Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafzumessung im zweiten Rechtsgang
Leitsatz (redaktionell)
1. Das neue Tatgericht wird bei der Strafzumessung zu berücksichtigen haben, dass „verunglückte” Selbstanzeigen zumindest strafmildernd wirken können.
2. Das Verbot der Schlechterstellung steht auch einer Erhöhung der Einzelstrafen entgegen, selbst wenn die ausgeurteilte Gesamtstrafe niedriger ausfällt. Eine solche Erhöhung ist auch – wie hier schon bei manchen Einzelstrafen – die erstmalige Verhängung einer Geldstrafe neben einer unveränderten Freiheitsstrafe. Dasselbe gilt, wenn die neue Freiheitsstrafe zusammen mit der Geldstrafe nach dem Rechtsgedanken des § 43 Satz 2 StGB die ursprüngliche Freiheitsstrafe übersteigt.
Normenkette
AO § 371; StGB § 46; StPO § 358 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.10.2021; Aktenzeichen 5 - 28 KLs 24/20) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2021 soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen Steuerhinterziehung in 109 Fällen sowie Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 118 Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil, soweit der Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden war, mit den Feststellungen und im gesamten Strafausspruch aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2020 - 1 StR 567/19).
Rz. 2
Das Landgericht hat den Angeklagten nach Einstellung eines Falles der Steuerhinterziehung (Fall 105) nunmehr wegen Steuerhinterziehung in 108 Fällen sowie Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 118 Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten und daneben zu einer Gesamtgeldstrafe von 230 Tagessätzen zu je 500 € verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der auf den Strafausspruch beschränkten Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO).
Rz. 3
1. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch hat der Senat den Schuldspruch nicht zu überprüfen. Der Strafausspruch kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil - wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat - das Landgericht bei zahlreichen Einzelstrafen das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht beachtet hat. Dieses Verbot steht auch einer Erhöhung der Einzelstrafen entgegen, selbst wenn die ausgeurteilte Gesamtstrafe niedriger ausfällt (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - 6 StR 48/21 Rn. 5). Eine solche Erhöhung ist auch - wie hier schon bei manchen Einzelstrafen - die erstmalige Verhängung einer Geldstrafe neben einer unveränderten Freiheitsstrafe. Dasselbe gilt, wenn die neue Freiheitsstrafe zusammen mit der Geldstrafe nach dem Rechtsgedanken des § 43 Satz 2 StGB die ursprüngliche Freiheitsstrafe übersteigt. Angesichts der hohen Anzahl der rechtsfehlerhaften Einzelstrafen hebt der Senat den Strafausspruch insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die dazu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
Rz. 4
2. Das neue Tatgericht wird bei der Strafzumessung zu berücksichtigen haben, dass „verunglückte“ Selbstanzeigen zumindest strafmildernd wirken können (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - 1 StR 349/18, BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 31 Rn. 10). Für die Bestimmung der Tagessatzhöhe wird es das Einkommen des Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2017 - 1 StR 147/17, BGHR StGB § 40 Abs. 2 Satz 1 Einkommen 6 Rn. 7 ff.) im Zeitpunkt der neuen Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 1979 - 1 StR 503/78, BGHSt 28, 360, 362; siehe auch BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 65) zu ermitteln haben, wobei allerdings nach dem ersten Urteil eingetretene Verbesserungen nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden dürfen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2021 - 6 StR 268/21 Rn. 4).
Jäger |
|
Bellay |
|
Fischer |
|
Pernice |
|
Munk |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI15404302 |