Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. Mai 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 301.684 DM.
Gründe
I.
Das Landgericht hat den Beklagten, einen Rechtsanwalt, zur Zahlung von 301.684 DM verurteilt. Hiergegen legte der Beklagte Berufung ein. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. März 2001 erschien er nicht. Gegen das daraufhin erlassene und am 13. März 2001 zugestellte Versäumnisurteil legte er mit Schriftsatz vom 30. März 2001 Einspruch ein und beantragte gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Er hat vorgetragen und dies durch eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten C. glaubhaft gemacht: Sein Büro sei so organisiert, daß Notfristen im Terminkalender als Vorfrist und für den Tag des Fristablaufs notiert würden. Am Tag des Fristablaufs werde vor Büroschluß kontrolliert, ob alle Fristsachen ordnungsgemäß erledigt seien. Erst danach werde die Frist gelöscht. Im vorliegenden Fall habe die geschulte und zuverlässige Angestellte C. die Akte am 27. März 2001, dem Tag des Fristablaufs für den Einspruch gegen das Versäumnisurteil, nicht vorgelegt und die Einspruchsfrist infolge eines nicht mehr nachvollziehbaren Versehens am Nachmittag desselben Tages als erledigt gestrichen.
Mit Beschluß vom 15. Mai 2001 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten abgelehnt und seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 7. März 2001 als unzulässig verworfen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Sofern der Anwalt die Fristenkontrolle seinem Büropersonal überlasse, müsse er durch organisatorische Maßnahmen mögliche Fehlerquellen in größtmöglichem Umfang ausschließen. Dazu gehöre eine wirksame Ausgangskontrolle, die gewährleiste, daß die im Fristenkalender vermerkte Frist erst dann gelöscht werde, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich abgesandt worden oder sicher Vorsorge dafür getroffen sei, daß es rechtzeitig hinausgehe. Substantiiertes Vorbringen des Beklagten, welche organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden seien, um ein Fehlverhalten bei der Überwachung von Notfristen auszuschließen, fehle. Dem Vortrag des Beklagten sei weder zu entnehmen, ob in seiner eigenen Sache überhaupt eine Vorfrist notiert worden sei, noch ob die Akten eine Woche vor Fristablauf vorgelegt worden seien, noch welche Kontrollen vorhanden seien, um eine Nichtbeachtung der Vorfrist auszuschließen.
Aus den Angaben des Beklagten gehe auch nicht hervor, welche Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung von versehentlichen Löschungen im Fristenkalender ergriffen worden seien und ob die Angestellte C. angewiesen worden sei, sich vor Streichung einer Frist anhand der Akte zu vergewissern, daß zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 5. Juni 2001.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig (§§ 238 Abs. 2, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat den nicht rechtzeitig eingelegten Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil (§§ 542 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO) zu Recht als unzulässig verworfen (§§ 542 Abs. 3, 341 Abs. 1 ZPO).
2. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerfrei versagt. Gemäß § 233 ZPO darf dem in eigener Sache als Rechtsanwalt tätig gewordenen Beklagten nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn die Möglichkeit, daß ihn an der Versäumung der Einspruchsfrist ein Verschulden trifft, ausgeschlossen ist. Das ist hier nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozeßbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, daß die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1993 – XII ZB 155/93 – BGHR ZPO § 233 – Fristenkontrolle 31; vom 15. Februar 1995 – XII ZB 229/94 – BGHR ZPO § 233 – Fristenkontrolle 39; vom 14. März 1996 – III ZB 13/96 – VersR 1996, 1298 und vom 4. Oktober 2000 – XI ZB 9/00 – BGHR ZPO § 233 – Ausgangskontrolle 14). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung des Prozeßbevollmächtigten, die sicherstellt, daß die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird. Der für die Kontrolle zuständige Angestellte ist dabei anzuweisen, Fristen im Kalender grundsätzlich erst zu streichen, nachdem er sich anhand der Akte vergewissert hat, daß zweifelsfrei nichts mehr zu veranlassen ist (BGH, Beschluß vom 14. März 1996 – III ZB 13/96, aaO). Weder der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags des Beklagten noch der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten C. ist zu entnehmen, daß in der Kanzlei des Beklagten die danach erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen worden sind.
Zur Ausgangskontrolle in seinem Büro hat der Beklagte lediglich vorgetragen, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, erst dann werde die Frist gelöscht. Welche Anordnungen des Beklagten dazu an die Angestellten ergangen sind, ist weder in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags noch in der Beschwerdebegründung näher dargelegt. Insbesondere hat der Beklagte nicht vorgetragen, er habe angeordnet, eine Frist erst dann im Fristenkalender zu streichen, wenn der fristwahrende Schriftsatz postfertig gemacht und anhand der Akte überprüft worden sei, daß nichts mehr zu veranlassen sei.
Die Angestellte C. hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung insoweit lediglich ausgeführt, vor Büroschluß werde kontrolliert, ob alle Fristsachen erledigt seien, in der Folge werde die Frist gestrichen. Die so beschriebene Praxis entspricht nicht den an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle zu stellenden Anforderungen. Sie läßt es nämlich zu, daß Fristen auch dann gestrichen werden, wenn die Angestellte auf eine nicht näher festgelegte Weise erfährt und deshalb zu wissen glaubt, daß die Sache irgendwie erledigt sei. Daß es dabei leicht zu Irrtümern und Verwechselungen kommen kann, liegt auf der Hand. Es ist danach nicht auszuschließen, daß die Ausgangskontrolle in der Kanzlei des Beklagten nicht so organisiert ist, daß eine Wahrung von Rechtsmittelfristen gewährleistet wird, und daß die Versäumung der Einspruchsfrist auf einen solchen Organisationsmangel zurückzuführen ist. Schon diese Möglichkeit eines Organisationsverschuldens des Beklagten schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.
3. Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Nobbe, Siol, Bungeroth, Müller, Wassermann
Fundstellen
Haufe-Index 664988 |
NJOZ 2002, 900 |