Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.07.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juli 2013 nach § 349 Abs. 4 StPO
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, und
- im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung 99,7 g Kokaingemisch auf einem Wohnzimmerschrank und 145,5 g Cannabisharz in seinem Kleiderschrank im Schlafzimmer. Zudem hatte er in seiner Jacke an der Flurgarderobe 0,47 g Kokaingemisch und 0,24 g Cannabisharz. Sämtliche Drogen waren zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Im Wohnzimmer befand sich in dem aufklappbaren Sitzteil einer etwa drei Meter vom Wohnzimmerschrank entfernten Couch neben und unter anderen Gegenständen, die in Plastiktüten verpackt waren, griffbereit ein Fahrtenmesser mit einer 14,5 cm langen Klinge und abgebrochener Spitze in einer abgenutzten Lederscheide. Dies war dem Angeklagten bewusst. Bei einer Durchsuchung der Wohnung am 21. November 2011, bei der die Betäubungsmittel aufgefunden und sichergestellt wurden, wurde das nur mit nicht unerheblichem Kraftaufwand aufzuklappende Sitzteil der Wohnzimmercouch erstmals nach einem Jahr wieder geöffnet – wie das Landgericht als Wahrunterstellung seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat.
Rz. 3
2. Diese Feststellungen belegen zwar, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat. Sie tragen jedoch nicht den Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
Rz. 4
Insoweit entbehren die Feststellungen schon einer tragfähigen Beweiswürdigung. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, setzt der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG voraus, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Die Annahme eines Bewusstseins des Angeklagten von einer jederzeitigen Gebrauchsbereitschaft des Fahrtenmessers wird in der Beweiswürdigung des Landgerichts jedoch nicht mehr aufgegriffen und versteht sich auch nicht als eine Schlussfolgerung aus den übrigen festgestellten Tatsachen von selbst. So bleibt ungeklärt, ob dem Angeklagten oder einem anderen Mitglied seiner Familie das Fahrtenmesser gehörte und von wem es mindestens ein Jahr vor der Wohnungsdurchsuchung an seinem Verwahrort in der Couch abgelegt wurde.
Rz. 5
Zudem fehlt es an einer Feststellung, dass es sich bei dem Messer um einen zur Verletzung von Personen bestimmten Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. BtMG gehandelt hat. Aus seiner Beschreibung als Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Klinge ergibt sich lediglich, dass das Messer objektiv zur Verletzung von Personen geeignet war. Dies reicht allerdings noch nicht aus, um auch die zur Verwirklichung des Qualifikationstatbestands notwendige subjektive Zweckbestimmung des Gegenstands durch den Täter zu belegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 1997 – 3 StR 465/97, BGHSt 43, 266, 267, vom 25. Mai 2010 – 1 StR 59/10, NStZ 2011, 98, und vom 6. November 2012 – 2 StR 394/12, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 6; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 30a Rn. 87 f.; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 117 f.), zu der sich die Urteilsgründe überhaupt nicht verhalten. Das beschriebene Messer ist weder eine Waffe im technischen Sinne, noch unterfällt es – wie sich aus der fehlenden Erwähnung dieses Messertyps in der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1 zu § 1 Abs. 4 WaffG ergibt – der Kategorie der sogenannten gekorenen Waffen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b WaffG, bei denen die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen regelmäßig auf der Hand liegt. Vielmehr handelt es sich hier um einen werkzeugartig auch zu handwerklichen Zwecken nutzbaren Gebrauchsgegenstand, bei dem die Annahme, dass der Täter ihn (auch) zur Verletzung von Menschen bestimmt habe, der ausdrücklichen Feststellung und Begründung bedarf.
Rz. 6
3. Ein Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge scheidet danach aus. Da nicht zu erwarten ist, dass in neuer Hauptverhandlung insoweit weitergehende Feststellungen als bisher getroffen werden könnten, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Unterschriften
Basdorf, Dölp, König, Berger, Bellay
Fundstellen
Haufe-Index 6450995 |
NStZ 2014, 466 |
NStZ-RR 2014, 5 |
StV 2014, 614 |