Verfahrensgang
LG Göttingen (Entscheidung vom 04.08.2022; Aktenzeichen 16 KLs 23/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 4. August 2022 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II.1 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
c) soweit die Einziehung des Wertes des Erlangten angeordnet wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen räuberischer Erpressung, Diebstahls sowie Körperverletzung unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung im Fall II.1 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.
Rz. 3
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf gestützt, dass die Nebenklägerin ihn bei einer Wahllichtbildvorlage und erneut in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Den hieraus folgenden besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2016 - 2 StR 472/16, NStZ-RR 2017, 90 f.) ist es nicht gerecht geworden.
Rz. 4
Den Urteilsgründen kann schon nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale die Nebenklägerin den Angeklagten als einen der Täter erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 2008 - 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283; vom 17. Februar 2016 - 4 StR 412/15, StV 2018, 791). Hierzu bestand umso mehr Veranlassung, als die Strafkammer ausgeführt hat, dass bei Betrachtung der nach Angaben der Nebenklägerin gefertigten Phantombilder optische Abweichungen zum Angeklagten aufgefallen seien und es kleinere Unstimmigkeiten bei der Zuordnung der Beschreibungsmerkmale gegeben habe.
Rz. 5
Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer der subjektiven Gewissheit der Nebenklägerin beim Wiedererkennen („sehr eindeutig“, „mit großer Überzeugung“, „keinerlei Zweifel“) ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 - 2 StR 480/16; vom 3. März 2021 - 2 StR 11/21, StV 2021, 792). Daran fehlt es.
Rz. 6
Darüber hinaus wird nicht erörtert, warum der Nebenklägerin ein Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung möglich war, obwohl dieser eine Mund-Nasen-Bedeckung trug und seit dem Geschehen mehr als fünf Jahre vergangen sind. Diesbezüglich wird zudem nicht deutlich, ob sich die Strafkammer des geringeren Beweiswerts des wiederholten Erkennens in der Hauptverhandlung bewusst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2016 - 2 StR 472/16, aaO; vom 22. November 2017 - 4 StR 468/17).
Rz. 7
2. Der Senat vermag ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen. Der Wegfall der für diesen Tatvorwurf verhängten Strafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Auch die angeordnete Einziehung des Wertes des Erlangten kann nicht bestehen bleiben.
Sander |
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Feilcke |
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Wenske |
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Fritsche |
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von Schmettau |
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Fundstellen
Haufe-Index 15585936 |
NStZ 2023, 250 |