Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 23. Oktober 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- soweit die Angeklagte in den Fällen II. 2. und II. 4. der Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt worden ist (Betrug zum Nachteil I. und zum Nachteil B.),
- im gesamten Strafausspruch.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in drei Fällen und wegen Nötigung zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten rügt die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Verurteilung in zwei Betrugsfällen sowie im gesamten Strafausspruch; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen veranlaßte die 1966 geborene Angeklagte, die die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und die beim Gerichtsvollzieher als amtsbekannt unpfändbar galt, den 1934 geborenen Rentner A. (Fall II 1 der Urteilsgründe), den 1969 geborenen Landwirt I. (Fall II 2) und den 1938 geborenen Wasserwart B. (Fall II 4) ihr wiederholt Bargeldbeträge in zum Teil großer Höhe ungesichert „zu leihen”. Von A. erhielt sie insgesamt 55.000 DM, von I. insgesamt mindestens 80.000 DM und von B. insgesamt wenigstens 180.000 DM. Dabei gab sie teilweise unzutreffende Gründe für ihren Geldbedarf an. A. zahlte, weil er die Angeklagte „fesch” und „sympathisch” fand; er hatte sich „ein bißchen in sie verschaut”. I. wollte, daß die Angeklagte seine Freundin werde. An eine erörterte Heirat dachte die Angeklagte jedoch nicht wirklich. B. hatte sie erklärt, daß sie seine Frau werden wolle; dieser hatte sich jedoch „Zeit gelassen” und geantwortet, solange seine Mutter auf dem Hof lebe „gehe gar nichts”. Die Angeklagte zahlte später lediglich kleinere Teilbeträge an A. und B. zurück.
Die vom Landgericht auch zu weiteren Einzelheiten der Geldhingabe getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Betruges zum Nachteil A.. Die Verurteilungen wegen Betruges zum Nachteil I. und B. können hingegen keinen Bestand haben. Den Urteilsgründen läßt sich eine Täuschung der Geschädigten über Umstände, welche die künftige Zahlungsfähigkeit der Angeklagten betrafen oder sonst für die Geldhingabe mitbestimmend waren, nicht hinreichend deutlich entnehmen. Sie leiden hinsichtlich dieser beiden Fälle zudem daran, daß das Landgericht die Frage der Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum sowie zwischen Irrtum und Vermögensverfügung der Geschädigten nicht erörtert; das wäre hier angesichts der besonderen Fallgestaltung geboten gewesen.
1. Bei der darlehensweisen und ungesicherten Hingabe der Geldbeträge wäre eine Täuschung entweder unter dem Gesichtspunkt fehlender Leistungsfähigkeit oder nicht gegebener Leistungswilligkeit der Angeklagten in Betracht gekommen. Hohe Erwartungen des Darlehensgebers, etwa hinsichtlich einer Freundschaft oder gar des Zustandekommens einer Heirat, begründen für sich gesehen keinen durch Täuschung hervorgerufenen Irrtum. Geht der Darlehensgeber mit der Geldhingabe in Kenntnis der in hohem Maße zweifelhaften Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Rückzahlung bewußt ein entsprechendes Risiko ein oder nimmt er dieses in Kauf, so ist er insoweit – wenn nicht besondere Umstände hinzutreten – nicht getäuscht und irrt nicht (vgl. Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 212). Anders kann es sich verhalten, wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch deshalb minderwertig ist, weil der Darlehensnehmer den Darlehensgeber über einen für die Beurteilung seiner künftigen Leistungsfähigkeit wichtigen Umstand bewußt falsch informiert und so täuscht (Tiedemann aaO). Jenseits der Frage der Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Darlehensnehmers kommt grundsätzlich eine Täuschung auch unter dem Gesichtspunkt des vom Darlehensnehmer angegebenen Verwendungszwecks in Betracht. Insoweit genügt es im Blick auf den erforderlichen Kausalzusammenhang, wenn die etwaige Täuschung über den Verwendungszweck für die Vermögensverfügung des Geschädigten wenigstens mitbestimmend war; ein solcher Beweggrund des Darlehensgebers büßt seine rechtliche Bedeutung nicht deswegen ein, weil daneben ein anderer bestand, der von dem Irrtum nicht berührt wurde und für sich allein zu demselben Entschluß des Darlehensgebers geführt hätte (BGHSt 13, 13, 14; BGH wistra 1999, 419, 420; siehe auch BGH MDR bei Dallinger 1958, 139/140; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 123). Unerheblich wäre das Vorgetäuschte für die Vermögensverfügung nur dann, wenn der Geschädigte die Verfügung auch ohne den daraus folgenden Irrtum vorgenommen hätte (Tiedemann aaO Rdn. 122). Die Angabe eines falschen Verwendungszwecks ist mithin dann unmaßgeblich, wenn der Zweck den Darlehensgeber nicht interessiert.
