Leitsatz (amtlich)
Den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO kann allein der Gläubiger stellen.
Normenkette
ZPO § 890 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 16.11.2017; Aktenzeichen 52 T 39/17) |
AG Berlin-Mitte (Entscheidung vom 26.09.2017; Aktenzeichen 117 C 134/17) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 52 des LG Berlin vom 16.11.2017 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
I. Die Schuldnerin hat wegen eines vom Gläubiger beanstandeten, von der Schuldnerin als Aprilscherz gedachten Facebook-Auftritts eine notariell beurkundete Unterlassungserklärung abgegeben. Sie beantragte dafür beim AG den Erlass eines Androhungsbeschlusses gem. § 890 Abs. 2 ZPO.
Rz. 2
Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Rz. 3
II. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unbegründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
Rz. 4
Nach dem Gesetz komme nur eine Antragstellung durch den Gläubiger in Betracht. Es liege schon im Ansatz fern, dass der Schuldner gegen sich selbst die Zwangsvollstreckung betreibe; vielmehr obliege dies dem Gläubiger. Aus der in § 891 Satz 2 und 3 ZPO getroffenen Regelung zur Anhörung des Schuldners und zu den Kosten folge, dass die Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO nur vom Gläubiger beantragt werden könne, auch wenn dies nicht unmittelbar dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen sei. Es sei nicht geboten, dem Unterlassungsschuldner die Möglichkeit einzuräumen, selbst für eine Vollstreckbarkeit der notariellen Unterlassungserklärung zu sorgen. Die Schuldnerin könne ohne Mitwirkung des Gläubigers eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung abgeben, die sofort wirksam sei, keine Notarkosten verursache und keine Androhung erfordere. Der Umstand, dass die Vollstreckung aus der Urkunde nur zur Zahlung eines Ordnungsgeldes führt, könne keine andere Beurteilung rechtfertigen.
Rz. 5
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, die Schuldnerin sei für den Antrag gem. § 890 Abs. 2 ZPO nicht antragsbefugt.
Rz. 6
1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus dem Wortlaut des § 890 Abs. 2 ZPO allerdings nicht, dass allein der Gläubiger antragsbefugt ist. Nach dieser Vorschrift wird die Androhung der in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Zwangsmittel auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen. Wer zur Antragstellung nach § 890 Abs. 2 ZPO befugt ist, erschließt sich aus dem bloßen Wortlaut dieser Vorschrift nicht.
Rz. 7
2. Die Systematik der gesetzlichen Regelung sowie Sinn und Zweck der mit dem Antrag begehrten Anordnung sprechen dafür, die Antragsbefugnis nach § 890 Abs. 2 ZPO allein dem Gläubiger und nicht dem Schuldner einzuräumen. Davon geht, soweit ersichtlich, auch die allgemeine Meinung im Schrifttum aus (vgl. nur Bartels in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 890 Rz. 13; Zöller/Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 890 Rz. 12; Gruber in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., § 890 Rz. 26; Kißling in Saenger, ZPO, 7. Aufl., § 890 Rz. 16; Sturhahn in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., § 890 ZPO Rz. 16; Bendtsen in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 890 ZPO Rz. 22; a.A. AG Saarbrücken, Beschl. v. 6.7.2016 - 121 C 78/16 (09), juris; AG Heilbronn, Beschl. v. 8.5.2017 - 14 C 924/17, von der Schuldnerin vorgelegt).
Rz. 8
a) Für die Beschränkung der Antragsbefugnis in § 890 Abs. 2 ZPO auf den Gläubiger spricht zunächst der systematische Zusammenhang mit § 890 Abs. 1 ZPO. Der Androhung gem. § 890 Abs. 2 ZPO bedarf es lediglich als Voraussetzung für die in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Zwangsmaßnahmen zur Erzwingung von Handlungen und Unterlassungen. Diese Zwangsmaßnahmen erfolgen gem. § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO allein auf Antrag des Gläubigers. Das legt nahe, dass die Antragsbefugnis in § 890 Abs. 2 ZPO derjenigen in § 890 Abs. 1 ZPO entspricht und auf den Gläubiger beschränkt ist.
