Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 13.11.2001) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 13. November 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im übrigen – wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es eines Eingehens auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht bedarf.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie enthält Widersprüche, die der Verurteilung des Angeklagten die Grundlage entziehen. Das Landgericht stützt seine Überzeugung davon, daß der Angeklagte als Auftraggeber und Organisator an dem von den Zeugen S. und E. in seiner Abwesenheit in Rotterdam durchgeführten Kokainerwerb täterschaftlich beteiligt war, neben der Aussage des Zeugen S. (UA S. 17 ff.) gleichwertig darauf, daß der Angeklagte den Pkw Opel Astra angemietet hatte, in dem die Zeugen S., E. und G. die Fahrt nach Rotterdam unternahmen und in dem bei deren Wiedereinreise in die Bundesrepublik das Kokain gefunden wurde. Dabei schließt es aus einer Mehrzahl von Indizien, daß der Angeklagte dieses Fahrzeug zunächst angemietet habe, um damit die Beschaffungsfahrt nach Rotterdam selbst durchzuführen. Als er dann unerwartet nach Italien habe reisen müssen, habe er den Mietwagen dem Zeugen S. überlassen, um mit dessen Hilfe seinen Plan noch verwirklichen zu können (UA S. 5 und 12 ff.). Hiermit unvereinbar ist jedoch schon die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei erst, als er sich schon in Italien befunden habe, von den Zeugen S., E. und G. informiert worden, daß sie eine Reise nach Rotterdam planten. Zum anderen spricht gegen den vom Landgericht angenommenen Zweck der Anmietung des Opel Astra und dessen Überlassung an den Zeugen S. dessen Aussage, der Angeklagte habe den Ankauf des Kokains nicht bereits vorab geregelt, sondern erst durch Telefonate mit dem Zeugen E. organisiert, als man sich bereits in der Wohnung des Drogenhändlers Y. in Rotterdam befunden habe (UA S. 27). Diese Widersprüche werden vom Landgericht nicht erkannt, so daß es an einer rechtlich tragfähigen Begründung mangelt, aus welchen Gründen das Landgericht dennoch zu seiner Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt ist. Schon deswegen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Lediglich ergänzend weist der Senat daher darauf hin, daß die Beweiswürdigung des Landgerichts auch im übrigen in weiten Teilen nicht nachvollziehbar ist. So ist beispielsweise schwer verständlich, wenn das Landgericht dem Zeugen S. unter anderem deswegen glaubt, weil dessen Aussage sich in weiten Teilen mit seinen Angaben in früheren Vernehmungen decke (UA S. 26). Denn diese Bewertung ist kaum damit vereinbar, daß der Zeuge S. den Angeklagten eingestandenermaßen bei früheren Vernehmungen wahrheitswidrig eines weiteren Betäubungsmittelgeschäftes bezichtigte (hieraus resultiert der Teilfreispruch) und daß sich zwischen der Aussage des Zeugen bei seiner richterlichen Vernehmung vom 14. Dezember 2000 und seinen Angaben in der Hauptverhandlung weitere bemerkenswerte Abweichungen ergaben. Auch bleibt das Landgericht beispielsweise jede Erklärung dafür schuldig, wie es miteinander zu vereinbaren ist, daß einerseits nach der Aussage des Zeugen S. der Angeklagte telefonisch die Anweisung erteilt haben soll, das erworbene Kokain in Rotterdam den Paßfälschern als Entgelt für den Ausweis zu übergeben, den diese für den Bruder des Zeugen G. hergestellt hatten, und dieser Paß dem Zeugen E. in Rotterdam auch ausgehändigt worden sei, andererseits aber das Kokain bei der Einreise der Zeugen S., E. und G. in die Bundesrepublik in dem Pkw Opel Astra aufgefunden wurde.
Sollte der Angeklagte tatsächlich – was das Landgericht nicht ausschließt – die von dem Zeugen S. behauptete Weisung bezüglich der Verwendung des Kokains erteilt haben, wäre im übrigen nicht erkennbar, welchen Vorteil der Angeklagte aus diesem Umsatz des Rauschgifts hätte ziehen können. Daher ist die für täterschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vorausgesetzte Eigennützigkeit des Betäubungsmittelumsatzes in der Person des Angeklagten nicht belegt.
Die Sache muß somit neu verhandelt werden. Im Falle einer erneuten Verurteilung des Angeklagten wird der Maßstab für die Anrechnung der vom Angeklagten in den Niederlanden erlittenen Auslieferungshaft (§ 51 Abs. 4 Satz 2 StGB) in den Urteilstenor aufzunehmen sein.
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen