Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Der Antrag des Angeklagten, die Bestellung von Rechtsanwalt H. aus M. zum Pflichtverteidiger aufzuheben, wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Erstinstanzlich waren Rechtsanwältin K. und Rechtsanwalt H., kanzleiansässig jeweils in M., zu Pflichtverteidigern des in dieser Sache in Untersuchungshaft genommenen Angeklagten bestellt worden. Mit am 22. Dezember 2022 bei dem Bundesgerichtshof eingegangenem Schreiben vom 16. Dezember 2022 hat der Angeklagte beantragt, Rechtsanwalt H. aus seinem Verfahren „auszuschließen“, da kein Vertrauensverhältnis mehr bestehe. Denn wie er zwischenzeitlich erfahren habe, habe Rechtsanwalt H. im Verhandlungstermin vor dem Landgericht vom 25. Januar 2022 ohne sein Wissen einen Beweisantrag gestellt, welcher manipuliert worden sei und einer bösartigen Fantasie des Rechtsanwalts entspreche zum Zwecke seiner (des Angeklagten) Verurteilung.
Rz. 2
2. Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Weder ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten endgültig zerstört, noch ist aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet (s. § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO). Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem substantiiert darzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2022 - StB 2/22 Rn. 12). Es müssen konkrete Umstände vorgetragen werden, aus denen sich der endgültige Fortfall der für ein Zusammenwirken zu Verteidigungszwecken notwendigen Grundlage ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 - 4 StR 295/21 Rn. 3 und vom 12. Februar 2008 - 1 StR 649/07 Rn. 16 f.). Daran fehlt es. Etwaige Differenzen zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten über die Verteidigungsstrategie - wie hier das Verlesen eines Beweisantrages im Termin zur Hauptverhandlung - rechtfertigen für sich genommen die Entpflichtung nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. März 2020 - StB 6/20 Rn. 11 und vom 15. Juni 2021 - StB 24/21 Rn. 8; jeweils mwN). Unüberwindbare, die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erschütternde Meinungsverschiedenheiten oder gar ein von verteidigungsfremden Motiven getragenes pflichtwidriges Handeln von Rechtsanwalt H., in deren bzw. dessen Folge der Zweck der Pflichtverteidigung - dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen geordneten Verfahrensablauf zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 23. September 2015 - 2 StR 434/14 Rn. 23) - ernsthaft gefährdet worden wäre, lassen bzw. lässt sich dem Vorbringen des Angeklagten nicht entnehmen. Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten durch Rechtsanwalt H. entgegensteht und eine Beendigung von dessen Bestellung zum Pflichtverteidiger gebietet.
Jäger
Fundstellen
Haufe-Index 15524300 |
NStZ-RR 2023, 83 |