2. Den Rentner A. hat die Angeklagte jedenfalls hinsichtlich eines für ihre künftige Leistungsfähigkeit bedeutsamen Umstandes getäuscht. Das Darlehen sollte in zwei Jahren fällig werden, sobald die Angeklagte eine Lebensversicherung ausbezahlt bekäme. Über diese Lebensversicherung verfügte die Angeklagte jedoch tatsächlich nicht. Es liegt auf der Hand, daß dieser Gesichtspunkt für A. bei der Darlehenshingabe jedenfalls mitbestimmend war. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht mehr darauf an, daß A. der Angeklagten die Beträge möglicherweise auch „ohne Begründung” (vgl. UA S. 8), das heißt ohne Angabe einer Zwecksetzung (Zahnarztkosten, Bauschulden) und aus persönlicher Sympathie oder anderen Erwartungen gegeben hätte. Der Schuldspruch wegen Betruges hat daher in diesem Falle Bestand.
Die Annahmeeines einheitlichen Betruges läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen, weil die Angeklagte von. A. schon vor Auszahlung des ersten Teilbetrages in Höhe von 5.000 DM einen weiteren Betrag von 50.000 DM forderte, den sie dann zwei Tage später auch erhielt. Der Senat entnimmt dem Zusammenhang der Urteilsgründe auch, daß die Fälligkeit der ersten Darlehensforderung konkludent mit der Absprache zur Gewährung des zweiten Betrages in die Zweijahresfrist einbezogen wurde.
3. Im Falle des Betruges zum Nachteil I. deuten die Urteilsgründe in ihrem Zusammenhang darauf hin, daß sich der Geschädigte über die Leistungsunfähigkeit der Angeklagten nicht im unklaren war, die Angeklagte ihn hierüber insbesondere nicht getäuscht hat. I. gab der Angeklagten zunächst Beträge von zweimal 1.000 DM und sodann 6.000 DM, weil sie als Hausiererin aufhören wollte und deshalb Geld benötigte. Anschließend gab er ihr nochmals mehrere größere Beträge für den Kauf von Personenkraftwagen und Reparaturen. Bedeutsam war für ihn neben der Rückzahlungszusage der Angeklagten der Wille, das Geld nicht seinen Schwestern zukommen zu lassen; zudem sollte die Angeklagte seine Freundin werden. Zur Rückzahlung war eine Frist oder ein sonstiger Modus nicht vereinbart. I. hatte als Zeuge auf Nachfrage erklärt, „er wisse auch nicht, warum er ihr das Geld geliehen habe, wenn er doch gewußt habe, daß sie es nicht zurückzahlen könne” (UA S. 21). Das deutet darauf hin, daß die Zahlung aus bestimmten Erwartungen, aber nicht auf der Grundlage einer Täuschung über Umstände erfolgt ist, welche die künftige Zahlungsfähigkeit der Angeklagten betrafen. Die Frage, ob die Angeklagte von vornherein auch nicht leistungswillig war, ob sie I. über die Verwendungszwecke der einzelnen Beträge getäuscht hat und ob diese für I. hinsichtlich der Geldübergabe mitbestimmend waren, erörtert das Landgericht nicht. Auch hätte der Prüfung bedurft, ob es hierauf überhaupt noch ankommen konnte, wenn I. klar war, daß die Rückzahlung der Beträge nach Lage der Dinge in jedem Falle an der fehlenden Leistungsfähigkeit der Angeklagten scheitern würde oder jedenfalls in hohem Maße zweifelhaft war.
4. Im Falle des Betruges zum Nachteil B. legen die Urteilsgründe nahe, daß dieser Geschädigte ebenfalls bewußt die fehlende Rückzahlungsfähigkeit der Angeklagten in Kauf genommen hat und hierüber nicht getäuscht worden ist. Das wäre zu erörtern gewesen; denn B. hat als Zeuge bekundet, er habe der Angeklagten gesagt, wenn sie etwas zurückzahlen könne, sei es gut, wenn nicht, dann könne man nichts machen (UA S. 22). Hätte sie ihn geheiratet, hätte sie es nicht zurückzahlen müssen (UA S. 23). Die Angeklagte selbst hatte hierzu angegeben, B. habe zur Rückzahlung erklärt, „wenn sie etwas habe, sei es gut, wenn sie nichts zurückzahlen könne, sei es auch recht” (UA S. 17). Diese Angaben hätten sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht der Würdigung bedurft.
