Tenor
1. Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Januar 1999 mit den Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beschuldigte mit ihrer Revision, mit der sie das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde weitgehend Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Allerdings hat das Landgericht die von der Beschuldigten begangenen Taten vom 24. Juni 1997 und vom 23. März 1998 auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entgegen den Einwendungen der Revision zutreffend jeweils als – im Zustand nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit begangene – rechtswidrige Bedrohung (§ 241 StGB) gewertet und bei der zweiten Tat zusätzlich den Tatbestand der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) als verwirklicht angesehen. Auch begegnet das Urteil keinen rechtlichen Bedenken, soweit sich das – sachverständig beratene – Landgericht die Überzeugung verschafft hat, daß die Beschuldigte an einer „schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ” (UA 10) leidet und sie bei Begehung der Taten „aufgrund der allgemeinen Deformierungen des Persönlichkeitsgefüges … und wegen der situativen Belastungsfaktoren unmittelbar vor den jeweiligen Tatgeschehen” (UA 11) in ihrer Steuerungsfähigkeit zumindest erheblich vermindert war. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch festgestellt, daß „das Krankheitsbild noch nicht abgeklungen” ist (UA 14) und „das hohe Erregbarkeitsniveau, die Affektlabilität und die geringe Frustrationstoleranz der Beschuldigten” fortbestehe (UA 11). Dies trägt die für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB vorausgesetzte positive Feststellung eines länger andauernden Defekts im Sinne zumindest des § 21 StGB (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; 42, 385 f.). Der Maßregelausspruch kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die weiter vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat:
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie hier nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, daß die Beschuldigte infolge ihres fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Davon ist das Landgericht zwar ausgegangen. Es stützt sich insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen, denen zufolge es sich um erhebliche rechtswidrige Taten handeln „könnte” (UA 14). Damit ist die vom Gesetz vorausgesetzte bestimmte Wahrscheinlichkeit indes nicht genügend dargetan (vgl. BGH, Beschluß vom 15. Juli 1992 - 5 StR 333/92). Die bloße Möglichkeit, daß von der Beschuldigten in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, reicht nicht aus (st. Rspr.; vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 63 Rdn. 5 m.N.). Die Annahme des Landgerichts wird aber auch im übrigen den Besonderheiten des Falles nicht ohne weiteres gerecht. Schon im Hinblick auf die von ihrem strafrechtlichen Gehalt her eher geringfügigen Anlaßtaten erscheint dies fraglich, zumal da früheres Aggressionsverhalten der Beschuldigten vor ihrer Aufnahme in die psychiatrische Klinik im Juni 1997 nicht festgestellt ist (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 8). Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß unbeschadet der Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens nach § 241 StGB nichts dafür hervorgetreten ist, daß die Beschuldigte auch nur willens und in der Lage war, sich überhaupt in der angedrohten Weise zu bewaffnen, und deshalb (objektiv) eine konkrete Gefahr von ihr ausging. Die – ein dreiviertel Jahr auseinanderliegenden – Anlaßtaten belegen weder in ihrer Häufigkeit noch in ihrer Intensität eine Steigerung der „Aggressions- und Impulsdurchbrüche”. Bei dieser Sachlage ergibt sich die konkrete Gefahr erheblicher Straftaten nicht schon daraus, daß die Beschuldigte „planlos und unüberlegt” handelt (UA 11). Zudem verliert der von dem Landgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen neben dem „Verlust ihrer Kinder” (UA 11) als tatauslösend erachtete „Belastungsfaktor” des Todes der Mutter der Beschuldigten nur zwei Tage vor dem ersten Vorfall am 22. Juni 1997 (UA 4) nach der Lebenserfahrung schon aufgrund des Zeitablaufs an Gewicht (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12). Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang zum Beleg für die fortbestehende Gefährlichkeit auf Vorfälle in der psychiatrischen Klinik in Schleswig verweist, wo die Beschuldigte „immer wieder aktiv provozierend” aufgetreten sei und es „wiederholt zu Streitigkeiten mit Mitpatienten” gekommen sei (UA 9, 14), entbehren die Feststellungen einer ausreichenden Konkretisierung, um die Gefährlichkeitsprognose zu stützen. Davon abgesehen können krankheitstypische Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen Angehörige des Pflegepersonals und unter Umständen gegen Mitpatienten begangen werden, nur eingeschänkt Anlaß für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB sein (BGH NStZ 1998, 405; BGH, Beschluß vom 25. August 1998 - 4 StR 385/98). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Taten nicht ausschließbar ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden bestehenden Situation haben.
Über die Unterbringungsanordnung ist deshalb neu zu befinden. Die – rechtsfehlerfrei getroffenen – Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
2. Der neue Tatrichter wird, sollte er die Voraussetzungen des § 63 StGB wiederum bejahen, auch erneut Gelegenheit zu der Prüfung haben, ob weniger einschneidende Maßnahmen als die strafrechtliche Unterbringung einen ausreichend zuverlässigen Schutz der Allgemeinheit vor der Beschuldigten bieten. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich aus dem – im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots abgeleiteten – Subsidiaritätsprinzip (BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 5). Daß eine Behandlung der Beschuldigten, die sich bereit erklärt hat, sich freiwillig einer psychiatrischen Heilbehandlung zu unterziehen, in den Krankenanstalten Bethel „wenig förderlich” ist (UA 15), macht die Prüfung nicht entbehrlich.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540774 |
NStZ 1999, 611 |