2) sind begründet.
Das OLG hat die für den Antragsgegner bei der BVA/B bestehenden Anwartschaften als volldynamisch beurteilt. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass die Versorgungsanrechte aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der VBL und der ZVK nach der Neufassung von deren jeweiligen Satzungen zum 1.1.2002 als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten sind (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474; Beschl. v. 8.9.2004 - XII ZB 144/04, z.V.b.).
2. Ebenso sind die Versorgungsanrechte des Antragsgegners bei der BVA/B nach der Neufassung der Satzung der Bahnversicherungsanstalt zum 1.1.2001 als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten.
Die BVA/B hat - wie die VBL und die ZVK - mit Wirkung ab 1.1.2001 ihre Versorgungsregelungen grundlegend geändert und anstelle des bisherigen Gesamtversorgungssystems unter Anrechnung gesetzlicher Renten sowie der Regelungen des § 18 BetrAVG ein sog. "Punktemodell" eingeführt. Nach dem Punktemodell bestimmen sich die Anrechte bei der BVA/B im Anwartschaftsstadium nach § 157 Abs. 1 S. 1a), S. 2, Abs. 2 der Satzung der BVA grundsätzlich anhand von Versorgungspunkten, die ab dem 1.1.2001 jährlich aus dem Verhältnis eines Zwölftels des zusatzversorgungspflichtigen Jahresentgelts zum Referenzentgelt von 1.000 EUR multipliziert mit einem Altersfaktor, festgestellt werden. Die monatliche Zusatzversorgung ergibt sich nach § 156 Abs. 1 der Satzung der BVA dann dadurch, dass die Summe der erworbenen Versorgungspunkte mit einem Messbetrag von 4 EUR multipliziert wird. Wie bei der VBL und der ZVK ist in § 157 Abs. 3 der Satzung der BVA während der Anwartschaftsphase eine jährliche Verzinsung von 3,25 % angesetzt. Darüber hinaus können Versorgungspunkte nach §§ 157 Abs. 1 S. 1b), c), 158, 187 der Satzung der BVA noch für soziale Komponenten (Kindererziehung u.Ä.) und durch Bonuspunkte erworben werden. Dass die BVA/B bisher solche Überschüsse erzielt hätte, ist nicht ersichtlich. Im Leistungsstadium wird die Betriebsrente der BVA/B nach § 160 der Satzung jeweils zum 1.7.jährlich um 1 % erhöht.
Danach entspricht die Zusatzversorgung bei BVA/B strukturell denjenigen bei der VBL und der ZVK, so dass Versorgungsanrechte bei der BVA/B ebenfalls als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten sind (vgl. im Einzelnen BGH, Beschl. v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474; Beschl. v. 8.9.2004 - XII ZB 144/04, z.V.b.).
3. Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Bei der Umwertung der BVA/B-Anwartschaften in eine dynamische Versorgung kommt Tabelle 1 zu § 2 Abs. 2 BarwertVO zur Anwendung. Dies führt zur Erhöhung des sich daraus ergebenden Faktors 6,6 (Alter des Antragsgegners bei Ende der Ehezeit: 56 Jahre) um 65 % auf 10,89 (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 BarwertVO). Aus der Jahresrente von 2.852,40 EUR errechnet sich demnach ein Barwert von 2.852,40 EUR x 10,89 = 31.062,64 EUR. Nach Multiplikation mit dem Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung für 2003 von 0,0001754432 ergeben sich 5,4497 Entgeltpunkte und nach weiterer Multiplikation mit dem allgemeinen Rentenwert zum Ehezeitende von 26,13 EUR eine dynamische Rente von 142,40 EUR.
Der in der Ehezeit erworbenen Versorgung der Antragstellerin i.H.v. 199,46 EUR stehen somit Anwartschaften des Antragsgegners i.H.v. insgesamt 705,92 EUR + 142,40 EUR = 848,32 EUR gegenüber, so dass sich eine Ausgleichspflicht des Antragsgegners i.H.v. 324,43 EUR errechnet (848,32 EUR ./. 199,46 EUR = 648,86 EUR; 648,86 ≪6EU;≫: 2 = 324,43 EUR).
Nach §§ 1587b Abs. 1 BGB, 1 Abs. 3 VAHRG hat der Versorgungsausgleich durch Rentensplitting i.H.v. 253,23 EUR und durch analoges Quasisplitting i.H.v. 71,20 EUR zu erfolgen. Die Entscheidung des AG war daher lediglich hinsichtlich des Quasisplitting abzuändern.
Fundstellen
NJW 2004, 3705 |
BGHR 2005, 163 |
EBE/BGH 2004, 2 |
FamRZ 2004, 1959 |
FuR 2005, 35 |
MDR 2005, 149 |
FamRB 2005, 39 |
NJW-Spezial 2004, 347 |
ZFE 2005, 29 |
JWO-FamR 2004, 378 |