Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.12.2003; Aktenzeichen I-3 W 296/03) |
LG Krefeld (Aktenzeichen 3 O 15/03) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Dezember 2003 wird auf Kosten der Antragsgegnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.834,25 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die in Italien residierende Antragstellerin (Gläubigerin) hat gegen die in Deutschland ansässige Antragsgegnerin (Schuldnerin) beim Landgericht Vicenza am 10. Dezember 2001 einen Beschluss erwirkt, welcher der Schuldnerin die Zahlung von 21.189,96 DM (in italienischer Lire) nebst Zinsen und Verfahrenskosten zu Gunsten des Konkurses der Gläubigerin auferlegt hat.
Die Gläubigerin begehrt die Zulassung dieses Beschlusses zur Voll-streckung in Deutschland. Die Schuldnerin wendet ein, der Vollstreckbarerklärung stünden Versagungsgründe entgegen. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des Landgerichts hat dem Antrag der Gläubigerin stattgegeben. Die Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das gemäß § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig; denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 16 Abs. 2 Satz 2 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO).
1. Die Rechtsbeschwerde geht davon aus, dass der Schuldnerin die Klageschrift nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, weil sie ihr gemäß Art. 10 des Haager Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil und Handelssachen vom 15. November 1965 durch die Post übersandt wurde (vgl. § 6 Satz 2 des Gesetzes zur Ausführung des o.g. Haager Übereinkommens vom 22. Dezember 1977). Daraus folgert die Schuldnerin, der Beschluss des italienischen Gerichts habe nach Art. 34 Abs. 2, Art. 27 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (im Folgenden auch EuGVÜ) nicht für vollstreckbar erklärt werden dürfen, weil sie sich auf das Verfahren nicht eingelassen habe. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Einlassung im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ vorliegt, formuliert die Rechtsbeschwerde sodann vier Rechtsfragen, die sie in erster Linie für rechtsgrundsätzlich hält.
a) Der Zulässigkeitsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt jedoch nicht vor. Die von der Rechtsbeschwerde formulierten Rechtsfragen zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ sind in dem vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht klärungsfähig. Denn diese Bestimmung ist in dem hier zu entscheidenden Fall nicht anwendbar. Anwendbar ist stattdessen Art. 34 Nr. 2 (i.V.m. Art. 45 Abs. 1 Satz 1) der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (im Folgenden auch EuGVVO). Diese Vorschrift steht der Vollstreckbarerklärung des italienischen Vollstreckungstitels nicht entgegen.
aa) Der Verfahrensgegenstand wird vom sachlichen Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens umfasst. Es liegt kein Fall des Konkurses im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ vor. Entscheidungen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, sind dann von der Anwendung des Abkommens ausgeschlossen, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkursverfahrens halten (EuGH RIW 1979, 273, 274; BGH, Urt. v. 11. Januar 1990 IX ZR 27/89, ZIP 1990, 246). So liegt es hier jedoch nicht: Die Gläubigerin hat sich im Ursprungsverfahren auf ein Anerkenntnis der Schuldnerin ihr gegenüber berufen.
bb) Die Frage, ob Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ oder statt seiner Art. 34 Nr. 2 EuGVVO anzuwenden ist, bestimmt sich nach Art. 66 EuGVVO. Ist die Klage im Ursprungsmitgliedstaat vor dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2002 (Art. 76 EuGVVO) erhoben worden, so werden gemäß Art. 66 Abs. 2 Buchst. a EuGVVO nach diesem Zeitpunkt erlassene Entscheidungen nach Art. 32 ff EuGVVO anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen, wenn die Klage im Ursprungsmitgliedstaat erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen sowohl in diesem Staat als auch im Vollstreckungsstaat in Kraft getreten war (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 66 EuGVVO Rn. 5). Die Vorschrift, auf welche die Schuldnerin selbst bereits im Erstbeschwerdeverfahren hingewiesen und die sie auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht übersehen hat, greift hier ein:
(1) Die Gläubigerin hat ihre Klage zum Landgericht Vicenza vor dem 1. März 2002 erhoben. Die Klageschrift vom 10. Juli 1998 ist der Schuldnerin unmittelbar per Post am 3. August 1998 zugestellt worden. Das EuGVÜ ist am 1. Februar 1973 u.a. im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien in Kraft getreten (BGBl. 1972 II 773, 1973 II 60; vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 6. Aufl. Einl. Rn. 1).
(2) Zur Vollstreckung zugelassen worden ist hier eine nach dem 1. März 2002 erlassene Entscheidung. Der Beschluss des Landgerichts Vicenza vom 10. Dezember 2001 ist für sich allein genommen nach dem Recht Italiens nicht vollstreckbar.
Sowohl nach Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ als auch nach Art. 38 Abs. 1 EuGVVO werden Entscheidungen für vollstreckbar erklärt, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind. Das Erfordernis der Vollstreckbarkeit ist erfüllt, wenn die ausländische Entscheidung in formeller Hinsicht vollstreckbar ist (EuGH IPRax 2000, 18, 20). Zwar genügt eine vorläufige Vollstreckbarkeit. Kann die Entscheidung nach dem Recht des Entscheidungsstaats (so EuGH aaO) aber nicht, auch nicht vorläufig vollstreckt werden, so ist seine Vollstreckung in dem Vollstreckungsstaat ebenfalls nicht möglich (Bericht zu dem EuGVÜ BT-Drucks. VI/1973 S. 91; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art. 31 EuGVÜ Rn. 47; Kropholler, aaO Art. 31 EuGVÜ Rn. 8, 10). So liegt es hier:
Der Beschluss vom 10. Dezember 2001 bestimmt ausdrücklich, dass seine vorläufige Vollstreckung nicht gewährt wird. Damit folgt aus der Entscheidung selbst, dass sie nicht vollstreckbar ist (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Gesichtspunkts Kropholler, aaO Art. 31 Rn. 9). Die Vollstreckbarkeit des am 10. Dezember 2001 erlassenen und am 28. Dezember 2001 ergänzten Zahlungsbefehls gewährte das Landgericht Vicenza erst mit seiner Entscheidung vom 2. Mai 2002. Dieser Entscheidung wurde am 20. Juli 2002 die italienische Vollstreckbarkeitsklausel beigefügt. Daher kommt es für die Anwendung der Übergangsvorschrift in Art. 66 Abs. 2 Buchst. a EuGVVO allein auf die von der Gläubigerin am 26. April 2002 beantragte Entscheidung des Landgerichts Vicenza vom 2. Mai 2002 an (vgl. auch BGH, Beschl. v. 22. September 2005 IX ZB 7/04, n.v.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 32 EuGVVO Rn. 8 ff). Diese Entscheidung erging aber nach Inkrafttreten der Verordnung am 1. März 2002.
(3) Das Landgericht hat nach seinem recht verstandenen Tenor die Entscheidung des Landgerichts Vicenza, welche aus der Zahlungsanordnung vom 10. Dezember 2001 und dem Vollstreckbarkeitsausspruch vom 2. Mai 2002 besteht, insgesamt für vollstreckbar erklärt. Es hat ausdrücklich von einer „zu vollstreckende(n) Verurteilung” gesprochen. Damit kann nur die Entscheidung vom 2. Mai 2002 gemeint sein, weil nur diese dem zuvor nach seinem ausdrücklichen Inhalt nicht vollstreckbaren Zahlungsbefehl die Vollstreckbarkeit gewährte. Im Ansatz folgerichtig hat das Landgericht sich auf Art. 31 EuGVÜ berufen, der gerade voraussetzt, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist. Dementsprechend ordnete es die Erteilung der Vollstreckungsklausel gemäß § 9 AVAG an, die sich nach dem Gesetz auf „die zu vollstreckende Verpflichtung” bezieht. Der in dem erstinstanzlichen Beschluss wiedergegebene Tenor entspricht dem in Italien auf Grund des Beschlusses vom 2. Mai 2002 vollstreckbaren Entscheidungsinhalt.
cc) Art. 34 Nr. 2 EuGVVO stellt anders als Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ nicht mehr auf die ordnungsgemäße Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks ab. Dass ihr die Klageschrift vom 10. Juli 1998 nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass sie sich verteidigen konnte, macht die Schuldnerin selbst nicht geltend; dies erscheint nach dem Verfahrensablauf auch ausgeschlossen. Auf die Frage, ob sich die Schuldnerin auf das Verfahren vor dem italienischen Gericht eingelassen hat, kommt es daher nicht an; sie kann in diesem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geklärt werden.
b) Die Schuldnerin hat damit die Entscheidungserheblichkeit der von ihr bezeichneten Rechtsfragen nicht dargelegt; dies ist Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Rechtsbeschwerde (vgl. BGH, Beschl. vom 19. Dezember 2002 VII ZB 101/02, NJW 2003, 831 f).
2. Mangels eines zulässigen Rechtsmittels ist der Senat gehindert, den von den Beteiligten dieses Verfahrens nicht angesprochenen Bedenken gegen die Bestimmtheit des für vollstreckbar erklärten Tenors zur Höhe des Zinssatzes und zum Beginn der Zinspflicht nachzugehen (zu den tatrichterlichen Aufgaben in diesem Zusammenhang vgl. BGHZ 122, 16, 17 ff; BGH, Beschl. v. 5. April 1990 IX ZB 68/89, NJW 1990, 3084, 3085).
Fundstellen
Haufe-Index 2833542 |
NJW-RR 2006, 1290 |
WM 2006, 502 |
WuB 2006, 451 |
AnwBl 2006, 77 |
InVo 2006, 330 |