Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit der Aufbringung der Prozesskosten einer am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen.

 

Normenkette

InsO § 38; ZPO § 116 S. 1 Nr. 1 Hs. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 07.12.2009; Aktenzeichen 23 U 24/09)

LG Berlin (Entscheidung vom 02.02.2009; Aktenzeichen 99 O 103/07)

BGH (Entscheidung vom 27.09.1990; Aktenzeichen IX ZR 250/89)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Antrag des Klägers, der als Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. GmbH i. L. Partei kraft Amtes ist, bleibt schon deshalb erfolglos, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Zwar können die Kosten der beabsichtigten Prozessführung aus der vom Kläger verwalteten Insolvenzmasse nicht gedeckt werden, § 116 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ZPO. Den am Gegenstand des Rechtstreits wirtschaftlich Beteiligten ist es jedoch zumutbar, die Prozesskosten aufzubringen.

Rz. 2

I. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2011 – II ZA 1/11, ZInsO 2011, 1552 Rn. 2; Beschluss vom 23. Oktober 2008 – II ZR 211/08, […] Rn. 2; Beschluss vom 5. November 2007 – II ZR 188/07, DStR 2007, 2338 Rn. 2; Beschluss vom 27. September 1990 – IX ZR 250/89, ZIP 1990, 1490 [BGH 27.09.1990 – IX ZR 250/89]). Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 – VII ZB 71/08, ZIP 2011, 98 Rn. 9).

Rz. 3

 

Entscheidungsgründe

II. Hieran gemessen ist der am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten D. GmbH die Aufbringung der Prozesskosten zumutbar.

Rz. 4

1. Die D. GmbH ist als Insolvenzgläubigerin mit einer in Höhe von 195.245,40 EUR zur Tabelle festgestellten Forderung am Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligt. Sie erhielte auf diese Forderung keine Quote, wenn der Prozess nicht (erfolgreich) geführt würde. Die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche sind nach den Angaben des Klägers neben einem Barbestand von 59,77 EUR die einzigen Vermögenswerte der Masse.

Rz. 5

2. Die beabsichtigte Prozessführung lässt eine Verbesserung der Quote auf 19,11 % erwarten, wenn der Prozess gewonnen würde. Die D. GmbH würde dann einen Betrag von 37.311,40 EUR erhalten; das ist deutlich mehr als das Doppelte der von ihr vorzuschießenden Kosten in Höhe von 14.200,80 EUR. Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände ist dieser Gläubigerin daher zuzumuten, die Kosten aufzubringen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – II ZR 211/08, […] Rn. 3).

Rz. 6

a) Der Senat geht nach den Darlegungen des Klägers zu den Prozessrisiken und Vollstreckungsaussichten davon aus, dass bei einem Prozesserfolg der Masse ein Betrag von etwa 65.000 EUR zufließt.

Rz. 7

aa) Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren – neben Zahlungsanträgen in Höhe von 4.667,03 EUR gegen beide Beklagten als Gesamtschuldner und in Höhe von 194,46 EUR gegen den Beklagten zu 2 – die Feststellung, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, (über das Zahlungsbegehren hinaus) 96 % des Betrags an den Kläger zu zahlen, der erforderlich ist, um eine Befriedigung der im Rang des § 38 InsO noch festzustellenden Forderungen im laufenden Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. GmbH zu ermöglichen, und der Beklagte zu 2 verpflichtet ist, die weiteren 4 % des erforderlichen Betrags zu zahlen.

Rz. 8

Nach den Angaben des Klägers sind inzwischen Forderungen von nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern (§ 38 InsO) in Höhe von 201.428,63 EUR zur Tabelle festgestellt. Für die Berechnung des (prognostizierten) Massezuflusses ist von diesen aktuellen Verhältnissen auszugehen. Entgegen der Auffassung des Klägers können die davon abweichenden Werte in dem von ihm selbst erstellten Insolvenzgutachten vom 1. Juni 2007, in dem er seine eigene, vorrangig zu deckende Vergütung auf der Basis eines Massezuflusses von 38.396,61 EUR bei zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten in Höhe von 51.793,22 EUR und des Stammkapitals von 25.000 EUR errechnet hat, nicht mehr zugrunde gelegt werden.

Gegen die Beklagten werden nach aktuellem Stand vielmehr Forderungen in Höhe eines Betrags von insgesamt 227.929,65 EUR verfolgt, der sich – auf der Basis einer prognostizierten freien Masse von 65.000 EUR – aus folgenden Einzelpositionen zusammensetzt:

– (Insolvenz)Gerichtskosten

1.390,00 EUR

– Sachverständigenvergütung

508,07 EUR

– Veröffentlichungskosten

10,00 EUR

– Verwaltervergütung

20.587,00 EUR

– Masseverbindlichkeiten

4.005,95 EUR

– Zwischensumme:

26.501,02 EUR

– zzgl. Forderungen (§ 38 InsO)

201.428,63 EUR

– Gesamt:

227.929,65 EUR

Rz. 9

bb) Die Abwägung des Prozess- und Vollstreckungsrisikos auf der Grundlage der Angaben des Klägers ergibt, dass auch im Falle einer Verurteilung des Beklagten zu 2 von diesem keine nennenswerten Beträge erlangt werden können, weil über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für die Beurteilung ist daher auf den gegen die Beklagten als Gesamtschuldner verfolgten Zahlungsanspruch in Höhe von 4.667,03 EUR und den gegen beide als Gesamtschuldner gerichteten Feststellungsantrag abzustellen, der nach den jetzigen Verhältnissen einen Anspruch in Höhe von 214.145,43 EUR umfasst (96 % von 227.929,65 EUR abzüglich 4.667,03 EUR und 194,46 EUR). Hinsichtlich des Beklagten zu 1 vermochte der Kläger keine konkreten Angaben zu den Aussichten einer Vollstreckung zu machen. Selbst wenn hinsichtlich des Zahlungsantrags ein Prozess- und Vollstreckungsrisiko von 50 % und hinsichtlich des Feststellungsantrags ein solches von 70 % unterstellt wird, ist mit einem Massezufluss von etwa 65.000 EUR zu rechnen.

Rz. 10

b) Ausgehend von vorrangig zu bedienenden Massekosten und Masseverbindlichkeiten in Höhe von 26.501,02 EUR bleibt danach ein Betrag von 38.498,98 EUR zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger. Das entspricht einer Quote von 19,11 %. Die zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung der D. GmbH beträgt 195.245,40 EUR, so dass auf sie ein Betrag von 37.311,40 EUR entfiele.

Rz. 11

c) Demgegenüber müssen von ihr für die beabsichtigte Rechtsverfolgung auf der Basis eines Streitwerts von bis 200.000 EUR Rechtsanwalts- und Gerichtskosten in Höhe von 14.200,80 EUR aufgewandt werden (7.280 EUR Gerichtskosten; 6.920,80 EUR [netto] Rechtsanwaltskosten). Dass die Gläubigerin nicht in der Lage ist, diesen Betrag aufzubringen, wird vom Kläger nicht geltend gemacht.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3087853

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