Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 09.02.2016) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten D. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 9. Februar 2016 werden als unbegründet verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO durch den Angeklagten S. ist mangels ausreichenden Tatsachenvortrags (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) unzulässig.
Die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden nach § 243 Abs. 4 StPO erstreckt sich nur auf solche Erörterungen des Gerichts mit Verfahrensbeteiligten, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Nur zu Beginn der Hauptverhandlung ist die Auskunft nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO gegebenenfalls auch darüber zu erteilen, dass keine derartigen Gespräche stattgefunden haben. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ist erneut eine Mitteilung zu machen, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO). Daraus folgt, dass eine weitere Mitteilung lediglich dann erfolgen muss, sobald verständigungsbezogene Gespräche stattgefunden haben. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob verständigungsbezogene – und damit eine Unterrichtungspflicht auslösende – Gespräche stattgefunden haben, muss der Revisionsführer Tatsachen zum Inhalt der Erörterungen vortragen. Erforderlich ist die bestimmte Behauptung von Tatsachen, die eine Überprüfung dahin gestatten, ob dabei ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum standen, was jedenfalls dann der Fall ist, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in einen Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht wurden, damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung nahelag und somit die Mitteilungspflicht ausgelöst wurde (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – 3 StR 310/15, NStZ 2016, 362 mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Revision nicht. Sie beschränkt sich bezüglich des Inhalts des Gesprächs auf den Vortrag, die Vorsitzende habe auf das „Gewicht glaubhafter, verfahrensabkürzender Geständnisse bei der Strafzumessung, wobei Angaben zu Hintermännern und Lieferanten von besonderem Gewicht seien”, hingewiesen. Da sie insofern weitere Einzelheiten nicht vorträgt, kann der Senat nicht beurteilen, ob es sich um ein verständigungsbezogenes oder lediglich um ein sonstiges verfahrensförderndes Gespräch gehandelt hat, das nicht auf eine einvernehmliche Verfahrenserledigung abzielte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15, NStZ 2015, 535, 536). Denn Gegenstand solcher unverbindlichen Erörterungen kann insbesondere der in einem Rechtsgespräch erteilte Hinweis auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses sein (BVerfGE 133, 168, 228; BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15, aaO; Urteil vom 28. Juli 2016 – 3 StR 153/16).
Entsprechendes gilt für den Vortrag der Revision, der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe sich „ausdrücklich gegen die Annahme eines minder schweren Falls” gewandt. Auch insoweit bleibt mangels weitergehenden Vortrags unklar, in welchem Kontext die Äußerung gefallen ist. Ein entsprechender Vortrag wäre vorliegend jedoch erforderlich gewesen, zumal nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Strafrahmenverschiebung nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf (BVerfGE 133, 168, 211).
2. Ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1, § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor. Für die Zulässigkeit der Beauftragung eines Referendars mit den Aufgaben eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist es irrelevant, in welchem Ausbildungsabschnitt er sich befindet (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2017 – 5 StR 548/16 und vom 22. Februar 2017 – 5 StR 605/16).
3. Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im vorliegenden Fall nicht ausdrücklich auf die Härtefallregelung des § 73c StGB eingegangen ist. Die Erörterung der Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB ist nur dann erforderlich, wenn naheliegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2015 – 1 StR 187/15, NStZ 2016, 278; vom 15. März 2011 – 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191). Dies ist hier nicht der Fall.
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, König, Berger, Mosbacher
Fundstellen
Haufe-Index 10643819 |
NStZ 2017, 424 |