Leitsatz (amtlich)
Die Kosten eines privaten Sachverständigengutachtens, das während eines selbständigen Beweisverfahrens vom Antragsgegner in Auftrag gegeben wird, können gem. § 494a Abs. 2 ZPO erstattungsfähig sein.
Normenkette
ZPO § 494a Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 15.08.2011; Aktenzeichen 18 W 175/11) |
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.12.2010; Aktenzeichen 2-24 OH 8/08) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 15.8.2011 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Frankfurt/M. vom 7.12.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragsgegnerin führte im Auftrag der Antragstellerin 2003 eine technische Due-Diligence-Prüfung (technische Angebotsprüfung) für ein Bürogebäude in D. durch. Zum Auftragsumfang gehörte die "Grobüberprüfung der vereinbarten Qualitäten und der Planungsqualität" sowie die "Überprüfung der Ausführungsqualität". Der unter dem 6.8.2003 vorgelegte Bericht war Grundlage für die Kaufentscheidung der Antragstellerin.
Rz. 2
Im Jahre 2005 stellte die Antragstellerin an dem Objekt baulich-statische Mängel fest. Die Antragstellerin warf der Antragsgegnerin vor, diese Mängel trotz deren Erkennbarkeit übersehen zu haben. Mit beim LG Ende 2008 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt. Gegenstand der Antragsschrift waren die gutachterlichen Stellungnahmen aus statischer Sicht des Ingenieurbüros H./Dr. M. und der FaAA D. (Prof. Dr.-Ing. N.). Das Gutachten des Ingenieurbüros H./Dr. M. verwies auf eine von der Antragstellerin in 2005 durchgeführte Beweissicherung durch das Sachverständigenbüro P./H.-B.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 24.2.2009 ordnete das LG die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die von der Antragstellerin eingeführten Beweisfragen an. Diese betrafen im ersten Teil die Feststellung, ob der Ist-Zustand (statisch) den anerkannten Regeln der Technik entsprach, und im zweiten Teil die Feststellung, ob die Antragsgegnerin die behaupteten statischen Mängel hätte erkennen können. Das LG gab der Antragstellerin auf, die Stellungnahme von P./H.-B. zur Akte zu reichen.
Rz. 4
Aufgrund von Vergleichsverhandlungen ruhte das Verfahren, bis das LG den Sachverständigen mit Verfügung vom 20.10.2009 um die Fortsetzung der Begutachtung bat. Der Sachverständige beraumte einen Termin zur Ortsbesichtigung für den 26.11.2009 an und informierte darüber die Parteien mit Schreiben vom 27.10.2009. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin das Ingenieurbüro St. und Partner zur sachverständigen Begleitung im Beweissicherungsverfahren. St. und Partner erbrachten im Zeitraum vom 17.11.2009 bis 29.1.2010 Leistungen, die sie im Umfang von 39 Stunden zu einem Stundensatz von 107 EUR abrechneten. Unter anderem nahm ein Mitarbeiter des Büros am Ortstermin teil.
Rz. 5
Der Sachverständige erstellte sein Gutachten unter dem 14.12.2009. Er kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Statik des Gebäudes die Regeln der Technik verletzt seien und erst eine kritische Durchsicht der Tragwerksplanung die Deckenproblematik offenkundig gemacht hätte. Wegen der sich daraus ergebenden Schäden verwies er auf das Gutachten P./H.-B., das die Antragstellerin noch nicht zur Akte gereicht hatte.
Rz. 6
Nach Aufforderung vom 29.12.2009 übersandten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 28.1.2010 an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin das Gutachten P./H.-B., Teile 1 bis 7. Am Ende des Schreibens wird um "gelegentliche Rücksendung" gebeten, "da dem Unterzeichner kein weiteres eigenes Exemplar" vorliege. Das Gutachten bestand aus 450 Seiten überwiegend mit Farbfotos und 14 Plänen im Format A 1. Um das Gutachten der Antragsgegnerin und dem Ingenieurbüro St. und Partner zukommen lassen zu können, ließen die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin das Gutachten elektronisch reproduzieren, wofür die Sch. GmbH 316,29 EUR abrechnete.
Rz. 7
Aufgrund von Fragen beider Parteien ordnete das LG eine ergänzende Begutachtung an, die der Sachverständige im April 2010 vorlegte.
Rz. 8
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das LG nach Abschluss der Begutachtung der Antragstellerin eine Frist zur Erhebung der Klage gesetzt. Die Antragstellerin hat keine Klage erhoben. Daraufhin hat das LG antragsgemäß ausgesprochen, dass die Antragstellerin die der Antragsgegnerin entstandenen Kosten zu tragen habe. Weiter hat es einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, in dem es der Antragstellerin u.a. die Kosten für die Anfertigung der elektronischen Reproduktionen i.H.v. 316,39 EUR und der Kosten für das Ingenieurbüro St. und Partner i.H.v. 4.173 EUR auferlegt hat.
