Verfahrensgang
LG Kleve (Entscheidung vom 28.09.2022; Aktenzeichen 120 KLs 6/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 28. September 2022
a) geändert
aa) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen, davon in 15 Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, und der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in zwei weiteren Fällen schuldig ist;
bb) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin, dass unter Entfallen der Aufrechterhaltung der im Urteil des Amtsgerichts Kleve vom 29. Januar 2021 angeordneten Einziehung von Taterträgen die Einziehung in Höhe eines Betrages von 1.940 € angeordnet wird.
b) aufgehoben, soweit die im einbezogenen Urteil angeordnete Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel (225 g Marihuana) aufrechterhalten worden ist; diese Anordnung entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen, davon in 17 Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Kleve vom 29. Januar 2021 gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und die Einziehung von Taterträgen angeordnet. Zudem hat es die im einbezogenen Urteil ausgesprochene Einziehung von Taterträgen und von sichergestelltem Marihuana aufrechterhalten.
Rz. 2
Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat im Wesentlichen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Jedoch sind der Schuldspruch sowie die Entscheidung über die Einziehung von Taterlangtem zu ändern. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt:
„1. Die auf die - nicht näher ausgeführte - Sachrüge veranlasste Prüfung des angefochtenen Urteils hat ergeben, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen II 8 und 31 entfallen muss. In diesen Fällen hat die Strafkammer jeweils nur eine gewerbsmäßige Abgabe von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen festgestellt, nicht dagegen - wie bei den übrigen Taten - einen Verkauf aus derselben Bewertungseinheit zumindest auch an Erwachsene. In diesen Fällen erfasst die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) auch den im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) liegenden Unrechtsgehalt, weswegen dieses Delikt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt (Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 353/10 -; BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 - 5 StR 190/17; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, § 30 Rn. 81).
§ 265 StPO steht einer Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Die Strafkammer hat bei der Strafbemessung zwar ausdrücklich berücksichtigt, dass sich der Angeklagte ‚jeweils neben der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren (17 Einzelakte) jeweils wegen eines weiteren Deliktes (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) tateinheitlich schuldig gemacht hat‘ (UA S. 17). Der Senat wird jedoch ausschließen können, dass die Strafkammer in den Fällen II 8 und 31 zu einer noch niedrigeren Einzelstrafe gelangt wäre, was die Anwendung des Strafrahmens für den minder schweren Fall nach § 30 Abs. 2 BtMG vorausgesetzt hätte. Bei der Strafzumessung durch die Strafkammer war der Verkauf an Erwachsene ersichtlich von untergeordneter Bedeutung. Das zeigt sich daran, dass bei der Einzelstrafbemessung lediglich danach differenziert wurde, ob die Betäubungsmittel an einen oder mehrere Minderjährige abgegeben wurden, nicht dagegen nach der Zahl der Erwachsenen (UA S. 18).
2. Der Tenor bedarf ferner hinsichtlich der Einziehung des Wertes der Taterträge der Änderung. Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, sind Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art nämlich grundsätzlich durch das spätere Urteil einheitlich anzuordnen, so dass über sie durch den Gesamtstrafenrichter neu zu entscheiden ist, wobei er allerdings an die Rechtskraft der ursprünglichen Entscheidung gebunden ist. Sofern die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die (weitere) Vollstreckung vorliegen, ist die frühere Einziehungsentscheidung daher in das neue Urteil einzubeziehen. Dies geschieht - trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidung gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB - durch das Zusammenzählen der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2019 - 4 StR 477/18 - m.w.N.). Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ist daher der einheitlich einzuziehende Betrag auf 1.940 EUR festzusetzen.“
Rz. 3
Dem schließt sich der Senat an.
Rz. 4
Darüber hinaus hat auch die ausgesprochene Aufrechterhaltung der im einbezogenen amtsgerichtlichen Urteil angeordneten Einziehung der Betäubungsmittel zu entfallen. Diese hat sich bereits mit der Rechtskraft der Einziehungsanordnung erledigt und ist somit gegenstandslos im Sinne von § 55 Abs. 2 Halbsatz 2 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2023 - 6 StR 419/22, juris Rn. 8; vom 22. November 2022 - 5 StR 380/22, juris Rn. 3).
Rz. 5
Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Schäfer |
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Hohoff |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15671066 |