Entscheidungsstichwort (Thema)
Mord
Leitsatz (amtlich)
Zur verfahrensmäßigen Behandlung der Angeklagtenrevision, wenn über die Revision der Staatsanwaltschaft aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden wird.
Normenkette
StPO § 349 Abs. 2, 5
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Aktenzeichen Ks 15 Js 11802/96 7 - 13/96) |
Tenor
Die Gegenvorstellungen des Angeklagten M. gegen den Beschluß des Senats vom 10. Februar 1999 werden zurückgewiesen.
Gründe
Die Gegenvorstellungen, die der Angeklagte M. mit Schriftsatz vom 13. April 1999 erhoben hat, bleiben erfolglos.
Der Senat hat mit Beschluß vom 10. Februar 1999 die Revisionen des Angeklagten M. sowie der Mitangeklagten K. und T. gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 16. Dezember 1997 auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Einwendungen des Angeklagten M., durch diese Beschlußverwerfung sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden, der Senat habe zudem aufgrund objektiv willkürlicher Erwägungen eine seiner Verfahrensrügen als unzulässig verworfen, geben dem Senat keine Veranlassung, von der getroffenen Entscheidung abzugehen.
1. Die Einwendung, der Senat habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, indem er über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das genannte Urteil nach mündlicher Verhandlung durch Urteil und über die der Angeklagten ohne mündliche Verhandlung, aber nach der Verhandlung über die Revision der Staatsanwaltschaft getrennt durch Beschluß entschieden habe, geht an den wesentlichen Verfahrenstatsachen vorbei.
Dem Angeklagten ist rechtliches Gehör gewährt worden. Der Generalbundesanwalt hat mit Zuschrift vom 22. September 1998 beantragt, die Revision des Angeklagten M. gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, und hat dies näher begründet. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 3. Oktober 1998 hat der Angeklagte M. ergänzende Ausführungen zur bereits zuvor allgemein erhobenen Sachrüge gemacht und mit weiterem Schriftsatz vom 8. Oktober 1998 eine Gegenerklärung zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts abgegeben. In seinem Beschluß vom 10. Februar 1999, mit dem die Revision des Angeklagten M. verworfen worden ist, hat der Senat ergänzend zu der Antragsbegründung des Generalbundesanwalts, der der Senat im übrigen beigetreten ist, zu einzelnen Verfahrensrügen zusätzliche, die Revisionsverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO rechtfertigende Gründe aufgeführt.
Im übrigen ist die Verfahrensweise, über die Revision der Staatsanwaltschaft aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil und über die Revision des Angeklagten im Beschlußwege gemäß § 349 Abs. 2 oder Abs. 4 StPO getrennt zu entscheiden, rechtlich grundsätzlich zulässig (vgl. BGH NStZ 1992, 30 = BGHR StPO § 351 Hauptverhandlung 1; BGH, Urt. vom 21. Juni 1990 - 4 StR 118/90; Hanack in Löwe/Rosenberg 24. Aufl. § 349 Rdn. 24; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 349 Rdn. 35; Maiwald in AK-StPO § 349 Rdn. 11; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 5. Aufl. Rdn. 582; a.A. Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl. Rdn. 1267; Temming in Heidelberger Kommentar StPO 2. Aufl. § 349 Rdn. 10) und aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht beanstandet worden (BVerfG - 2. Kammer - Beschl. vom 11. April 1991 - 2 BvR 402/91). Soweit in der Literatur diese Verfahrensweise zwar nicht grundsätzlich für unzulässig erachtet, aber zumindest in den Fällen, in denen nicht auszuschließen ist, daß das von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel auch zugunsten des Angeklagten Erfolg haben kann, die gemeinsame Entscheidung durch Urteil aufgrund einer beide Revisionen umfassenden mündlichen Verhandlung für vorzugswürdig gehalten wird (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 349 Rdn. 22 und 34), entspricht dies der Praxis des Senats. Diese geht seit Jahren dahin, daß in den Fällen, in denen ein sachlicher oder innerer Zusammenhang zwischen den formal eigenständigen Revisionen der Staatsanwaltschaft und eines Angeklagten besteht, auch bei einem Antrag des Generalbundesanwalts, durch Beschluß die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, über beide Rechtsmittel zusammen aufgrund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil entschieden wird. Bei derartigen Sachbezügen liegen in der Regel Gründe der Prozeßökonomie oder des allgemeinen Interesses an einem alsbaldigen Verfahrensabschluß, die eine andere Verfahrensweise geboten erscheinen lassen könnten, nicht vor.
Um einen solchen Fall eines inneren oder sachlichen Zusammenhangs beider Rechtsmittel handelt es sich im vorliegenden Verfahren aber gerade nicht. Die Revision der Staatsanwaltschaft war zu Ungunsten aller drei Angeklagten eingelegt und für alle Angeklagten zulässigerweise auf die Verneinung der besonderen Schuldschwere im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB beschränkt. Die Schuldsprüche wegen Mordes und die Strafaussprüche hatte die Staatsanwaltschaft nicht beanstandet und auch keine Verfahrensrügen erhoben, während alle drei Angeklagten mehrere Verfahrensrügen geltend gemacht und mit der Sachrüge umfangreiche Beanstandungen zur Beweiswürdigung des Landgerichts ausgeführt hatten. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten haben daher, außer daß es sich um dasselbe Urteil handelt, in ihrem Revisionsvorbringen und -ziel keinerlei sachliche oder inhaltliche Berührungspunkte.
2. Auch im übrigen liegt kein Fall des § 33 a StPO vor. Soweit der Angeklagte M. geltend macht, der Senat habe die Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Nichtverlesung der sog. Mannesmann-Telefonlisten willkürlich als unzulässig verworfen, ist nur noch folgendes zu bemerken: Abgesehen davon, daß der Vortrag der Revision, was der sachverständige Zeuge S. tatsächlich in der Hauptverhandlung ausgesagt haben soll, ohne eine im Revisionsverfahren nicht zulässige Rekonstruktion der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen werden kann, hat die Revision in diesem Zusammenhang verschwiegen, daß der sachverständige Zeuge S. zur Hauptverhandlung mit ausdrücklichem Hinweis auf das Beweisthema und den Zweck seiner Vernehmung, nämlich Angaben zu den Einzelheiten der Auskunft vom 28. Mai 1996 zu machen, geladen worden war. Diese Umstände sind wesentlich, um die Rolle und die Bedeutung des sachverständigen Zeugen S. als Beweismittel für die Frage der prozeßordnungsgemäßen Einführung der sog. Telefonlisten zutreffend bewerten zu können. Sie hätten deshalb von der Revision mit vorgetragen werden müssen, um den Senat in die Lage zu versetzen, die Begründetheit der Rüge der Verletzung des § 261 StPO abschließend beurteilen zu können. Der Vortrag dieser Umstände wäre dem Angeklagten und seinem Verteidiger auch möglich gewesen, da diese sich aus dem ihnen bekannten Akteninhalt ergeben.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, RiBGH Dr. Blauth ist durch Urlaub verhindert zu unterschreiben. Kutzer, Winkler, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540591 |
NStZ 1999, 425 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 1999, 395 |
StV 2000, 605 |