Verfahrensgang
LG Stralsund (Urteil vom 14.02.2002) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 14. Februar 2002 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; insoweit hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Demgegenüber hat die Maßregelanordnung keinen Bestand, weil die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten gemäß § 63 StGB im Urteil nicht ausreichend dargetan sind.
1. Nach den Feststellungen lernte der Angeklagte, der bereits dreimal wegen sexueller Nötigung zu Freiheitsstrafen verurteilt worden war, im Juli 2001 Petra H. kennen, deren Hilfsbereitschaft er in der Folgezeit mehrfach ausnutzte. Eine sexuelle Beziehung bestand zwischen ihnen nicht. Am 18. August 2001 suchte er sie erneut auf. Nachdem sie zunächst im Garten aus Anlaß seines Geburtstages alkoholische Getränke in mäßiger Menge zu sich genommen hatten, drängte er sie in ihre Wohnung, um dort mit ihr auch gegen ihren Willen sexuell zu verkehren. Er verschloß die Wohnungstür, versetzte der verängstigten Frau mehrere Schläge ins Gesicht und erzwang dadurch die Durchführung des Oral- und des Vaginalverkehrs. Danach nötigte er sie durch weitere Gewaltanwendung, ihm 200 DM auszuhändigen, wodurch er ihrem Vermögen Nachteil zufügte und sich zu Unrecht bereicherte.
Zur Schuldfähigkeit hat sich das Landgericht den Ausführungen des gehörten psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, denenzufolge bei dem Angeklagten eine „spezifische Persönlichkeitsstörung nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10: F 60)” (UA 34) vorliege. Bei dem Angeklagten seien zahlreiche, für unterschiedliche Persönlichkeitsstörungen charakteristische Kriterien festzustellen. So deute die verfahrensgegenständliche Tat nicht nur auf eine dissoziale Persönlichkeitsstörung hin; die Aggressivität gegen die Geschädigte sei vielmehr ein „Ausdruck sexualisierter Gewalt, die auf nach wie vor bestehende Haßgefühle gegenüber Frauen hindeute” (UA 35). Daß der Angeklagte – wie er behaupte – die früheren Gewaltphantasien und Haßgefühle gegenüber Frauen, die im Zusammenhang mit der problematischen Beziehung zu seiner Mutter gestanden hätten, durch therapeutische Gespräche während seiner letzten Haftzeit aufgearbeitet habe, erscheine angesichts seiner mangelnden Ehrlichkeit fraglich. Weiterhin seien bei ihm „Merkmale einer schizoiden Persönlichkeitsstörung wie emotionale Kühle, flache Affektivität und ein Mangel an engen, vertrauensvollen Beziehungen, aber auch histrionische Züge wie eine oberflächliche, labile Affektivität und Selbstbezogenheit sowie narzißtische Kriterien nachgewiesen” (UA 35).
2. Diese zur Schuldfähigkeit des Angeklagten getroffenen Feststellungen und Bewertungen sind nicht geeignet, die Maßregelanordnung zu rechtfertigen. Diese setzt die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26 f.; BGHR StGB § 63 Zustand 26). Dabei können zwar auch nicht pathologisch bedingte Störungen Anlaß für eine Unterbringung nach § 63 StGB sein, wenn sie in ihrem Gewicht den krankhaften seelischen Störungen entsprechen (BGHSt 34, 22, 28). Die Diagnose einer wie auch immer gearteten Persönlichkeitsstörung läßt jedoch für sich genommen eine Aussage über die Frage der Schuldfähigkeit des Täters nicht zu (vgl. BGHSt 42, 385). Vielmehr bedarf es einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und ihrer Entwicklung, um feststellen zu können, ob die Störungen des Täters sein Leben vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen wie krankhafte seelische Störungen – auch im Hinblick auf seine Fähigkeit zu normgemäßem Verhalten – stören, belasten oder einengen (vgl. BGHSt 37, 397, 401; BGHR StGB § 63 Zustand 25, 34). Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Die Ausführungen der Strafkammer zur Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und zu der das Gutachten des Sachverständigen tragenden sachlichen Begründung sind so allgemein gehalten, daß sich nicht zuverlässig beurteilen läßt, ob die festgestellte Störung den Schweregrad erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit sicher erreicht hat. Es werden im wesentlichen persönliche Merkmale beschrieben, die sich innerhalb der Bandbreite von Eigenschaften auch voll schuldfähiger Menschen bewegen und übliche Ursachen für ein strafbares Tun sein können. Jedenfalls liegen die bei dem Angeklagten festgestellten Charakter- und Verhaltensauffälligkeiten bei Straftätern häufig vor, ohne daß sie für sich genommen eine generalisierende Aussage zur Frage der Schuldfähigkeit zulassen.
3. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus bedarf daher umfassender neuer Prüfung.
Unterschriften
Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen