Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftssache, Rechtsnachfolge eines Hofeigentümers, negative Hoferklärung der in Betracht kommenden Erben
Leitsatz (amtlich)
a) Kommen auf zweifelsfreier tatsächlicher Grundlage als Rechtsnachfolger (Hoferben) des eingetragenen Hofeigentümers nur bestimmte Personen in Betracht und geben diese übereinstimmend formgerecht eine negative Hoferklärung ab, so muß das Landwirtschaftsgericht das Grundbuchamt um die Löschung des Hofvermerks ersuchen.
b) Lehnt das Landwirtschaftsgericht in einem solchen Fall die Stellung eines entsprechenden Ersuchens ab, so ist dies eine rechtsmittelfähige Entscheidung in der Hauptsache, gegen die die Antragsteller beschwerdeberechtigt sind.
c) Das Rechtsbeschwerdegericht kann auch im Falle einer nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG statthaften Rechtsbeschwerde zur Sache entscheiden, wenn weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, und nur die Entscheidung einer Rechtsfrage aussteht, die die von den Vorinstanzen verneinte Zulässigkeit des Antrags betrifft.
Normenkette
HöfeO § 1 Abs. 4 S. 1; HöfeVO § 3 Abs. 1 Nr. 2; LwVG § 9; FGG § 20; LwVG § 24 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
AG Nordhorn |
Gründe
I.
Im Grundbuch von G. Band 19 Blatt 605 ist als Eigentümer J. D. R. eingetragen. Es enthält einen Hofvermerk und den Zusatz, daß zum Hof ein im Grundbuch von E. Band 93 Blatt 2925 verzeichneter Miteigentumsanteil gehört. J. D. R. (Erblasser) ist am 13. Mai 1995 verstorben.
Die Beteiligten schlossen zusammen mit Frau J. L. geborene R. am 21. Oktober 1996 einen notariellen Auseinandersetzungsvertrag. Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Sie bezieht sich auf einen notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 30. Mai 1958, in dem sie mit ihrem Ehemann den Güterstand der Gütergemeinschaft unter seiner Verwaltung vereinbart hat und in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben des Erstversterbenden eingesetzt haben. Die Beteiligte zu 2 ist eine Tochter des Ehepaars R. Sie bezieht sich auf einen mit ihren Eltern am 10. November 1971 geschlossenen notariellen Erbvertrag, in dem sie ihr Vater vertragsmäßig als Alleinerbin insbesondere zum Erben des gesamten Hofes mit Miteigentumsanteil eingesetzt hat. Der Vertrag enthält Regelungen zum Altenteil der Beteiligten zu 1 sowie zur Abfindung einer weiteren Tochter nämlich J. L. sowie eine bedingte Erbeinsetzung dieser Tochter durch die Beteiligte zu 2. Der Beteiligte zu 3 ist der Ehemann der Beteiligten zu 2, der nach Erklärung im Auseinandersetzungsvertrag mit seiner Ehefrau im Güterstand der Gütergemeinschaft lebt.
Der genannte Auseinandersetzungsvertrag enthält Regelungen wie sich die Beteiligten und J. L. hinsichtlich vorhandenen Grundbesitzes auseinandersetzen. Die Beteiligten erklärten im Auseinandersetzungsvertrag übereinstimmend, daß die Hofeigenschaft des genannten Hofes erlöschen und der Hofvermerk gelöscht werden soll. Eine vom Notar namens der Beteiligten beim Landwirtschaftsgericht beantragte Löschung des Hofvermerks hat dieses mit Beschluß vom 9. Juni 1997 abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten mit dem Ziel, eine Löschung des Hofvermerks zu erreichen.
II.
Das Landwirtschaftsgericht hält im „rein formalen Verfahren” nach der Höfeverfahrensordnung nur Anträge des eingetragenen bzw. zweifelsfreien Eigentümers für berücksichtigungsfähig. Im vorliegenden Fall sei die Eigentumsfrage jedoch ungeklärt.
Das Beschwerdegericht meint, die als sofortige Beschwerde bezeichnete Eingabe der Beteiligten sei kein förmliches Rechtsmittel und den Beteiligten stehe ein Beschwerderecht nicht zu, weil nicht ersichtlich sei, ob sie zur Abgabe einer negativen Hoferklärung berechtigt seien. Es fehle ein Hoffolgezeugnis. Das Löschungsverfahren sei nicht dazu da, zweifelhafte Berechtigungen zu überprüfen. Insoweit müßten die Antragsteller auf das Feststellungsverfahren nach § 11 Abs. 1 Buchst. a HöfeVfO verwiesen werden. Dementsprechend sei die Ablehnung des Löschungsersuchens ein „justizinterner Vorgang” und gegen den Beschluß des Amtsgerichts nicht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, da die Ablehnung des Ersuchens keine Entscheidung in der Hauptsache darstelle.
III.
Die statthafte (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG) und auch im übrigen zulässige (§§ 25, 26 LwVG) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der ablehnende Beschluß des Landwirtschaftsgerichts sei gar keine beschwerdefähige Entscheidung, kein in der Hauptsache erlassener Beschluß, sondern nur ein „justizinterner Vorgang” und demgemäß die ausdrücklich als sofortige Beschwerde bezeichnete Eingabe der Beteiligten kein förmliches Rechtsmittel. Die Beteiligten haben eine negative Hoferklärung (§ 1 Abs. 4 Satz 1 HöfeO) abgegeben und halten sich hierzu – aus welchen Gründen auch immer – sachlich für berechtigt, weil nach ihrer Auffassung entweder die Beteiligte zu 1 oder die Beteiligten zu 1 und 2 zusammen mit dem Beteiligten zu 3 Hofeigentümer seien. Diese Hoferklärung ist in öffentlich beglaubigter Form dem Landwirtschaftsgericht gegenüber abzugeben (§ 4 Abs. 1 und 2 HöfeVfO) und müßte grundsätzlich zu einem entsprechenden Eintragungsersuchen des Landwirtschaftsgerichts an das Grundbuchamt führen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 HöfeVfO). Es ist deshalb selbstverständlich, daß ein Eigentümer auch in der Lage sein muß, die Löschung des Hofvermerks durchzusetzen, indem er beim Landwirtschaftsgericht beantragt, ein entsprechendes Ersuchen an das Grundbuchamt zu stellen. Lehnt das Landwirtschaftsgericht dies ab, so muß dem Hofeigentümer nach allgemeiner Meinung auch ein Rechtsmittel dagegen zustehen, wobei lediglich umstritten ist, ob insoweit die einfache oder die sofortige Beschwerde das richtige Rechtsmittel ist (vgl. OLG Celle, AgrarR 1980, 342; OLG Hamm, AgrarR 1986, 179 m.w.N.). Die Entscheidung des Senats vom 31. Januar 1980, V BLw 35/79, AgrarR 1980, 245, betrifft lediglich das Amtslöschungsverfahren nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 HöfeVfO. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Dann aber ist der ablehnende Beschluß des Landwirtschaftsgerichts kein „justizinternen Vorgang”, sondern für die Antragsteller eine rechtsmittelfähige Entscheidung in der Hauptsache.
2. Nicht folgen kann der Senat dem Beschwerdegericht auch insoweit, als es eine Beschwerdeberechtigung der Beteiligten verneint. Diese sind Antragsteller (§ 9 LwVG, § 20 Abs. 2 FGG). Zwar ist § 20 Abs. 2 FGG nicht eine Erweiterung, sondern eine Einschränkung des Beschwerderechts, mit der Folge, daß nur der in seinen Rechten beeinträchtigte Antragsteller (§ 20 Abs. 1 FGG) beschwerdeberechtigt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 20. Februar 1991, XII ZB 11/89, NJW-RR 1991, 771 f m.w.N.). Weil das Landwirtschaftsgericht im vorliegenden Fall den Antrag aber nur aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen hat, genügt aber die darin begründete formelle Beschwer als Rechtsmittellegitimation und zwar unabhängig davon, ob die Antragsteller sachlich zur Antragstellung berechtigt sind oder nicht (vgl. Senatsbeschl. v. 12. Februar 1963, V BLw 27/62, RdL 1963, 103, 104 m.w.N.). Da das Beschwerdegericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat, reicht die darin liegende formelle Beschwer auch für die Berechtigung zur Rechtsbeschwerde aus (vgl. BGHZ 31, 92, 95; BayObLGZ 83, 168, 170).
3. Grundsätzlich kann der Senat im Rahmen einer Rechtsbeschwerde nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG allerdings nur die Zulässigkeit der Erstbeschwerde nachprüfen (BGHZ 15, 5 ff). Wird sie – wie oben ausgeführt – bejaht und ist damit die Rechtsbeschwerde begründet, so führt dies im Regelfall zu einer Zurückverweisung an das Beschwerdegericht, ohne daß der Senat weiteres zu prüfen hätte. Von diesem Grundsatz ist im vorliegenden Fall jedoch eine Ausnahme gerechtfertigt. Es geht allein um die Rechtsfrage, ob die Beteiligten mit ihrer negativen Hoferklärung die Löschung des Hofvermerks erreichen können. Diese Frage haben die Vorinstanzen bei Prüfung der Zulässigkeit des Antrags bzw. der Zulässigkeit der Erstbeschwerde verneint und die Auffassung vertreten, im Löschungsverfahren könnten nur Anträge des eingetragenen Eigentümers bzw. eines zweifelsfrei feststehenden Eigentümers berücksichtigt werden. Da hier ein Zweifelsfall vorliege, müsse zunächst im Feststellungsverfahren geklärt werden, wer nach dem Tode des eingetragenen Hofeigentümers Hoferbe geworden sei. Der Senat hält dies im vorliegenden Fall nicht für richtig (s. unten Ziffer 4). Dann muß es ihm jedoch auch möglich sein, in der Sache abschließend zu entscheiden, wenn weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind.
4. Grundsätzlich kann der Hofvermerk auf eine negative Hoferklärung nur dann gelöscht werden, wenn diese Erklärung der Hofeigentümer abgibt (§ 1 Abs. 4 Satz 1 HöfeO). Es fragt sich jedoch, ob im Löschungsverfahren nur Erklärungen des eingetragenen Eigentümers oder eines feststehenden, Eigentümers berücksichtigt werden können, es mithin in zweifelhaften Fällen nicht möglich sein soll, incidenter zu prüfen, wer Hofeigentümer ist. Soweit das Berufungsgericht auf § 8 HöfeVfO verweist, betrifft diese Vorschrift nur das Löschungsersuchen von Amts wegen und die Feststellung der Hofeigenschaft. Nur darüber verhält sich auch die von ihm zitierte Kommentierung bei Barnstedt/Steffen (LwVG, 5. Aufl., § 22 Rdn. 151).
Die Frage kann in ihrer allgemeinen Form jedoch offenbleiben. Das Landwirtschaftsgericht muß einem Löschungsersuchen jedenfalls dann stattgeben, wenn im Falle einer Rechtsnachfolge vernünftige Zweifel zum Tatsachenstoff nicht bestehen, es nur um die rechtliche Beurteilung geht und alle in Betracht kommenden Eigentümer eine negative Hoferklärung in der gebotenen Form (§ 4 Abs. 2 HöfeVfO) abgeben. Sind – wie im vorliegenden Fall – die Beteiligten sicher, daß das Hofeigentum nur einem oder mehreren von ihnen zusteht und andere Personen als Hofeigentümer ausscheiden, und geben sie übereinstimmend eine negative Hoferklärung ab, so wäre es unzumutbar, sie auf ein Verfahren zur Feststellung des oder der Hoferben zu verweisen, weil ohnehin feststeht, daß die notwendige Erklärung des oder der Hofeigentümer vorliegt und zu einem Löschungsersuchen führen muß (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 HöfeVfO). So liegt der Fall hier.
Seit Abschluß des Ehevertrages zum 30. Mai 1958 stand der Hof im gemeinschaftlichen Eigentum (Gesamthandseigentum der Gütergemeinschaft) des Ehepaars R. und bildete einen Ehegattenhof (§ 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO). Zweifel könnten bestehen hinsichtlich der Hoferbfolge nach dem Tode von J. D. R. am 13. Mai 1995. Insoweit ist fraglich, welche Wirkungen die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 durch Erbvertrag vom 10. November 1971 hat. Diese Erbeinsetzung scheiterte zwar nicht an der Bindungswirkung des früheren Erbvertrages, weil die Ehefrau des Erblassers (Beteiligte zu 1) auch am Vertrag vom 10. November 1971 beteiligt war und darin wohl eine Aufhebung des Erbvertrages vom 30. Mai 1958 (Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Erbin) gesehen werden kann (§ 2290 Satz 1 BGB). Umstritten ist aber, ob der Erblasser überhaupt über seinen Gesamthandsanteil am Ehegattenhof von Todes wegen verfügen konnte. Eine in Literatur und Rechtsprechung überwiegende Auffassung verneint dies. Im Ergebnis bedeutet damit § 8 Abs. 1 und 2 HöfeO ein „Zwangserbrecht” des überlebenden Ehegatten (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO, 9. Aufl., § 8 Rdn. 19; vgl. auch Nachweise bei Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl., § 8 HöfeO Rdn. 16). Folgt man dieser Auffassung, wäre die Beteiligte zu 1 nunmehr allein Hoferbin. Eine gegenteilige Auffassung vertritt Wöhrmann/Stöcker (a.a.O., Rdn. 16 und 17), der insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen davon ausgeht, daß der Erblasser frei über seinen Anteil am Ehegattenhof testieren kann. Hält man diese Auffassung für zutreffend, hat die Beteiligte zu 2 den Gesamthandsanteil des Erblassers am Hof geerbt (und wäre nunmehr Gesamthandseigentümer des Hofes neben der Beteiligten zu 1). Das bedeutet gleichzeitig, daß auch der mit ihr in Gütergemeinschaft lebende Ehemann (Beteiligter zu 3) Gesamthandseigentümer des Hofes wäre, weil zum Gesamtgut auch das Vermögen gehört, das die Frau während der Gütergemeinschaft erwirbt (§ 1416 Abs. 1 Satz 2 BGB) und eine Bestimmung zum Vorbehaltsgut (§ 1418 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nicht vorliegt. Ob damit automatisch die Hofeigenschaft entfallen wäre, kann offenbleiben, weil es hier ohnehin nur um die Wirkung der negativen Hoferklärung geht. Mit Recht macht die Rechtsbeschwerde auch geltend, daß eine dritte Nachfolgealternative, insbesondere eine fortgesetzte Gütergemeinschaft zwischen der Beteiligten zu 1 und ihren beiden Töchtern, ausscheidet. Die mit Ehevertrag vom 30. Mai 1958 begründete Gütergemeinschaft wurde zwar vor dem 1. Juli 1958 begründet, weshalb eine Fortsetzung der Gütergemeinschaft nur dann nicht in Betracht käme, wenn die Ehegatten sie ehevertraglich ausgeschlossen haben (vgl. Wöhrmann/Stöcker, a.a.O., § 8 HöfeO Rdn. 38). Ein solcher Ausschluß liegt schon konkludent in der gleichzeitig erfolgten gegenseitigen Erbeinsetzung. Mit dem unter Mitwirkung der Beteiligten zu 1 abgeschlossenen Erbvertrag vom 10. November 1971 haben die Eheleute R. im übrigen erneut zum Ausdruck gebracht, daß die Gütergemeinschaft nicht zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinsamen Abkömmlingen fortgesetzt werden soll.
Aus den vorstehenden Überlegungen folgt, daß nur die Beteiligten zu 1 bis 3 überhaupt als Hofeigentümer in Betracht kommen. Dann aber muß das Landwirtschaftsgericht auch die formwirksame negative Hoferklärung dieser Beteiligten beachten, die diese nur abgegeben haben, um sich in bestimmter Weise auseinanderzusetzen. Es wäre sinnlos und unökonomisch, sie zur Klärung der Hoferbfolge zu zwingen.
Der Senat hat ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entschieden, weil es um die Unzulässigkeit eines Antrags und um die Unzulässigkeit des Rechtsmittels geht (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 LwVG). Auch zur Sachentscheidung war die Zuziehung ehrenamtlicher Richter nicht veranlaßt (§ 3 Abs. 3 HöfeVfO).
Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben (§ 18 HöfeVfO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt (§ 45 LwVG).
Fundstellen
Haufe-Index 609932 |
FamRZ 1998, 229 |
WM 1998, 661 |
AgrarR 1998, 213 |
RdL 1998, 13 |