Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 06.01.2011) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 6. Januar 2011 zu gewähren, wird als unzulässig verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet wurde (§ 345 Abs. 1 und 2 StPO), und der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist keinen Erfolg hat. Er ist nicht zulässig (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Rz. 2
1. Mit Schriftsatz seines Pflichtverteidigers vom 6. Januar 2011 hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision gegen das Urteil des Landgerichts vom selben Tag eingelegt. Sein Rechtsmittel hat er mit dem innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 29. April 2011 begründet und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Dieser Schriftsatz war jedoch nicht vom Pflichtverteidiger, sondern von dem mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwalt R., dem Pflichtverteidiger des ebenfalls revisionsführenden Mitangeklagten B., mit dem Vermerk „für den ortsabwesenden Rechtsanwalt” unterzeichnet worden.
Rz. 3
Mit am selben Tag beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. August 2011 hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Revisionsbegründung beantragt und hierzu ausgeführt, sein Verteidiger habe den Schriftsatz vom 29. April 2011 aufgrund von Ortsabwesenheit per E-Mail an sein Büro übersandt und gebeten, diesen von einem Kollegen unterschreiben zu lassen. Dabei habe sein Verteidiger weder die Formvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO noch den Umstand bedacht, dass die anderen Kollegen ebenfalls in dem Verfahren Mitangeklagte vertreten hätten. Er habe seinen Verteidiger „sowohl mit der Fristenkontrolle als auch der Ausfertigung der Revision” beauftragt. Dem Wiedereinsetzungsantrag war eine vom Pflichtverteidiger unterzeichnete Revisionsbegründung beigefügt.
Rz. 4
2. Der Wiedereinsetzungsantrag hat keinen Erfolg. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 45 Rn. 5 m.w.N.). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es hier. Der Antrag enthält keine Angaben dazu, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. April 2003 – 3 StR 30/03 und vom 13. September 2005 – 4 StR 399/05, NStZ 2006, 54, 55; Meyer-Goßner, aaO). Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten (BGH, Beschlüsse vom 3. April 1992 – 2 StR 114/92 und vom 13. September 2005, aaO). Wann diesem die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist bekannt geworden ist, wird ungeachtet des erheblichen Zeitablaufs nicht vorgetragen. Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist (BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1991 – 1 StR 737/ 90, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 7 m.w.N., und vom 5. August 2010 – 3 StR 269/10, NStZ-RR 2010, 378 m.N.). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 365/10).
Rz. 5
3. Die Revision des Angeklagten ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist (§§ 344, 345 StPO). Die Revisionsbegründung vom 29. April 2011 war entgegen § 345 Abs. 2 StPO nicht vom Pflichtverteidiger, sondern von einem von diesem bevollmächtigten, mit ihm in Bürogemeinschaft verbundenen und für einen Mitangeklagten als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt unterzeichnet; auf diesen konnte der Pflichtverteidiger des Angeklagten seine Befugnisse nicht wirksam übertragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. September 1989 – 2 StR 434/89, BGHR StPO § 349 Abs. 1 Einlegungsmangel 2 m.w.N., vom 16. Dezember 1994 – 2 StR 461/94, NStZ 1995, 356 f., und vom 17. Mai 1995 – 3 StR 45/95, NStZ 1996, 21 [bei Kusch]). Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsanwalt R. entgegen dem Verbot der Mehrfachverteidigung gemäß § 146 StPO als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO tätig geworden war, sind nicht ersichtlich; solches wird auch nicht geltend gemacht.
Rz. 6
4. Im Übrigen wäre die Revision, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 7. Oktober 2011 zutreffend ausgeführt hat, auch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 2862759 |
NStZ 2012, 276 |
NStZ 2012, 346 |
StraFo 2012, 145 |