Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.06.2015) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Juni 2015 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Teilfreispruch im Übrigen wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die durch den Angeklagten erhobene Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO.
Rz. 2
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Rz. 3
Während der vom 7. Januar bis 10. Juni 2015 an insgesamt 13 Verhandlungstagen durchgeführten Hauptverhandlung legte die Verteidigung des Angeklagten am 27. März 2015 eine Haftbeschwerde ein, mit der sie die Aufhebung, hilfsweise die Außervollzugsetzung des gegen den Angeklagten vollstreckten Haftbefehls erstrebte. Sie begründete dies damit, dass die Verhandlungsführung durch die Strafkammer dem in Haftsachen geltenden Zügigkeitsgebot nicht genüge.
Rz. 4
In seiner Stellungnahme gegenüber dem Kammergericht vom 27. April 2015 führte der Vorsitzende aus, er habe vor dem Hauptverhandlungstag vom 27. April 2015 mehrfach darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Kammer die Beweisaufnahme annähernd vollständig durchgeführt sei und etwaige Beweisanträge möglichst zeitnah gestellt werden sollten. Nach dem von der Strafkammer vorgestellten Ablauf hätte die Beweisaufnahme am Hauptverhandlungstag vom 27. April 2015 geschlossen und die Plädoyers entgegengenommen werden sollen. Wegen von der Verteidigung an diesem Verhandlungstag angekündigter Beweisanträge habe die Sitzung jedoch unterbrochen werden müssen und könne erst im Mai fortgesetzt werden. Mit Beschluss des Kammergerichts vom 30. April 2015 wurde die Haftbeschwerde verworfen.
Rz. 5
Am 30. April 2015 lehnte der Angeklagte die Mitglieder der Strafkammer und die Schöffen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte namentlich geltend, dass der Vorsitzende gegenüber dem Kammergericht Verlauf und Stand der Verhandlung inhaltlich unzutreffend wiedergegeben habe, um einen andernfalls zu erwartenden Erfolg der Haftbeschwerde zu vermeiden. In dessen Stellungnahme angesprochene Hinweise auf einen bevorstehenden Abschluss der Beweisaufnahme seien vor dem 27. April 2015 nicht gegeben worden. Die Sache sei an diesem Tag auch nicht entscheidungsreif gewesen. In der genannten Sitzung erfolgte Teileinstellungen nach § 154 Abs. 2 StPO zeigten aus der Sicht des Angeklagten darüber hinaus, dass alle Mitglieder der Strafkammer sowie die Schöffen eine zeitnahe Prozesserledigung einer sachgemäßen Aufklärung vorzögen. Die Richtigkeit seines Vortrags machte der Angeklagte unter anderem durch anwaltliche Versicherungen seiner Verteidigerinnen sowie der Verteidigung des Mitangeklagten und durch dienstliche Äußerungen der Kammermitglieder glaubhaft.
Rz. 6
In seiner Erklärung zum Befangenheitsgesuch hielt der Vorsitzende an seiner Darstellung des Verhandlungsverlaufs fest. Die Beisitzer sowie die beiden Schöffen stellten eine eigene Befangenheit in Abrede, verhielten sich zum Stand der Hauptverhandlung am 27. April 2015 jedoch nicht. Das Befangenheitsgesuch wurde ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter mit Beschluss vom 18. Mai 2015 als unbegründet zurückgewiesen.
Rz. 7
2. Die Verfahrensrüge hat keinen Erfolg.
Rz. 8
a) Allerdings ist das Befangenheitsgesuch auch eingedenk des insoweit geltenden strengen Maßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2015 – 5 StR 303/15 Rn. 3; Beschlüsse vom 25. April 2006 – 3 StR 429/05, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 5; vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 6, jeweils mwN) rechtzeitig angebracht worden. Der Antrag wurde während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung zwischen den Verhandlungstagen vom 27. April und 13. Mai 2015 drei Tage nach Kenntniserlangung von dem geltend gemachten zentralen Befangenheitsgrund am 27. April 2015 gestellt. Im Blick auf die dem inhaftierten Angeklagten zuzubilligende Überlegungsfrist einschließlich einer Beratung mit seinen Verteidigerinnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 25 Rn. 8 mwN), die unwidersprochen erst am 29. April 2015 stattfinden konnte, ist dem in § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO normierten Unverzüglichkeitsgebot vorliegend entsprochen.
Rz. 9
b) Jedoch hat der Angeklagte den Wahrscheinlichkeitsbeweis für eine aus sachfremden Gründen erfolgte falsche Unterrichtung des Kammergerichts durch den Vorsitzenden nicht erbracht. Der Vorsitzende ist dem Vorwurf unzutreffenden Sachvortrags entgegengetreten. Der Senat hat zu diesem Punkt im Freibeweisverfahren dienstliche Äußerungen der Beisitzer sowie der Schöffen eingeholt. Darin liegt im Blick darauf, dass sich diese trotz der Glaubhaftmachung der Verteidigung betreffend den Vorwurf unrichtigen Vorbringens des Vorsitzenden in ihren Stellungnahmen zum Befangenheitsgesuch nicht geäußert hatten, keine Einführung neuer Beweismittel, die im Revisionsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Juli 1966 – 2 StR 157/66, BGHSt 21, 85, 88; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 338 Rn. 27; krit. LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 338 Rn. 64 mwN; weitergehend KK/Gericke, 7. Aufl., § 338 Rn. 63). Während ein Beisitzer und ein Schöffe keine Erinnerung mehr an die ein Jahr zurückliegenden Vorgänge hatten, bestätigen die dienstlichen Äußerungen des Berichterstatters sowie des anderen Schöffen – wie auch die Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft – die inhaltliche Richtigkeit der Stellungnahme des Vorsitzenden. Umstände, die die Richtigkeit deren Vortrags durchgreifend zu erschüttern vermögen, sind dem Vorbringen der Verteidigung nicht zu entnehmen. Damit ist der gegen den Vorsitzenden insoweit geltend gemachte Befangenheitsgrund nicht hinreichend wahrscheinlich. Der Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist, gilt insoweit nicht (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1967 – 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 352). Das Befangenheitsgesuch ist mithin zutreffend abgelehnt worden, weswegen die Strafkammer ordnungsgemäß besetzt gewesen ist.
Rz. 10
c) Auch hinsichtlich des Befangenheitsgrunds gegen sämtliche Mitglieder der Strafkammer sowie der Schöffen wegen der vorgenommenen Teileinstellungen ist gegen die Ausführungen im Ablehnungsbeschluss rechtlich nichts zu erinnern.
Unterschriften
Sander, Dölp, König, Berger, Feilcke
Fundstellen
Haufe-Index 9530194 |
NStZ-RR 2018, 130 |
StV 2017, 144 |