Rz. 9
b) Entscheidend für dieses Ergebnis sprechen ferner Sinn und Zweck der Zwangsvollstreckung. Die Zwangsvollstreckung soll dem Gläubiger die Durchsetzung seines titulierten Anspruchs ermöglichen. Infolgedessen entscheidet allein der Gläubiger über die Einleitung der Zwangsvollstreckung und deren Durchführung.
Rz. 10
aa) Danach ist es Sache des Gläubigers, sich für die aus seiner Sicht angemessene Form der Rechtsdurchsetzung zu entscheiden, sofern nicht der Schuldner - dem gesetzlichen Leitbild der außergerichtlichen Streitbeilegung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UWG) entsprechend - eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung abgibt (BGH, Urt. v. 21.4.2016 - I ZR 100/15, GRUR 2016, 1316 Rz. 37 = WRP 2016, 1494 - Notarielle Unterlassungserklärung). Auf eine notarielle Unterwerfung muss sich der Gläubiger nicht einlassen, weil sie keine dem Titel in der Hauptsache gleichwertige Vollstreckungsmöglichkeit bietet, solange dem Schuldner kein Beschluss über die Androhung von Ordnungsmitteln wegen Verstoßes gegen die notarielle Unterlassungserklärung zugestellt worden ist (BGH GRUR 2016, 1316 Rz. 20 f., 23 - Notarielle Unterlassungserklärung). Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die Ordnungsmittelandrohung herbeizuführen, sondern kann stattdessen den Weg der gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs wählen. Er kann sich mit der notariell beurkundeten Unterwerfung begnügen und die Androhung von Ordnungsmitteln beantragen oder davon absehen und einen Unterlassungstitel im Hauptsacheverfahren erwirken (BGH GRUR 2016, 1316 Rz. 25 - Notarielle Unterlassungserklärung).
Rz. 11
bb) Mit dieser Stellung des Gläubigers als Herrn des Verfahrens ist es unvereinbar, dem Schuldner über einen Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO die Möglichkeit zu geben, dem Gläubiger entgegen dem Regelungsprogramm des Gesetzes eine Streiterledigung durch notarielle Unterlassungserklärung aufzuzwingen. Dafür besteht umso weniger ein Bedürfnis, als es allein in der Hand des Schuldners liegt, nach einer Abmahnung den Streit durch Abgabe einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG beizulegen.
Rz. 12
cc) Danach ist entgegen der Rechtsbeschwerde kein berechtigtes Bedürfnis des Schuldners erkennbar, mit einem Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO auf eine dem gerichtlichen Unterlassungstitel gleichwertige Vollstreckungsmöglichkeit für den Gläubiger hinzuwirken. Zwar mag der Schuldner eine notarielle Unterlassungserklärung gegenüber der strafbewehrten Unterwerfung bevorzugen, weil er im Falle eines Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung lieber der Staatskasse ein Ordnungsgeld als seinem Gegner eine Vertragsstrafe zahlen will. Wie der BGH bereits entschieden hat, hat dieses Interesse indes hinter dem Interesse des Gläubigers zurückzustehen, die Unterlassungsverpflichtung durch die besondere Abschreckungswirkung einer Vertragsstrafe oder durch einen gerichtlichen Unterlassungstitel effektiv zu sichern (vgl. BGH GRUR 2016, 1316 Rz. 38 - Notarielle Unterlassungserklärung).
Rz. 13
3. Will der Unterlassungsschuldner den Streit entgegen dem gesetzlichen Leitbild nicht durch eine vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärung gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG beenden, sondern durch eine notarielle Unterwerfung, so kann er dies zuverlässig nur im Einvernehmen mit dem Gläubiger erreichen, der dann die Ordnungsmittelandrohung zu beantragen hat.
Rz. 14
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 11863844 |
NJW 2018, 10 |
NJW-RR 2018, 960 |
FA 2018, 307 |
GRUR 2018, 973 |
JurBüro 2018, 603 |
WM 2018, 1415 |
DGVZ 2018, 233 |
JZ 2018, 620 |
MDR 2018, 1018 |
WRP 2018, 1066 |
ZInsO 2018, 1823 |
K&R 2018, 577 |
MMR 2019, 109 |
VE 2018, 166 |
Mitt. 2018, 524 |