Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung bei Leistung Zug um Zug. Mangelhafte Gegenleistung bei Zwangsvollstreckung Zug um Zug
Leitsatz (amtlich)
Der Einwand des Schuldners, die im Zug-um-Zug-Urteil als Gegenleistung konkret bezeichnete Sache sei mit einem Mangel behaftet, ist vom Gerichtsvollzieher nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
ZPO § 756
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 22.10.2004; Aktenzeichen 5 T 4258/04) |
AG Aichach |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Augsburg vom 22.10.2004 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen amtsgerichtlichen Endurteil vom 28.8.2003, mit dem der Schuldner verurteilt wurde, an den Gläubiger 1.480 EUR nebst Zinsen zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe eines im Urteilstenor näher bezeichneten Pkw. Das Fahrzeug wurde dem Schuldner am 22.4.2004 tatsächlich angeboten. Er lehnte die Rücknahme jedoch ab, da der Pkw fahruntüchtig sei.
In der Folgezeit fanden mehrere erfolglose Mobiliarvollstreckungsversuche gegen den Schuldner statt. Er wurde daraufhin von dem Gerichtsvollzieher zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 Abs. 1 Nr. 4, § 900 Abs. 1 ZPO aufgefordert. Dagegen legte der Schuldner Widerspruch ein mit der Begründung, er befinde sich nicht im Annahmeverzug, weil ihm das Fahrzeug nicht im Zustand nachhaltiger Fahrbereitschaft angeboten worden sei. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hatte keinen Erfolg.
II. Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, für das Vollstreckungsverfahren sei grundsätzlich nur der Inhalt des Tenors der vollstreckungsfähigen Entscheidung, ggf. unter klarstellender Heranziehung der Entscheidungsgründe, maßgeblich. In dem im Streitfall zugrundeliegenden Titel sei als Zug um Zug zu bewirkende Leistung des Gläubigers lediglich die Rückgabe des anhand der Fahrgestellnummer bezeichneten Pkw ausgeurteilt worden. Ein bestimmter Zustand des Fahrzeugs werde weder im Urteilstenor noch in den Entscheidungsgründen gefordert. Der Gerichtsvollzieher habe danach nur zu prüfen, ob die angebotene Gegenleistung richtig, insb. identisch, sei. Da dem Schuldner im vorliegenden Fall das richtige Fahrzeug tatsächlich angeboten worden sei, habe der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beginnen dürfen.
2. Die Rechtsbeschwerde vertritt demgegenüber die Auffassung, der Gerichtsvollzieher müsse bei einer Zug um Zug-Verurteilung vor Beginn der Zwangsvollstreckung prüfen, ob die angebotene Leistung mängelfrei sei. Dem kann nicht beigetreten werden.
3. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, dass dem Vollstreckungsschuldner die von dem Gläubiger zu erbringende Gegenleistung in einer den Voraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO genügenden Weise angeboten worden ist.
a) Nach § 756 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher, wenn die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt, die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat. Die von dem Gläubiger geschuldete Gegenleistung muss so angeboten werden, wie sie im Vollstreckungstitel beschrieben ist (Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rz. 4). Bei Unklarheiten können ggf. Tatbestand und Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils zur Konkretisierung der von dem Gläubiger geschuldeten Leistung herangezogen werden (Heßler in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 756 Rz. 27). Demgemäß ist bei einer Gattungsschuld das Angebot einer Sache von mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB, § 360 HGB) erforderlich. Ist der zu leistende Gegenstand - wie im Streitfall - individuell bezeichnet (Stückschuld), ist dieser dem Vollstreckungsschuldner anzubieten und zu übergeben (Heßler in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 756 Rz. 27; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 756 Rz. 7; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rz. 4).
b) Umstritten ist, ob und in welchem Umfang der Gerichtsvollzieher von sich aus oder jedenfalls auf eine Beanstandung des Schuldners hin zu prüfen habe, ob nicht die angebotene, im Vollstreckungstitel konkret bezeichnete Sache mit erheblichen Mängeln behaftet sei (Heßler in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 756 Rz. 29 ff.; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 756 Rz. 7; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 756 Rz. 22, jeweils mit umfangreichen Nachweisen zum Meinungsstand).
Für die Frage, in welchem Zustand der von dem Vollstreckungsgläubiger zu leistende Gegenstand dem Vollstreckungsschuldner zu übergeben ist, ist in erster Linie der Vollstreckungstitel maßgeblich. Sofern der Titel oder Tatbestand und Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils keine gesonderten Angaben zur Beschaffenheit der von dem Gläubiger zu erbringenden Gegenleistung enthalten, kommt es nur darauf an, dass der angebotene mit dem bezeichneten Gegenstand identisch ist. Die Prüfungskompetenz des Vollstreckungsorgans wird nach dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung durch den Titelinhalt begrenzt. Enthält der Titel nur die Angabe, dass ein individueller Gegenstand anzubieten ist, ist nur die Identität zu prüfen (Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rz. 4; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 756 Rz. 22; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 756 Rz. 6). Daher ist die Vollstreckung durchzuführen, wenn die im Titel eindeutig genannte Sache angeboten wird.
Die Rüge des Schuldners, der angebotene Gegenstand habe sich seit der Übergabe an den Gläubiger derart verschlechtert, dass er ihn nicht mehr annehmen müsse, hat der Gerichtsvollzieher nur zu berücksichtigen, wenn die Mängel zu einer Identitätsänderung der angebotenen Sache geführt haben. Im Übrigen muss der Schuldner seine Einwendungen im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen (OLG Stuttgart DGVZ 1991, 8 f.; LG Hamburg DGVZ 1984, 10; LG Rottweil DGVZ 1990, 171 f.; LG Karlsruhe DGVZ 1998, 27; Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rz. 4; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 756 Rz. 22; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., § 756 Rz. 6; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 756 Rz. 8; Wieczorek/Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 756 Rz. 12; a.A.: LG Bonn DGVZ 1983, 187 [188]; LG Hannover DGVZ 1984, 152; LG Neuruppin v. 19.2.2004 - 4 S 178/03, NJW-RR 2004, 854; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 756 Rz. 7; Heßler in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 756 Rz. 12 [29]).
c) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Schuldner in dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Urteil zur Zahlung von 1.480 EUR nebst Zinsen verurteilt worden, Zug um Zug gegen Rückgabe lediglich eines anhand der Fahrgestellnummer zu individualisierenden Pkws. Diesen Gegenstand hat der Gläubiger dem Schuldner am 22.4.2004 tatsächlich angeboten. Ein bestimmter Zustand des Fahrzeugs wird weder im Urteilstenor noch in den Entscheidungsgründen gefordert. Auf dieser Tatsachengrundlage kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht angenommen werden, dass der von dem Vollstreckungsgläubiger an den Schuldner zurückzugebende Pkw fahrbereit sein muss. Eine solche Annahme lässt sich auch nicht aufgrund einer Auslegung des in Rede stehenden Vollstreckungstitels gewinnen, da es hierfür - wie das Beschwerdegericht unangegriffen festgestellt hat - an konkreten Anhaltspunkten fehlt.
III. Danach war die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1406397 |
BB 2005, 2100 |