Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Raub
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 21. September 1998 mit den Feststellungen aufgehoben,
- im Strafausspruch,
- soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes (angewandte Strafvorschriften: „§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 StGB”) zu zwei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen „schweren Raubes” hält der rechtlichen Nachprüfung zwar Stand. Dies gilt aber nicht, soweit das Landgericht innerhalb des hier anwendbaren § 250 StGB n.F. den (weiter) qualifizierten Tatbestand des Absatzes 2 Nr. 1 der Vorschrift als verwirklicht ansieht. Als „Waffe” oder „anderes gefährliches Werkzeug” im Sinne der vom Landgericht angenommenen Tatbestandsalternative werden – ebenso wie im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) der Vorschrift – nur Tatmittel erfaßt, die – jedenfalls in ihrer konkreten Anwendung – objektiv gefährlich und geeignet sind, erhebliche Verletzungen zu verursachen (BGH StV 1998, 485 f.; Beschluß vom 6. November 1998 - 2 StR 350/98). Dies ist bei einer Schreckschußpistole, wie sie der Angeklagte verwendet hat, nicht der Fall, soweit sich – wovon hier auszugehen ist – deren Benutzung darin erschöpft, die Existenz einer scharfen Schußwaffe vorzutäuschen (BGH StV 1998, 486 f.). In diesem Fall richtet sich die Strafbarkeit nach dem „Auffangtatbestand” des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB n.F.
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler läßt zwar den Schuldspruch wegen „schweren Raubes” unberührt, führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs. Daran ändert entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts (der die Aufhebung des Strafausspruchs aus anderen Gründen beantragt hat) nichts, daß das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles des § 250 Abs. 3 StGB n.F. bejaht hat. Danach ist zwar für minder schwere Fälle des Absatzes 1 und des Absatzes 2 derselbe, von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe reichende Strafrahmen vorgesehen. Doch stellt sich eine unter § 250 Abs. 2 StGB n.F. fallende Tat nach der gesetzlichen Vorbewertung, wie sie ihren Ausdruck in dem erhöhten Mindeststrafmaß von fünf Jahren Freiheitsstrafe gefunden hat, im Vergleich zu den Taten nach Absatz 1 der Vorschrift mit einem Mindeststrafmaß von (nur) drei Jahren Freiheitsstrafe grundsätzlich als das schwerer wiegende Delikt dar. Dieser Gesichtspunkt kann bei der den Einzelfall betreffenden Gewichtung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat auch dann Bedeutung erlangen, wenn der Tatrichter die Strafe dem einheitlichen Strafrahmen für minder schwere Fälle des Absatzes 3 entnimmt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, daß das Landgericht, wäre es von der Verwirklichung des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB n.F. anstelle von Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift ausgegangen, auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.
Hinzu kommt, daß der aufgezeigte Rechtsfehler auch die Strafrahmenwahl selbst zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt haben kann. Das Landgericht hat – im Ausgangspunkt zutreffend – zur Begründung des minder schweren Falles zunächst die allgemeinen Milderungsgründe und sodann, da diese „nach Auffassung der Kammer dazu nicht ausgereicht (hätten)”, den „vertypte(n) Milderungsgrund des § 21 StGB” herangezogen (UA 9). Ausgehend von dem hier anwendbaren Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 StGB n.F. hätte aber Anlaß bestanden zu prüfen, ob die Milderung des Regelstrafrahmens gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis führen würde. Bei dem von dem Landgericht für anwendbar erachteten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB n.F. (zwei Jahre bis elf Jahre drei Monate Freiheitsstrafe) ist dies nicht der Fall. Die Milderung des Strafrahmens des Absatzes 1 eröffnet jedoch einen von sechs Monaten bis zu elf Jahren drei Monaten Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmen, der mithin im Mindestmaß günstiger als der des minder schweren Falles ist. Die Wahl dieses gemilderten Regelstrafrahmens hätte sich nicht ausschließbar auch günstig auf die Strafbemessung im engeren Sinne ausgewirkt, zumal das Landgericht – ungeachtet der rechtlich verfehlten schematischen „Mathematisierung” der Strafzumessung (UA 9 unten; vgl. BGHSt 34, 345, 350 f.; Senatsurteil vom 17. Dezember 1998 - 4 StR 563/98 m.w.N.) – die Strafe dem unteren Bereich des angewandten Strafrahmens entnommen hat.
3. Das Urteil ist auch insoweit aufzuheben, als das Landgericht es unterlassen hat zu prüfen, ob der Angeklagte gemäß § 64 Abs. 1 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist, obwohl die Erörterung dieser Frage sich hier aufdrängte.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:
- „Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit Frühjahr 1993 LSD, Kokain, Speed, MDMA, MDA und Psylocybin; der Verlust seiner langjährigen Freundin im Mai 1997 führte zu einem gesteigerten Drogenkonsum; aufgrund seines großen Eigenbedarfs an Betäubungsmitteln machte er Schulden bei diversen Dealern, die sich zum Schluß auf ca. 5.000 DM beliefen; am Tage und in der Nacht vor der Tat hatte er diverse Drogen zu sich genommen und kaum geschlafen; am Morgen des Tattages konsumierte er 1/4 Gramm Speed; nach den Ausführungen des Sachverständigen ist es bei ihm infolge jahrelang betriebenen Drogenmißbrauchs zu krankhaften seelischen Störungen gekommen, die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit führten; unter Drogeneinfluß und aufgrund der hohen Schulden aus Drogenkäufen sowie aus Angst vor seinen Gläubigern entschloß sich der Angeklagte zu dem Raubüberfall.
- Angesichts dieser Feststellungen lag die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Das Landgericht hätte daher darlegen müssen, warum es gleichwohl von der Unterbringung abgesehen hat. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO, BGHSt 37, 5).”
Dem stimmt der Senat zu.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 540877 |
NStZ-RR 2000, 43 |
StV 1999, 209 |