Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 05.06.2018) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. Juni 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg. Auf die weiteren Rügen kommt es daher nicht mehr an.
Rz. 2
1. Der Verfahrensbeanstandung liegt folgendes Geschehen zugrunde:
Rz. 3
In der Hauptverhandlung vom 5. Juni 2018 regte der Vorsitzende nach Verlesung der Anklageschrift, der Belehrung der Angeklagten über ihre Aussagefreiheit und nach der Erklärung ihrer Aussagebereitschaft ein Rechtsgespräch an. Über das während einer Verhandlungspause geführte Gespräch zwischen den Kammermitgliedern, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin teilte der Vorsitzende in der fortgesetzten Verhandlung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls mit, es habe „im Ergebnis eine vom Vorsitzenden angeregte Verständigung nach § 257c StPO ergeben, wonach die Kammer der Angeklagten im Falle eines glaubhaften Geständnisses im Sinne der Anklage die Zusage gibt, auf eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als drei Jahren und zwei Monaten und höchsten drei Jahren und acht Monaten zu erkennen”. Sodann stimmten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, die Verteidigerin und die Angeklagte dem Verständigungsvorschlag zu. Anschließend belehrte der Vorsitzende die Angeklagte (§ 257c Abs. 5 StPO i.V.m. § 257c Abs. 4 StPO), die danach den Anklagevorwurf im Wesentlichen einräumte. Maßgeblich hierauf stützte die Strafkammer die noch am selben Hauptverhandlungstag erfolgte Verurteilung der Angeklagten (UA S. 8 f.).
Rz. 4
2. Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Anwendung der Vorschrift des § 257c Abs. 5 StPO, da die Belehrung über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts verspätet erteilt worden ist.
Rz. 5
a) § 257c Abs. 5 StPO wird dahingehend verstanden, dass ein Angeklagter vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Damit soll die Fairness des Verständigungsverfahrens gesichert und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang geschützt sowie einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit vorgebeugt werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungssituation einhergehen kann. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 224 f., 237; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, NStZ-RR 2017, 151 mwN).
Rz. 6
Hier hat der Vorsitzende der Strafkammer die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO nicht im Anschluss an den Verständigungsvorschlag des Gerichts erteilt, sondern erst nach der Verständigung. Eine solche kommt – wie ausweislich der hierzu im Hauptverhandlungsprotokoll getroffenen Feststellung offenbar verkannt worden ist – nicht erst mit der Belehrung zustande, sondern bereits durch die Zustimmungserklärungen gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO. Eine Heilung des Verstoßes ist nicht erfolgt (vgl. zu deren Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, aaO).
Rz. 7
b) Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Insbesondere bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der nur geringfügig vorbestraften Angeklagten auch ohne entsprechende Belehrung durch das Gericht bekannt gewesen sein könnte, wann die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 2), oder dass die Angeklagte ihr Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (BVerfGE aaO, 238; BVerfG, NJW 2014, 3506, 3507).
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, Schneider, Berger, Mosbacher
Fundstellen
Haufe-Index 12407099 |
NStZ-RR 2019, 27 |
StRR 2018, 3 |
StRR 2019, 10 |
StRR 2019, 2 |
StV 2019, 379 |