Leitsatz (amtlich)
a) Die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Gerichtskosten stellen gerichtliche Kosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar. Voraussetzung hierfür ist, dass Parteien und Streitgegenstand des Beweisverfahrens und des Hauptprozesses identisch sind (Bestätigung von: BGH, Beschl. v. 22.7.2004 - VII ZB 9/03, MDR 2005, 87 = BGHReport 2004, 1521 = BauR 2004, 1809 [1810] = ZfBR 2005, 53 = NZBau 2004, 674).
b) Eine Identität der Streitgegenstände in diesem Sinne liegt bereits dann vor, wenn nur Teile des Streitgegenstands eines selbständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht werden (im Anschluss an: BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486] = ZfBR 2004, 785 = NZBau 2004, 507; Beschl. v. 21.10.2004 - V ZB 28/04, BGHReport 2005, 198 m. Anm. Goebel = MDR 2005, 296 = BauR 2005, 429 [430] = NZBau 2005, 43).
c) Bleibt die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens zurück, können im Hauptsacheverfahren dem Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO die dem Antragsgegner durch den überschießenden Teil des selbständigen Beweisverfahrens entstandenen Kosten auferlegt werden. Hat das Gericht der Hauptsache von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, scheidet eine Korrektur der Kostengrundentscheidung im Wege der Kostenfestsetzung aus (im Anschluss an: BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 34/03, MDR 2004, 1372 = BGHReport 2004, 1529 = BauR 2004, 1487 [1488] = ZfBR 2004, 788 = NZBau 2005, 44; Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486] = ZfBR 2004, 785 = NZBau 2004, 507).
Normenkette
ZPO §§ 91, 96, 494a
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 09.03.2005; Aktenzeichen 82 T 464/04) |
AG Berlin-Schöneberg (Entscheidung vom 11.05.2004; Aktenzeichen 3 C 145/02) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 82 des LG Berlin vom 9.3.2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 1.166,36 EUR
Gründe
I.
Der Beklagte wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
Die Kläger beauftragten den Beklagten mit dem Einbau einer Heizungsanlage in ihrem Wohnhaus. Nachdem sie Mängel des Werkes gerügt hatten, beantragten sie beim AG S. die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Der Sachverständige bestätigte das Vorliegen eines Teiles der gerügten Mängel und bezifferte die Mängelbeseitigungskosten auf 555,54 EUR. Den Wert des selbständigen Beweisverfahrens hat das AG auf 10.000 DM (5.112,92 EUR) festgesetzt. Die auf Zahlung des Betrages von 555,54 EUR gerichtete Klage hatte i.H.v. 359,16 EUR Erfolg. Das AG hat die Kosten des Rechtsstreits den Klägern zu 6/17 und dem Beklagten zu 11/17 auferlegt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Parteien haben Kostenfestsetzung beantragt. Dabei haben die Kläger u.a. die gesamten im Beweisverfahren angefallenen Sachverständigenkosten i.H.v. 2.314,10 EUR sowie die Gerichtsgebühr für das Beweisverfahren i.H.v. 60,08 EUR, berechnet nach einem Gegenstandswert von 5.112,91 EUR, angesetzt. Bei den außergerichtlichen Kosten haben beide Parteien zusätzlich zu der Prozessgebühr für das Hauptsacheverfahren eine Prozessgebühr für das Beweisverfahren geltend gemacht, die sie auf Anregung der Rechtspflegerin jedoch nur nach einem Gegenstandswert von 555,54 EUR berechnet haben.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss hat das AG die vom Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf 351,51 EUR festgesetzt. Die Sachverständigenkosten hat es dabei lediglich i.H.v. 257,12 EUR angesetzt, berechnet nach dem Verhältnis des Wertes des Beweis- zum Wert des Hauptsacheverfahrens. Die Gerichtsgebühr des Beweisverfahrens hat es nur in der Höhe (17,90 EUR) angesetzt, in der sie unter Zugrundelegung des Streitwertes der Hauptsache entstanden wäre. Dem beiderseitigen Antrag der Parteien auf Festsetzung einer zusätzlichen Prozessgebühr für das Beweisverfahren hat es entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger hat das LG die Entscheidung des AG abgeändert und die von dem Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf 1.517,87 EUR festgesetzt. Das LG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Beklagte hat diese eingelegt.
