Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 30.05.2007) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen insoweit aufgehoben, als die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet worden ist.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner nur hinsichtlich der Nichtanwendung des § 64 StGB ausgeführten Revision.
Rz. 2
Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
Ein sachlichrechtlicher Mangel liegt darin, dass das Landgericht nicht erkennbar geprüft hat, ob eine Maßregel nach § 64 StGB anzuordnen war. Nach den Feststellungen drängte sich eine solche Prüfung jedoch auf. Der Angeklagte war seit mehreren Jahren heroin- bzw. crackabhängig. Zur Finanzierung seiner Sucht hatte er sich überschuldet. Am Tattag hatte er kein Geld für den Kauf von Rauschmitteln und er entschloss sich zur Begehung des Apothekenüberfalls, um sich von der Beute Kokain kaufen zu können. Zwar hatte er seit 2004 versucht, „seine Sucht in den Griff” zu bekommen, dies war ihm aber trotz zweier ambulanter Drogentherapien nicht gelungen. Erst seit dem Haftantritt wegen der einbezogenen Strafe am 7. Juni 2006 lebte er drogenfrei; die Strafvollstreckung ist ab dem 13. Dezember 2006 nach § 35 BtMG zurückgestellt worden. Dies legt nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zurückgeht, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen.
Rz. 4
Die neue Fassung der Vorschrift des § 64 Satz 1 StGB, wonach die Maßregel nicht mehr zwingend angeordnet werden muss (vgl. hierzu Fischer, StGB 55. Aufl. § 64 Rdn. 23), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Gericht „soll” die Unterbringung anordnen, wenn die Voraussetzungen des § 64 StGB vorliegen, nur in – hier nicht einschlägigen – Ausnahmefällen darf davon abgesehen werden (BT-Drucks 16/5137, S. 10; 16/1344, S. 12).
Rz. 5
Eine Erörterung der Voraussetzungen des § 64 StGB war auch im Hinblick auf die günstige Entwicklung des Angeklagten nicht entbehrlich. Denn ob die nach den Angaben des Angeklagten bislang erfolgreich verlaufende, aber noch nicht abgeschlossene Therapie die Gefahrenprognose bereits maßgeblich beeinflussen konnte, hat das Landgericht nicht geprüft; solches liegt auch angesichts der seit Jahren verfestigten Sucht nicht nahe.
Rz. 6
Über die Maßregelfrage ist erneut zu entscheiden. Soweit der Revisionsführer eine Verfahrensweise nach § 67b StGB anstrebt, verkennt er, dass eine Aussetzung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zugleich mit der Anordnung nach § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB ausgeschlossen ist, da die einzubeziehende Einzelfreiheitsstrafe bereits die Grenze des § 56 StGB überschreitet.
Rz. 7
Die insoweit erfolgte Aufhebung des landgerichtlichen Urteils bedingt allerdings nicht zugleich die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann in Anbetracht der geringen Höhe der verhängten Einzel- und Gesamtstrafe ausschließen, dass ein neuer Tatrichter auch unter Einbeziehung des § 64 StGB zu noch milderen Strafen kommen könnte.
Rz. 8
Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB wird Folgendes zu beachten sein: Ganz maßgeblich wird der Erfolg zu bewerten sein, den der Angeklagte durch die stationäre Therapie erzielt hat, für die aus der einbezogenen Strafe die Vollstreckung zurückgestellt ist. Diese wird gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG auf die nunmehr gebildete Gesamtstrafe anzurechnen sein. Der neue Tatrichter wird in den Blick zu nehmen haben, ob ein zwischenzeitlich erzielter Behandlungserfolg der Therapie nach § 35 BtMG ausnahmsweise die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB entbehrlich machen könnte. Für den Fall der Anordnung der Maßregel ist – dem Rechtsgedanken der ebenfalls neu gefassten Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB folgend – sicherzustellen, dass ein möglicherweise mittlerweile eingetretener Behandlungserfolg nicht durch einen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe gefährdet wird. Dieser Gesamtkomplex bedarf nochmaliger tatrichterlicher Prüfung, wobei die Wirkungen aus dem Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 Abs. 6 BtMG) und die mutmaßlichen Auswirkungen eines danach erforderlichen Vollzugs einer Freiheitsstrafe in die Gesamtschau der Prüfung des § 64 StGB einzubeziehen sein werden.
Unterschriften
Basdorf, Gerhardt, Raum, Brause, Schaal
Fundstellen