Rz. 9
Die gegen die Festsetzung dieser Kostenpositionen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist erfolgreich gewesen.
Rz. 10
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Wiederherstellung der landgerichtlichen Kostenfestsetzung.
II.
Rz. 11
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 12
1. Das Beschwerdegericht hat den Ansatz der Kosten der Reproduktion abgelehnt, weil diese nicht notwendig gewesen seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum einfache Ablichtungen zur Information nicht ausreichend gewesen wären. Die wegen der elektronischen Reproduktion entstandenen Kosten seien auch nicht in Höhe fiktiver Kopierkosten erstattungsfähig.
Rz. 13
Die Kosten des Privatgutachtens von 4.173 EUR seien ebenso wenig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen. Grundsätzlich seien die Kosten eines prozessbegleitend eingeholten Privatgutachtens im Rahmen des gerichtlichen Kostenausgleichs nicht erstattungsfähig. Anders könne es ausnahmsweise sein, wenn das Privatgutachten zur Wiederherstellung der "Waffengleichheit" erforderlich oder sachgerechter Vortrag ohne ein solches Gutachten unmöglich sei oder wenn eine Partei es benötige, um Feststellungen eines gerichtlichen Sachverständigen zu überprüfen. Diese Grundsätze gälten jedoch nicht, wenn die Kostengrundentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffen werde. Der Antragsgegner benötige in diesem Fall objektiv kein Privatgutachten, weil dem selbständigen Beweisverfahren dann kein Rechtsstreit folge. Nur wenn ein Beweisverlust drohe oder das Fragerecht gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen nicht ausgeübt werden könne, sei es für den Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren wirtschaftlich vernünftig, ein Privatgutachten zu beauftragen. In allen anderen Fällen - so auch hier - könne der Antragsgegner abwarten, ob der Antragsteller Klage erhebe.
Rz. 14
2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Rz. 15
Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor seines Beschlusses uneingeschränkt zugelassen. Aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses - die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten, die durch die Einholung eines Privatgutachtens während des selbständigen Beweisverfahrens entstehen, zuzulassen - ergibt sich keine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Rz. 16
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor bei gebotener Auslegung eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Beschl. v. 10.2.2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rz. 11; Beschl. v. 10.9.2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rz. 4; Beschl. v. 14.5.2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rz. 15, jeweils m.w.N.). Das bedeutet allerdings nicht, dass allein aus der Begründung der Rechtsmittelzulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen hinreichend klar hervorgeht, dass das Beschwerdegericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH, Beschl. v. 14.5.2008 - XII ZB 78/07, a.a.O., Rz. 16; Beschl. v. 27.10.2011 - VII ZR 229/10, juris Rz. 5).
Rz. 17
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die elektronische Reproduktion sollte (auch) dazu dienen, den privat beauftragten Sachverständigen vollständig über den Inhalt des vom gerichtlichen Sachverständigen erstellten Gutachtens zu informieren. Die Reproduktionskosten können deshalb ebenfalls Kosten sein, die durch die Einholung des Privatgutachtens während des selbständigen Beweisverfahrens entstanden sind. Aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses geht deshalb keine Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf die vom privaten Gutachter abgerechneten Kosten hervor.
Rz. 18
c) Zudem hat das Beschwerdegericht die gegen den angegriffenen Beschluss erhobene Anhörungsrüge, die auch die Reproduktionskosten betraf, als unzulässig verworfen, weil sie wegen der zugelassenen Rechtsbeschwerde unstatthaft sei. Damit hat das Beschwerdegericht seine - entsprechend dem Tenor - vollumfängliche Zulassungsentscheidung bestätigt.
Rz. 19
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
Rz. 20
a) Die Antragsgegnerin kann die Erstattung der vom Ingenieurbüro St. und Partner in Rechnung gestellten Kosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO verlangen.
Rz. 21
aa) Zutreffend meint das Beschwerdegericht, dem Antragsgegner seien nur die prozessbezogenen Kosten zu erstatten, die gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu seiner zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen seien. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Beschwerdegerichts nicht, dass die für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten von während eines Rechtsstreits eingeholten Privatgutachten entwickelten Grundsätze keine Anwendung finden, wenn die Kostengrundentscheidung nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ergeht.
Rz. 22
bb) Die Antragstellerin hat nach fruchtlosem Ablauf der gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Klagefrist die dem Gegner entstandenen Kosten zu tragen, § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Allerdings enthält der Wortlaut dieser Vorschrift keine dem § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO vergleichbare Beschränkung des Umfangs der zu erstattenden Kosten auf solche Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, folgt daraus jedoch nicht, dass die in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO getroffene Wertung dort keine Beachtung fände.