II.
Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das LG ist der Ansicht, die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens seien bei der Kostenfestsetzung nur in eingeschränktem Umfang zu berücksichtigen. Die Kläger hätten im Hauptsacheverfahren Schadensersatz nur für einen Teil der im selbständigen Beweisverfahren geltend gemachten Mängel verlangt. Die im Hauptsacheprozess ergangene Kostenentscheidung erfasse daher nur diejenigen Kosten des nach dem höheren Wert durchgeführten Beweisverfahrens, die sich auf den Streitgegenstand der Hauptsache bezogen hätten.
Von den Sachverständigenkosten i.H.v. 2.349,89 EUR sei nur ein Teilbetrag von 2.059,67 EUR anzusetzen. Die restlichen Kosten von 254,42 EUR entfielen auf eine vom Sachverständigen beantwortete Beweisfrage, die mit dem Rechtsstreit der Hauptsache in keinem Zusammenhang stehe.
Soweit das AG die Gerichtsgebühr für das selbständige Beweisverfahren nur in der Höhe berücksichtigt habe, wie sie entstanden wäre, wenn dieses Verfahren unter Zugrundelegung des Wertes des Hauptsacheprozesses durchgeführt worden wäre, könne dahinstehen, ob die festzusetzende Gebühr nicht vielmehr nach dem Verhältnis der Streitwerte der beiden Verfahren zu berechnen sei. Denn die vom AG gewählte Berechnungsweise erweise sich für die Kläger als günstiger, da diese hierdurch einen höheren Betrag der Gerichtsgebühr für das Beweisverfahren erstattet bekämen, als es bei Anwendung der anderen Berechnungsart der Fall wäre.
Dahinstehen könne auch, ob bei der Kostenfestsetzung die vom Beklagten für das Beweisverfahren geltend gemachte Prozessgebühr zusätzlich zu der Prozessgebühr des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sei. Denn die Prozessgebühr sei sowohl von den Klägern als auch von dem Beklagten zweimal zur Festsetzung und Ausgleichung beantragt und von der Rechtspflegerin auch als erstattungsfähig angesehen worden. Da der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit 11/17 zu einem verhältnismäßig höheren Anteil als die Kläger zu tragen habe, führe dies zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Wesentlichen nicht stand.
a) Im Ansatz zu Recht geht das LG davon aus, dass die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens gehören und von der darin getroffenen Kostenentscheidung mit umfasst werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens und des Hauptprozesses identisch sind (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 34/03, MDR 2004, 1372 = BGHReport 2004, 1529 = BauR 2004, 1487 [1488] = ZfBR 2004, 788 = NZBau 2005, 44; Beschl. v. 22.7.2004 - VII ZB 9/03, MDR 2005, 87 = BGHReport 2004, 1521 = BauR 2004, 1809 [1810] = ZfBR 2005, 53 = NZBau 2004, 674).
b) Eine Identität der Streitgegenstände in diesem Sinne liegt bereits dann vor, wenn nur Teile des Streitgegenstands eines selbständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht werden (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486] = ZfBR 2004, 785 = NZBau 2004, 507; Beschl. v. 21.10.2004 - V ZB 28/04, BGHReport 2005, 198 m. Anm. Goebel = MDR 2005, 296 = BauR 2005, 429 [430] = NZBau 2005, 43). Davon, dass der Streitgegenstand des Hauptprozesses mit dem des Beweisverfahrens hier zumindest zum Teil identisch ist, ist das LG zutreffend ausgegangen.
c) Zu Unrecht meint das LG aber, dass bei nur teilweiser Identität der Streitgegenstände die Kostenentscheidung des Hauptprozesses nur diejenigen Kosten eines nach einem höheren Wert durchgeführten Beweisverfahrens erfasst, die sich auf den Streitgegenstand der Hauptsache beziehen.
