Verfahrensgang
LG Coburg (Urteil vom 03.12.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 3. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
- soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Fall B.VII der Urteilsgründe),
- im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
- im Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, wegen Diebstahls in drei Fällen, wegen Bedrohung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. Februar 2014 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im Fall B.VII der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 3
1. a) Nach den Feststellungen war der Angeklagte auf D. S., das Tatopfer, wütend, weil dieser sich seiner Ansicht nach bei den vorausgegangenen Verhandlungen über den Verkauf einer Briefmarkensammlung gegenüber dem Kaufinteressenten ungeschickt verhalten hatte. In der Wohnung des Geschädigten beschimpfte der Angeklagte diesen zunächst in Anwesenheit eines Mitbewohners. Danach nahm der Angeklagte ein auf einem Tisch neben einem kleineren und leichteren Brotzeitmesser liegendes silbernes Ganzmetallmesser und schleuderte es in Richtung des in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers stehenden Geschädigten. Dabei wusste er, dass dieser verletzt werden würde, wenn das Messer ihn träfe; ihm war bewusst, dass das Messer seiner Art und Beschaffenheit nach dazu in der Lage war, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dem Geschädigten gelang es, sich rechtzeitig zur Seite zu drehen, so dass das Messer auf Höhe seines Oberkörpers an ihm vorbeiflog und unmittelbar neben ihm gegen die Wand schlug, von der es abprallte und herunterfiel. Der Geschädigte trat das Messer mit seinem Fuß so unter das Bett seines Mitbewohners, dass der Angeklagte es nur hätte wieder holen können, indem er hinuntergekrochen wäre und nach dem Messer gesucht hätte.
Rz. 4
b) Das Landgericht hat die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts des Angeklagten vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung im Sinne von § 24 Abs. 1 StGB verneint, da der Versuch fehlgeschlagen sei. Dem Angeklagten sei es nach dem Messerwurf nicht ohne Weiteres möglich gewesen, sich wieder in den Besitz des silberfarbenen Messers zu bringen, da dieses so unter dem Bett gelegen habe, dass er sich hätte bücken und hinunterkriechen müssen. In diesem Fall wäre es dem Geschädigten ein Leichtes gewesen, das unverschlossene Zimmer zu verlassen. Zwar habe mit dem Brotzeitmesser noch ein weiteres mögliches Tatmittel zur Verfügung gestanden, dieses sei allerdings leichter und kleiner gewesen und damit auch weniger geeignet, erhebliche Verletzungen bei dem Geschädigten hervorzurufen. Außerdem hätte der Angeklagte erst einige Schritte zu dem Messer hingehen müssen, was dem Geschädigten ebenfalls die Möglichkeit eröffnet hätte, sich in Sicherheit zu bringen.
Rz. 5
2. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts wegen Fehlschlags des Versuchs nicht. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2014 zutreffend u.a. ausgeführt:
„Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). […] Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12).
Das Urteil enthält keine Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten nach dem fehlgegangenen Wurf mit dem silbernen Messer, sondern beschränkt sich auf die objektive Feststellung, das noch vorhandene Brotzeitmesser sei leichter und kleiner und damit weniger geeignet, erhebliche Verletzungen beim Geschädigten hervorzurufen; zudem hätte der Angeklagte erst einige Schritte zu dem Messer hingehen müssen (UA S. 40). Diese objektiven Feststellungen lassen keinen sicheren Rückschluss darauf zu, ob der Angeklagte es nach seiner Vorstellung als unmöglich ansah, seinen Angriff mit dem Brotzeitmesser erfolgversprechend fortzusetzen. Insbesondere belegen sie schon keine objektive Unmöglichkeit der weiteren Tatbestandsverwirklichung. Allein die Tatsache, dass der Geschädigte einige Schritte zum Tisch hin hätte machen müssen, um das Messer zu ergreifen, begründet keine Zäsur in dem oben beschriebenen Sinne, zumal auch das zunächst verwandte Messer auf demselben Tisch lag (UA S. 17). Auch die Begründung, das Brotzeitmesser sei als weiteres Tatmittel nicht geeignet, erscheint nicht schlüssig, denn auch ein leichteres und kleineres Messer ist geeignet, den tatbestandlichen Erfolg des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB herbeizuführen. Dass die Folgen dabei unter Umständen nicht so gravierend sind, wie bei einem Angriff mit dem zunächst verwandten schwereren Messer, hindert eine weitere Tatbestandsverwirklichung mit der Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zeuge H., dessen Aussage die Kammer maßgeblich folgte, angab, der Angeklagte habe ‚zu einem späteren Zeitpunkt’ auch noch das Brotzeitmesser nach dem Geschädigten geworfen (UA S. 30). Diesem zweiten Wurf blieb jedoch nicht deswegen der Erfolg versagt, weil das Messer kein taugliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewesen wäre, sondern weil der Angeklagte den Geschädigten weit verfehlt hatte.”
Rz. 6
Dem tritt der Senat bei.
II.
Rz. 7
Die Aufhebung der Einsatzstrafe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Auch die Maßregel kann nicht bestehen bleiben, da das Landgericht sie maßgeblich auf die Tat zum Nachteil des Geschädigten S. als Anlasstat gestützt hat.
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Mutzbauer, Bender
Fundstellen