Ab der Zahlung des vierten Teilbetrages (Gliederungsziffer II. 4. d der Urteilsgründe) ist überdies nicht festgestellt, welche Bedeutung der angegebene Verwendungszweck für B. hatte und ob er insoweit jeweils getäuscht wurde. Zwar hat sich die Angeklagte dahin eingelassen, sie habe B. wegen der Gründe für ihren Geldbedarf durchweg angelogen. Andererseits deuten jedoch auch Urteilsausführungen darauf hin, daß tatsächlich – zumindest teilweise – Personenkraftwagen für die von B. hingegebenen Beträge erworben wurden, wie dies die Angeklagte angekündigt hatte.
Daß die Angeklagte B. wahrheitswidrig erklärt hatte, sie wolle seine Frau werden und daß dieser in der „trügerischen Erwartung” handelte, es werde zur Ehe kommen, begründet im Blick auf die Vermögensverfügungen nichtohne weiteres einen Kausalzusammenhang. Grundsätzlich ist solches zwar möglich, namentlich wenn eine geäußerte Heiratsabsicht den Charakter eines konkreten Eheversprechens hat, das in Wahrheit aber nur vorgespiegelt und notwendiges Teilstück damit erkennbar verbundener weiterer erlogener Angaben zur Erlangung von Darlehen ist (vgl. BGHSt 3, 215, 216/217; Tiedemann aaO § 263 Rdn. 148). Ob und welche Bedeutung das hier für die Vermögensverfügungen des B. hatte, bleibt letztlich unklar. Daß diesen die Heiratserwartung, hätte sie sich realisiert, zu einem Verzicht auf die Darlehensforderungen bewogen hätte, trägt nicht ohne weiteres schon die Annahme, daß es ein die Darlehensgewährung mitbestimmender Beweggrund war. Das verstand sich nicht von selbst, zumal da sich B. auf die Erklärung der Angeklagten, seine Frau werden zu wollen, zunächst nicht eingelassen hatte und es zu einer engeren Bindung nicht gekommen war (UA S. 12). Insoweit sind die Urteilsgründe nicht eindeutig. Auch dies bedarf erneuter tatrichterlicher Würdigung.
II.
Die Verurteilung wegen vollendeter Nötigung zum Nachteil I. begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat zwar in ihrer rechtlichen Würdigung nur versuchte Nötigung angenommen. Dabei handelt es sich aber ersichtlich um einen bloßen Fassungsmangel des Urteils. Da der Zeuge I. tatsächlich bei der Polizei, wie von der Angeklagten gewollt, unter dem Eindruck der erfolgten Drohung zunächst falsch ausgesagt hatte, war die Nötigung vollendet.
III.
Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II 2 und II 4 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der Einzelstrafen in diesen Fällen sowie der Gesamtstrafe. Da auch die Höhe der Einzelstrafen in den Fällen II 1 und II 3 der Urteilsgründe hiervon beeinflußt werden kann, zumal die Frage der Gewerbsmäßigkeit der Betrugshandlungen der Angeklagten neu zu beantworten sein wird, hebt der Senat den gesamten Strafausspruch auf.
IV.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Die Revision beanstandet im Fall II 4 der Urteilsgründe (zum Nachteil B.), drei in den Schuldspruch einbezogenen Zahlungen B. s an die Angeklagte (September 1998: 42.000 DM, März 1999: 20.000 DM, April 1999: 10.000 DM) liege keine Anklage zugrunde. Aus der Sicht der Strafkammer spielte das keine Rolle, weil sie einen einheitlichen Betrug angenommen hat. Der neue Tatrichter wird aber zu bedenken haben, daß eine Zusammenfassung mehrerer tatbestandsmäßiger Verhaltensweisen zu einer Betrugstat hier voraussetzt, daß jedenfalls eine Ausführungshandlung sich gleichzeitig auf sämtliche Tatbestandsverwirklichungen im Sinne des § 263 StGB bezog (vgl. BGHSt 40, 138, 167; BGH NStZ-RR 1998, 234; siehe aber auch BGHSt 32, 215, 216). Nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Verfahrensvoraussetzung (wirksame Anklage), sondern allein im Blick auf die zutreffende Bewertung des Konkurrenzverhältnisses stellt sich diese Frage auch für den Betrug zum Nachteil I..
Lägen hinsichtlich der einzelnen Geldhingaben eigenständige Betrugstaten vor, wäre auch die Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Landau vom 24. November 1998 verhängten, möglicherweise immer noch nicht erledigten Strafe und die Bildung zweier Gesamtstrafen in Betracht zu ziehen.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 584800 |
StV 2002, 132 |