Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 22.04.2015) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. April 2015
- im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe und
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe
aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und Beleidigung, sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StGB).
Rz. 2
1. Das Landgericht hat angenommen, dass das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei Begehung sämtlicher verfahrensgegenständlicher Taten infolge akuten Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Während es im Fall II. 3. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 21 StGB einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, hat es eine Strafmilderung in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe abgelehnt, weil der Angeklagte bereits in der Vergangenheit straffällig geworden sei, sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt und im Fall II. 1. zugleich mehrere Straftatbestände verwirklicht habe.
Rz. 3
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
Rz. 4
a) Ob bei Vorliegen verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eine Strafmilderung vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Senat, Urteil vom 15. Februar 2006 – 2 StR 419/05, StV 2006, 465, 466). Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist zu berücksichtigen, dass der Schuldgehalt der Tat bei einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit in aller Regel vermindert ist (BGH, Urteil vom 10. November 1954 – 5 StR 476/54, BGHSt 7, 28, 30). Eine Strafrahmenverschiebung ist daher in der Regel vorzunehmen, wenn nicht andere, die Schuld des Täters erhöhende Umstände dem entgegenstehen (Senat, aaO) oder der Täter die Begehung von Straftaten vorausgesehen hat oder hätte voraussehen können, etwa, weil er aus früheren Erfahrungen weiß, dass er unter Alkohol- oder Drogeneinfluss zur Begehung von Straftaten neigt (BGH, Beschluss vom 25. März 2014 – 1 StR 65/14, NStZ-RR 2014, 238, 239; Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 78).
Rz. 5
b) An der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen Tatumstände und der Täterpersönlichkeit fehlt es hier.
Rz. 6
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der als tateinheitliches Vergehen des (vorsätzlichen) Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der (vorsätzlichen) Körperverletzung und der Beleidigung gewürdigten Tat II. 1. zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er „in der Vergangenheit mit einer Vielzahl von Delikten straffällig” geworden sei und sich von strafrechtlichen Sanktionen bislang unbeeindruckt gezeigt habe. Insoweit fehlt es jedoch an näheren Feststellungen zu Einzelheiten. Unerörtert bleibt auch, ob der Angeklagte frühere einschlägige Delikte ebenfalls – wie hier – unter Drogeneinfluss begangen hat. Schließlich hat das Landgericht nicht erkennbar in seine Erwägungen einbezogen, dass der Angeklagte letztmals im Jahr 2003 wegen einer einschlägigen Tat verurteilt worden ist und die im Jahr 2006 erfolgte letztmalige Verurteilung bereits geraume Zeit zurück liegt. Dies wäre bei der Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen gewesen.
Rz. 7
bb) Auch hinsichtlich der Tat II. 2. fehlt es an erforderlichen Feststellungen. Zwar hat das Landgericht insoweit berücksichtigt, dass die letzte einschlägige Tat im Jahr 2005 begangen worden ist und damit nahezu ein Jahrzehnt zurück liegt. Die näheren Einzelheiten dieser einschlägigen Vorverurteilung sind jedoch nicht mitgeteilt. Damit bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte auch diese frühere Verurteilung unter dem Einfluss berauschender Mittel begangen hat.
Rz. 8
3. Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass der Tatrichter bei rechtsfehlerfreier Ermessensentscheidung zu milderen Einzelstrafen und insgesamt auch zu einer milderen Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
Rz. 9
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird die beiden Einzelstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafe neu zuzumessen haben. Dies kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen geschehen; ergänzende Feststellungen sind möglich.
Unterschriften
Fischer, Eschelbach, Ott, Zeng, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 8991246 |
NStZ-RR 2016, 74 |