Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung von Strafen aus einem anderen Urteil zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten sowie von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten gegen diese Entscheidung ist unbegründet, soweit sie sich gegen Schuldspruch und Strafausspruch richtet (§ 349 Abs. 2 StPO). Keinen Bestand haben kann das Urteil jedoch, soweit die Strafkammer davon abgesehen hat, gemäß § 64 StGB die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte seit langem Betäubungsmittel, zuletzt lag sein täglicher Bedarf an Heroin "in einem Bereich von zwei bis drei Gramm" (UA S. 8). Nach seiner Festnahme litt er unter starken körperlichen Entzugserscheinungen.

Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgelehnt, da "nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, daß der Angeklagte künftig suchtbedingt erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde". Von ihm "drohe allenfalls eine Selbstgefährdung durch den Erwerb von Rauschgift zum Eigenverbrauch", für ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hätten sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, damit sei auch in Zukunft nicht zu rechnen.

Diese Begründung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Hauptziel der Maßregel des § 64 StGB ist die Heilung des straffällig gewordenen Süchtigen (BVerfGE 91, 1 ff NStZ 1994, 578 ff), sie ermöglicht aber nicht allgemein die Unterbringung behandlungsbedürftiger Straftäter, sondern ist abhängig von der künftigen Entwicklung des Betroffenen als Straftäter (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 3). Erforderlich ist deshalb einige Wahrscheinlichkeit, der Angeklagte werde in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen (BGH NStZ 1994, 30 BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 19 m. Anm. Müller-Dietz NStZ 1994, 336; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 3; Hanack LK StGB 11. Aufl. § 64 Rdn. 69, 7l ff). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht fehlerhaft verneint. Es hat nämlich nicht bedacht, daß der Angeklagte das Heroin in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und damit gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ein Verbrechen begangen hat und zu erwarten ist, daß er bei dem Umfang seiner Sucht aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin, um seinen Betäubungsmittelkonsum zu ermöglichen, so vorgehen wird. Dabei ist unerheblich, daß das Betäubungsmittel nur für den Eigenverbrauch bestimmt war, maßgebend ist der massive Verstoß gegen Strafvorschriften im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit und die begründete Erwartung weiterer solcher Taten. Ob und bejahendenfalls welche Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Unterbringung nach § 64 StGB einer mit dem Genuß des Heroin verbundenen "bloßen Selbstgefährdung" zukommt, ist deshalb hier ohne Bedeutung und kann offen bleiben.

Über die Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muß deshalb neu verhandelt werden. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362 f). Anhaltspunkte dafür, daß keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten von seinem Hang zu heilen oder doch über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren (vgl. BVerfGE 91, 1 ff, 29 NStZ 1994, 578), sind nicht ersichtlich. Schwierigkeiten bei der sprachlichen Verständigung mit dem Betroffenen stehen normalerweise ebensowenig wie Gesichtspunkte, die die organisatorische Ausgestaltung und praktische Durchführung der Maßregel betreffen, einer Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB entgegen (BGHSt 36, 190 f; BGH bei Detter NStZ 1997, l77).

Der Senat kann ausschließen, daß der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf niedrigere Einzelstrafen und geringere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.

Eine Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf die Mitangeklagten, die keine Revision eingelegt haben, scheidet aus, da die Entscheidung nach § 64 StGB bei jedem Angeklagten auf individuellen Erwägungen beruht (BGHR StPO § 357 Erstreckung 4).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2993500

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