Rz. 23
Sinn und Zweck des § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO gebieten, die Grundsätze des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO heranzuziehen. Der Antragsgegner ist so zu stellen, als habe er in einem Hauptsacheprozess obsiegt. Verzichtet der Antragsteller wegen des ihm ungünstigen Beweisergebnisses auf die Erhebung einer Klage, will § 494a Abs. 2 ZPO verhindern, dass er damit zugleich der Kostenpflicht entgeht, die sich aus der Abweisung einer solchen Klage ergäbe (BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - VII ZB 30/02, BauR 2003, 1255 [1256] = NZBau 2003, 500 = ZfBR 2003, 566). Der Antragsgegner ist kostenrechtlich so zu behandeln, als habe er im Prozess obsiegt (BT-Drucks. 11/8283, 48; BGH, Beschl. v. 22.5.2003 - VII ZB 30/02, a.a.O.). In diesem Fall könnte er jedoch nicht sämtliche ihm entstandenen Kosten erstattet verlangen, sondern nur die, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das ist auch für den umgekehrten Fall des Obsiegens des Antragstellers im Prozess anerkannt. Ihm sind die Kosten eines vorgeschalteten selbständigen Beweisverfahrens nur insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (OLG Jena OLGReport Jena 2001, 252, 253; OLG Köln, NJW-RR 1997, 960; OLG Nürnberg, JurBüro 1996, 35; OLG Koblenz, JurBüro 1996, 34 [35]; Pauly, MDR 2008, 777; Ulrich, AnwBl. 2003, 144, 148; Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 2. Teil Rz. 9).
Rz. 24
cc) Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind Kosten, die für Maßnahmen anfallen, die eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen darf. Für die Beurteilung der Notwendigkeit ist auf den Zeitpunkt der Veranlassung der die Kosten auslösenden Maßnahme abzustellen (BGH, Beschl. v. 20.12.2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rz. 10-12 m.w.N.). Zu den erstattungsfähigen Kosten können ausnahmsweise die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (BGH, Beschl. v. 20.12.2011 - VI ZB 17/11, a.a.O., Rz. 10; Beschl. v. 18.11.2008 - VI ZB 24/08, VersR 2009, 563 Rz. 6; Beschl. v. 4.3.2008 - VI ZB 72/06, NJW 2008, 1597 Rz. 6).
Rz. 25
dd) Diese für vor dem Rechtsstreit oder während des Rechtsstreits beauftragte Privatgutachten aufgestellten Maßstäbe gelten entsprechend für Privatgutachten, die im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens eingeholt werden. Dabei ist der Eigenart des selbständigen Beweisverfahrens Rechnung zu tragen. Dieses dient dazu, Tatsachenfeststellungen zu treffen. Die Feststellungen obliegen regelmäßig, in den Fällen des § 485 Abs. 2 ZPO stets, einem gerichtlich beauftragten Sachverständigen. Beauftragt das Gericht einen Sachverständigen, so ist anerkannt, dass daneben die Einholung eines Privatgutachtens durch eine nicht sachkundige Partei notwendig sein kann, wenn sie ohne sachverständige Hilfe zu einem sachgerechten Vortrag nicht in der Lage ist. Dazu gehören die Fälle, in denen die Partei ohne sachverständige Hilfe die Feststellungen des Sachverständigen nicht überprüfen oder erschüttern oder das Fragerecht ihm gegenüber nicht ausüben kann (BGH, Beschl. v. 20.12.2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rz. 13 m.w.N.).
Rz. 26
Die Partei, die selbst über keine hinreichenden Kenntnisse verfügt, hat ein anerkennenswertes Interesse daran, einen eigenen Sachverständigen möglichst frühzeitig in die Beweisaufnahme einzubinden, um wesentliche Beweisfragen zu formulieren, Hinweise zu erteilen, den gerichtlichen Sachverständigen zu kontrollieren, insb. bei den im Rahmen einer Ortsbesichtigung festzustellenden Tatsachen, und dessen Ergebnisse zu prüfen. Die Einbindung eines privaten Sachverständigen bereits im Vorfeld der Gutachtenerstellung ist deshalb unabhängig davon anerkennenswert, ob der zu begutachtende Gegenstand Veränderungen unterworfen ist und daher die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgefundenen Gegebenheiten für eine Überprüfung nicht mehr zur Verfügung stehen. Das gilt insb. auch im Hinblick darauf, dass schon nach § 485 Abs. 3 ZPO eine neue Begutachtung nur stattfindet, wenn die Voraussetzungen des § 412 ZPO erfüllt sind.
