Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 30.07.2003) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 30. Juli 2003 dahin geändert, daß der Maßregelausspruch entfällt.
2. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wird als unbegründet verworfen.
3. Die Kosten des (zweiten) Revisionsverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Gründe
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Es hat davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsrechtszuges aufzuerlegen. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen den Maßregelausspruch. Ferner wendet er sich mit der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung.
1. Die wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkte Revision hat Erfolg.
Der Maßregelausspruch kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke und andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht belegt ist. Da das Urteil des Landgerichts vom 24. September 2002 durch die Entscheidung des Senats vom 29. April 2003 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben worden ist, sind damit auch die vom Landgericht rechtsfehlerhaft als rechtskräftig angesehenen Feststellungen zum Alkohol- und Drogenkonsum des Angeklagten und zu seinem Verhalten während der Untersuchungshaft (UA 4 f.) aufgehoben. Deshalb hätte das Landgericht hierzu umfassend eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen müssen (vgl. BGHSt 24, 274 f.; BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 15, 16, 18).
Das Landgericht hat der Maßregelanordnung zudem einen rechtlich nicht mehr zutreffenden Maßstab zugrundegelegt, indem es für die Anordnung der Maßregel hat ausreichen lassen, daß die Entziehungskur „nicht von vornherein aussichtslos” erscheint. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.) darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur dann angeordnet werden, wenn die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. auch BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 5, 9; BGH NStZ-RR 2003, 214). Das ist nach den bisherigen Feststellungen nicht der Fall. Die Annahme des Landgerichts, die Teilnahme des Angeklagten an einer Informationsveranstaltung der Caritas lasse entgegen seiner Einlassung, ihn hätten diese Gespräche nur im allgemeinen interessiert, darauf schließen, daß er selbst von einem behandlungsbedürftigen Suchtproblem ausgehe, entbehrt einer tragfähigen Grundlage.
Der Senat sieht von einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten Prüfung der Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB ab. Er schließt aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme einer hinreichend konkreten Aussicht auf Behandlungserfolg zu tragen vermögen. Dies gilt umso mehr, als der Angeklagte bereits mehr als zwei Jahre der verhängten Jugendstrafe durch die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft verbüßt hat. Dieser Umstand spricht entscheidend gegen eine Motivation, sich zum jetzigen Zeitpunkt noch einer Entziehungskur zu unterziehen.
2. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist unbegründet. Der Revisionsangriff richtete sich im ersten Revisionsverfahren gegen den gesamten Rechtsfolgenausspruch. Gemessen an dem Umfang des Teilerfolgs dieses Rechtsmittels, war eine Billigkeitsentscheidung hinsichtlich der dem Angeklagten durch das erste Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht veranlaßt, zumal das Landgericht von der Auferlegung der Kosten und Auslagen des ersten Revisionsverfahrens gemäß § 74 JGG abgesehen hat.
3. Die Kosten des zweiten Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen sind dagegen der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 3 StPO). Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten die Kosten und gerichtlichen Auslagen des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 2558208 |
NStZ-RR 2005, 10 |