aa) Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens, wenn die Hauptsacheklage hinter dem Verfahrensgegenstand des selbständigen Beweisverfahrens zurückbleibt (BGH, Beschl. v. 21.10.2004 - V ZB 28/04, BGHReport 2005, 198 m. Anm. Goebel = MDR 2005, 296 = BauR 2005, 429 [430] = NZBau 2005, 43). In diesem Fall können im Hauptsacheverfahren dem Antragsteller in entsprechender Anwendung von § 96 ZPO die dem Antragsgegner durch den überschießenden Teil des selbständigen Beweisverfahrens entstandenen Kosten auferlegt werden (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 [1486] = ZfBR 2004, 785 = NZBau 2004, 507). Hat das Gericht der Hauptsache von dieser Möglichkeit keinen Gebrach gemacht, scheidet eine Korrektur der Kostengrundentscheidung im Wege der Kostenfestsetzung aus (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 34/03, MDR 2004, 1372 = BGHReport 2004, 1529 = BauR 2004, 1487 [1488] = ZfBR 2004, 788 = NZBau 2005, 44).
bb) Das AG hat bei seiner Kostenentscheidung § 96 ZPO nicht angewandt. Die gesamten Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind demzufolge gemäß der im Kostenausspruch des Urteils des AG angegebenen Quote von den Parteien anteilig zu tragen.
d) Nach dieser Maßgabe wird das LG unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius zu überprüfen haben, ob und in welcher Höhe die von den Parteien zum Ausgleich angemeldeten Kosten berechtigt sind. Der Senat weist insoweit auf Folgendes hin:
aa) Das Verbot der reformatio in peius gilt lediglich für den festgesetzten Gesamtbetrag. Die einzelnen Posten der Kostenfestsetzung können dagegen geprüft und ggf. korrigiert und durch andere ersetzt werden, wenn nur das Endergebnis sich nicht zum Nachteil des Rechtsmittelführers ändert (vgl. BFH, Beschl. v. 16.12.1969 - VII B 45/68, BFHE 98, 12 [14]; v. Eicken/Lappe/Madert, Die Kostenfestsetzung, 18. Aufl., Rz. B 208 i.V.m. Rz. B 182; Wieczorek/Schütze/Steiner, ZPO, 3. Aufl., § 104 Rz. 39; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 572 Rz. 40; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 104 Rz. 41; a.A.: Pauling, JurBüro 2002, 61, m.w.N.).
bb) Die Kosten des Sachverständigen sind in vollem Umfang anzusetzen. Ob Teile des Sachverständigengutachtens keinen Bezug zu dem Hauptsacheverfahren gehabt haben, ist ohne Belang.
Das LG wird in diesem Rahmen auch zu überprüfen haben, in welcher Höhe Sachverständigenkosten angefallen sind. Nach den im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Feststellungen des AG betragen diese 2.314,10 EUR. Seiner Berechnung hat das LG indes einen Ausgangswert von 2.349,89 EUR zugrunde gelegt.
cc) Die Gerichtsgebühr für das Beweisverfahren richtet sich nach dem hierfür festgesetzten Streitwert von 5.112,91 EUR.
dd) Die Prozessgebühr für das Beweisverfahren kann nicht neben der Prozessgebühr für das Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden. Die Kosten der Prozessbevollmächtigten der Parteien für das selbständige Beweisverfahren gehören gem. § 37 Nr. 3 BRAGO zu den Kosten des Rechtszugs und sind demgemäß nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO durch die in dem Hauptsacheverfahren angefallenen Gebühren mit abgegolten (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1997, 320; OLG München v. 8.2.1994 - 11 W 754/94, Rpfleger 1994, 317; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 37 Rz. 9e).
Fundstellen
Haufe-Index 1487638 |
NJW 2006, 2557 |
BGHR 2006, 687 |
BauR 2006, 865 |
NJW-RR 2006, 810 |
IBR 2006, 237 |
JurBüro 2006, 437 |
ZAP 2006, 958 |
MDR 2006, 1075 |
NJ 2006, 414 |
Rpfleger 2006, 338 |
WuM 2006, 467 |
NJW-Spezial 2006, 312 |
NZBau 2006, 374 |
RENOpraxis 2006, 108 |
RVGreport 2006, 192 |