Rz. 27
ee) Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten ist nicht auf die Erhebung der Klage nach Beendigung der Beweiserhebung abzustellen. Darin läge eine unzulässige ex-post-Betrachtung, die an einen Umstand anknüpfte, dessen Eintritt oder Nichteintritt bei der Beauftragung des Sachverständigen durch die Antragsgegnerin nicht absehbar war (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2011 - VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140). Es ist deshalb ebenfalls unerheblich, dass das Beschwerdegericht nicht feststellen konnte, ob die Antragsgegnerin die Fragen zum schriftlichen Gutachten an den Sachverständigen nur deshalb formulieren konnte, weil ihr das Privatgutachten vorgelegen hat.
Rz. 28
ff) Die Beauftragung des Ingenieurbüros St. und Partner erfolgte durch die Antragsgegnerin in unmittelbarem Bezug zum selbständigen Beweisverfahren, nachdem die Vergleichsbemühungen der Parteien gescheitert waren und der gerichtlich bestellte Sachverständige den Ortstermin anberaumt hatte. Aus der Stundenauflistung folgt, dass der private Sachverständige erstmals in Vorbereitung des unmittelbar bevorstehenden Ortstermins tätig wurde und die verschiedenen "Gutachten zum Gebäude" sichtete.
Rz. 29
gg) Die Antragsgegnerin ist im Hinblick auf die von der Antragstellerin gestellten Fragen nicht als umfassend sachkundig anzusehen. Zwar handelt es sich bei der Antragsgegnerin um ein weltweit operierendes Unternehmen, das über eine Vielzahl von Fachingenieuren verfügt und technische Angebotsprüfungen durchführt. Die Beweisfragen der Antragstellerin waren im ersten Teil aber spezifisch auf die Statik des von der Antragsgegnerin geprüften Gebäudes bezogen. Die Beurteilung der Statik gehörte nicht zum Aufgabenbereich der Antragsgegnerin. Deshalb konnte eine Haftung nur in Betracht kommen, wenn ein Mangel in der Statik bei der Begehung des Gebäudes hätte bemerkt werden können, worauf sich der zweite Teil der Beweisfragen der Antragstellerin bezog. Da es aber auf die Frage einer Erkennbarkeit nur ankommt, wenn ein statischer Mangel besteht, hatte die Antragsgegnerin ein berechtigtes Interesse daran, aktiv das Beweisverfahren auch zu dem ersten Teil des Fragenkatalogs zu begleiten. Dazu war es erforderlich, die mit der Antragsschrift eingereichten Gutachten, die dem gerichtlich zu bestellenden Sachverständigen aus der Sicht der Antragstellerin den Weg weisen sollten, einer privatsachverständigen Würdigung zu unterziehen, den privaten Sachverständigen in den Ortstermin einzubinden und ihn das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen prüfen zu lassen.
Rz. 30
Auf dieser Grundlage ist weder der Umfang der abgerechneten Stunden noch der Stundensatz zu beanstanden. Ein privat tätiger Sachverständiger ist nicht an den Stundensätzen für einen gerichtlich bestellten Sachverständigen zu messen.
Rz. 31
b) Die Reproduktionskosten für das Gutachten P./B.-H. waren ebenfalls notwendig gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Rz. 32
aa) Der Antragstellerin war bereits im Beschluss des LG vom 24.2.2009 aufgegeben worden, das Gutachten zur Akte zu reichen. Diese Auflage hat die Antragstellerin nicht erfüllt. Nachdem der gerichtlich bestellte Sachverständige in seiner ersten Stellungnahme auf das - ihm offensichtlich zur Verfügung gestellte Gutachten - Bezug genommen hatte, bestand erst Recht ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an einer Übersendung. Da die Antragstellerin ihr einziges Exemplar im Original zur Verfügung stellte, bestand die Notwendigkeit, das Gutachten zu reproduzieren, und zwar in aussagekräftiger Form. Angesichts der vielen Farbfotos und Großformatpläne kam ein bloßes Kopieren nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin durfte eine elektronische Reproduktion für angemessen halten. Die dadurch angefallenen Kosten sind nicht unverhältnismäßig.
Rz. 33
bb) Soweit die Antragstellerin sich im Beschwerdeverfahren darauf berufen hat, der Antragsgegnerin habe es offen gestanden, das Original bis zum Ende des selbständigen Beweisverfahrens zu nutzen, ergibt sich das nicht aus dem Übersendungsschreiben vom 28.1.2010. In diesem Schreiben wird vielmehr darauf hingewiesen, dass es sich um das einzige Exemplar handele, das bei Gelegenheit zurückzugeben sei. Ein Angebot, das Original bis zum Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens behalten zu können, folgt daraus nicht. Im Übrigen hätte ohne Reproduktion das Gutachten weder der Antragsgegnerin selbst noch einem privaten Sachverständigen überlassen werden können, ohne eine Beeinträchtigung des einzigen Exemplars befürchten zu müssen.
Rz. 34
3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Fundstellen