Verfahrensgang

LG Saarbrücken

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wendet.

2. Dagegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben.

a) Allerdings erweisen sich die Strafzumessungserwägungen der Jugendkammer nicht schon aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen als rechtsfehlerhaft.

aa) Der Generalbundesanwalt hat seinen Antrag, den Strafausspruch aufzuheben, unter Hinweis auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95 - und vom 20. März 1996 - 3 StR 10/96 - damit begründet, daß die Jugendkammer die verhängte Jugendstrafe in erster Linie mit der Notwendigkeit einer erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten begründet habe: Dabei habe sie "nicht beachtet, daß nach allgemeiner Meinung eine Anstaltserziehung nur bis zu fünf Jahren Erfolg verspricht und sich deswegen eine Jugendstrafe zwischen fünf und zehn Jahren erzieherisch nicht begründen läßt." Es könne "nicht ausgeschlossen werden, daß das Landgericht, hätte es bedacht, daß eine Jugendstrafe zwischen fünf und zehn Jahren dem Erziehungsgedanken zuwiderläuft, trotz der außerordentlichen Schwere der Schuld auf eine mildere Strafe erkannt hätte."

bb) Diesen Erwägungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Die Auffassung, daß eine Jugendstrafe von mehr als fünf Jahren dem Erziehungsgedanken zuwiderlaufe, ist mit der § 18 JGG zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertung nicht in Einklang zu bringen. Indem das Jugendgerichtsgesetz in § 18 Abs. 1 Satz 2 für besonders schwerwiegende Verbrechen das Höchstmaß der Jugendstrafe auf zehn Jahre festsetzt und zugleich in § 18 Abs. 2 den Richter anweist, die Jugendstrafe - auch die von mehr als fünf Jahren - so zu bemessen, daß die erzieherische Einwirkung möglich ist, bringt es zum Ausdruck, daß auch eine Jugendstrafe von mehr als fünf Jahren nicht erzieherisch schädlich sein muß (vgl. auch Böhm StV 1986, 70, 71).

Im übrigen haben auch der 1. und der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in den Entscheidungen vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95 - und vom 20. März 1996 -3 StR 10/96-, auf die sich der Generalbundesanwalt beruft, keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Berücksichtigung erzieherischer Gesichtspunkte bei der Zumessung von Jugendstrafen von mehr als fünf Jahren geäußert, sondern es nur als bedenklich bezeichnet, wenn eine solche Strafe "allein" (Beschluß des 1. Strafsenats vom 27. November 1995, Beschlußabdruck S. 4) bzw. "lediglich" (Beschluß des 3. Strafsenats vom 20. März 1996, Beschlußabdruck S. 3) erzieherisch begründet wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann. Das Landgericht hat nämlich die verhängte Jugendstrafe von zehn Jahren tatsächlich nicht allein erzieherisch begründet. Es hat im Gegenteil ausdrücklich betont, daß "hier auch die Elemente des Schuldausgleichs und der gerechten Sühne zu berücksichtigen" seien, um eine "grobe Unverhältnismäßigkeit zwischen schuldhafter Tat und jugendstrafrechtlicher Sanktion" zu vermeiden. Daß die danach vom Landgericht in seine Strafzumessungserwägungen auch einbezogene Schwere der Schuld neben dem Erziehungsgedanken berücksichtigt werden darf und beide Gesichtspunkte die Verhängung einer Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens aus § 18 Abs. 1 Satz 2 JGG rechtfertigen können, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH StV 1982, 121; BGHR JGG § 17 Abs. 2 Strafzwecke 1; BGH, vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95).

b) Dagegen halten die Ausführungen der Jugendkammer zur Schwere der Schuld rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Insofern mag dahingestellt bleiben, ob es das Landgericht, wie es den Anschein haben könnte (UA 26), zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, daß er nicht alkoholisiert gewesen ist und die Voraussetzungen der §§ 20, 21 nicht vorgelegen haben, oder ob dieser Anschein nur Folge einer ungeschickten Gliederung der Strafzumessungsgründe ist und eine solche - rechtsfehlerhafte - Erwägung nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ausgeschlossen werden kann.

Entgegen den Darlegungen der Jugendkammer (UA 27) darf es dem Angeklagten jedenfalls nicht als schulderschwerend angelastet werden, daß bei ihm in der gesamten Hauptverhandlung "keine echte Einsicht bzw. echte Reue" zu erkennen war. Vor allem aber sind für die Bewertung der Schuld als Gesichtspunkt bei der Zumessung einer Jugendstrafe in erster Linie die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, von Bedeutung. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt demgegenüber keine selbständige Bedeutung zu (BGHSt 15, 224, 226; 16, 261, 263; BGH, Beschluß vom 27. November 1995 - 1 StR 634/95). Im Hinblick darauf hätte sich die Jugendkammer zur Darlegung der Schuldschwere nicht mit dem Hinweis darauf begnügen dürfen, daß der Angeklagte einen Mord begangen hat. Vielmehr hätte bei der Gewichtung der Schuldschwere auch berücksichtigt werden müssen, daß der Angeklagte zur Tatzeit erst 16 Jahre alt und nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch "eine schwache Persönlichkeit" war. Daß diese Umstände das Gewicht der Schuld mindern und dementsprechend etwa die Schuld eines gerade verantwortlichen 14jährigen Mörders regelmäßig anders zu bewerten sein wird als die eines Heranwachsenden an der Grenze zur Vollendung des 21. Lebensjahres, ergibt sich auch aus den §§ 3 und 105 JGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993411

NStZ 1996, 478

NStZ 1996, 496

NStZ 1998, 39

StV 1998, 336

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