Verfahrensgang
LG Lüneburg (Entscheidung vom 21.02.2022; Aktenzeichen 21 KLs 15/21) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 21. Februar 2022,
a) soweit es den Angeklagten L. betrifft, im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, dass er unter Wegfall einer der im Fall II.14 der Urteilsgründe verhängten Strafen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wird,
b) soweit es den Angeklagten B. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten B., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Der Angeklagte L. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten B. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Die Rechtsmittel haben jeweils den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der den Angeklagten L. betreffende Schuldspruch wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen im Fall II.14 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 3
a) Nach den dazu getroffenen Feststellungen erwarb der nichtrevidierende Mitangeklagte G. am 12. Mai 2020 500 g Kokain zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Dieses holte der Kurier W. am selben Tag vom Verkäufer ab. Er war zu diesem Zweck durch den Angeklagten L., der G. beim Weiterverkauf der Betäubungsmittel unterstützen wollte, mit einem „EncroChat-Telefon“ ausgestattet worden. Nachdem G. das Kokain wegen ungenügender Qualität zurückgegeben hatte, holte W. einige Tage später - wiederum unter Einsatz des ihm von L. übergebenen „EncroChat-Telefons“ - eine Ersatzlieferung ab. L. erhielt hierfür insgesamt 600 Euro.
Rz. 4
b) Die Annahme des Landgerichts, wonach die Unterstützungshandlungen des Angeklagten L. jeweils als zwei gesonderte Fälle der Beihilfe anzusehen sind, ist im Hinblick auf die Akzessorietät der Teilnahme rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 1999 - 1 StR 678/98, NStZ 1999, 513, 514; vom 2. September 2008 - 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386; vom 21. Januar 2014 - 1 StR 664/13, NStZ 2014, 465; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 525 mwN). Die Gehilfenakte bezogen sich auf eine einzige Haupttat des Mitangeklagten G.. Wird eine zum Weiterverkauf erworbene Rauschgiftmenge in eine andere Menge umgetauscht, weil etwa die gelieferte Qualität nicht den Erwartungen entspricht, so sind auch die Bemühungen um die Rückgabe der mangelhaften und die Nachlieferung einer mangelfreien Ware auf die Abwicklung ein- und desselben Rauschgiftgeschäfts gerichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; Patzak/Volkmer/Fabricius, aaO, Rn. 480, jeweils mwN).
Rz. 5
c) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 6
d) Die Schuldspruchänderung, die hinsichtlich sämtlicher Taten auch den Wegfall der entbehrlichen Deliktsbezeichnung als „unerlaubt“ umfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2014 - 3 StR 340/14 Rn. 8), zieht die Aufhebung einer der beiden im Fall II.14 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafen von einem Jahr nach sich. Die Gesamtstrafe bleibt davon unberührt. Der Senat schließt mit Blick auf den unveränderten Schuldgehalt aus, dass die Strafkammer bei Annahme einer einheitlichen Tat im Fall II.14 der Urteilsgründe auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Rz. 7
2. Die den Angeklagten B. betreffende Einziehungsentscheidung hat ebenfalls keinen Bestand. Sie entbehrt einer tragfähigen Beweiswürdigung. Die Urteilsgründe enthalten weder konkrete Hinweise zu durchgeführten Verkaufsgeschäften, aus denen der Angeklagte im Fall II.19 der Urteilsgründe die von der Strafkammer als Tatertrag bewerteten 4.800 Euro erlangt haben könnte, noch lässt sich ihnen entnehmen, in welchem Umfang die vom Angeklagten zum „Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs“ erworbenen Betäubungsmittel „anlässlich seines Geburtstags“ von seinen Freunden vor Beginn seiner Verkaufsbemühungen konsumiert worden waren.
Sander |
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Tiemann |
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Wenske |
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Fritsche |
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Arnoldi |
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Fundstellen
Haufe-Index 15654888 |
StV 2023, 461 |