Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 14.09.2011) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten S. gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. September 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er wegen einer Anstiftung zu 115 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Anstiftung zu 115 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, jeweils rechtlich zusammentreffend mit gewerbsmäßigem Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird”.
Rz. 2
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des angefochtenen Urteils (§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO).
Rz. 3
I. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor; Verfolgungsverjährung ist für die im Zeitraum 2001 bis 2003 begangenen Taten nicht eingetreten.
Rz. 4
Der vorliegende konkrete Einzelfall gibt dem Senat keinen Anlass von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, dass bei echten Unterlassungsdelikten wie § 266a Abs. 1 StGB und § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB die Taten erst beendet sind, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, sei es durch Beitragsentrichtung, sei es durch Wegfall des Beitragsschuldners (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 11. August 2011 – 1 StR 295/11; Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 – 1 StR 111/10 mwN; BGH, Beschluss vom 27. September 1991 – 2 StR 315/91).
Rz. 5
Entscheidungsgründe
II. Der Schuldspruch (§ 26 StGB zu § 266a StGB in Tateinheit mit § 263 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
1. Das Landgericht hat die im Entscheidungszeitpunkt geänderte, dem Angeklagten günstigere Rechtslage nicht berücksichtigt.
Rz. 7
Von dem durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842) neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst, so dass die Vorenthaltung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen nach neuem Recht dem Betrug als lex specialis vorgeht (vgl. BT-Drucks. 15/2573 S. 28; Senatsbeschluss vom 24. April 2007 – 1 StR 639/06 mwN). Diese Gesetzeslage ist bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise als die dem Angeklagten günstigere gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen. Dies gilt hier schon deshalb, weil die Strafkammer das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht hat (vgl. hierzu Senatsbeschluss aaO und BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 – 5 StR 481/07 und 5 StR 482/07).
Rz. 8
Daher hat die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Betruges zu entfallen.
Rz. 9
Entgegen der Auffassung des Revisionsführers wäre ansonsten die Bejahung eines Betruges grundsätzlich nicht zu beanstanden gewesen. Denn den Urteilsgründen (insbesondere UA S. 10 und UA S. 11 ff.) lassen sich hinreichend die jeweiligen Einzugsstellen entnehmen und, dass der Arbeitgeber dort erfasst ist (vgl. zur Problematik auch Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 – 1 StR 111/10). Nach den Feststellungen wurden die zuständigen Einzugsstellen über die jeweils fortbestehende Verpflichtung zur Abführung der Beiträge getäuscht (vgl. auch Senatsurteil vom 11. August 2010 – 1 StR 199/10 Rn. 29).
Rz. 10
2. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass der Angeklagte in rechtlicher Hinsicht nur eine Anstiftungshandlung (zu 115 Fällen) begangen hat und auch deshalb der Schuldspruch entsprechend zu ändern ist.
Rz. 11
Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte sich bei einem Hinweis gemäß § 265 StPO anders, insbesondere erfolgreicher hätte verteidigen können und stellt daher den Schuldspruch selbst in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang um.
Rz. 12
III. Die Änderung des Schuldspruchs hat den Fortfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen zur Folge. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen lassen. Er schließt aus, dass bei richtiger Bewertung des Konkurrenzverhältnisses (einerseits betreffend die Anzahl der Taten und andererseits hinsichtlich des Zurücktretens des Betruges) und bei Berücksichtigung auch der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 28, 49 StGB im Ergebnis eine (noch) niedrigere Strafe verhängt worden wäre. In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts ist der Senat der Überzeugung, dass nach dem Tatbild und dem durch die Anstiftungshandlung des Angeklagten verwirklichten Unrecht der Tatrichter auf keine geringere Strafe als die – zur Bewährung ausgesetzte – Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt hätte.
Rz. 13
Auf die Frage, ob diese in Anbetracht aller Umstände milde Strafe gemäß § 354 Abs. 1a StPO ohnehin angemessen wäre, kommt es danach nicht an.
Rz. 14
IV. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Nack, Rothfuß, Hebenstreit, Elf, Sander
Fundstellen
Haufe-Index 2944267 |
NStZ 2012, 510 |
NStZ 2012, 7 |
wistra 2012, 235 |
GuT 2012, 187 |
NZWiSt 2013, 64 |
StV 2012, 671 |
ZWH 2012, 232 |