Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 27.07.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Juli 2018 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe sowie die Einziehung eines Geldbetrages angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Die umfassende Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat im Schuldspruch, im Strafausspruch und hinsichtlich der Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 3
2. Hingegen hält der Maßregelausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht für die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Satz 2 StGB) nur unzureichend begründet.
Rz. 4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der 45-jährige Angeklagte erstmals im Alter von zehn Jahren Alkohol; ab dem Jahre 2010 begann er regelmäßig Alkohol, insbesondere Bier, Wodka und Weinbrand, zu sich zu nehmen. Zigaretten raucht er seit seinem 13. Lebensjahr, zudem ab dem 15. Lebensjahr regelmäßig Cannabis. Spätestens im Alter von 18 Jahren konsumierte er erstmals Heroin, ab dem 25. Lebensjahr regelmäßig. Ab dem 19. Lebensjahr war er drei bis vier Jahre abhängig von Codein. Seit dem Jahr 2007 konsumiert er regelmäßig vom Arzt verschriebene Benzodiazepine. In den letzten Jahren kam schließlich ein regelmäßiger Konsum von Kokain und Amphetamin hinzu. Der Angeklagte hat in seinem Leben zahllose Entgiftungen und Therapien, darunter mehrere stationäre Langzeittherapien, durchgeführt und meist regulär beendet, bislang aber ohne nachhaltigen Erfolg. Der in der Hauptverhandlung gehörte Sachverständige geht von einem multiplen Substanzmissbrauch durch Cannabinoide und Amphetamin und von einem psychischen Abhängigkeitssyndrom betreffend Alkohol und Opiaten aus.
Rz. 5
b) Angesichts dieser außerordentlich ungünstigen Umstände, die gegen einen mehr als nur kurzfristigen Behandlungserfolg sprechen, ist alleine die Erklärung des Angeklagten, therapiemotiviert und überzeugt zu sein, dass ihn eine Entziehungsbehandlung in die Lage versetzen könne, seine Sucht und damit sein Leben in den Griff zu bekommen, nicht geeignet, eine konkrete Erfolgsaussicht der angeordneten Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2017 – 2 StR 387/17).
Rz. 6
Wenngleich nicht jedes Risiko, dass in einer Entziehungsanstalt ein nachhaltiger Behandlungserfolg nicht erzielt wird, zugleich bedeutet, dass es an einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 3 StR 38/17, NStZ-RR 2017, 283, 284), hätte es hier, insbesondere im Hinblick auf die in der Vergangenheit gescheiterten Therapien, der eingehenden Darlegung der für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte unter Mitteilung der diesbezüglichen Ausführungen des von der Strafkammer hinzugezogenen psychiatrischen Sachverständigen bedurft (st. Rspr.; vgl. Senat, aaO). Die Strafkammer wäre gehalten gewesen, das Risiko eines Scheiterns der Behandlung – als mehr oder weniger hoch bzw. gering – konkret zu gewichten, um die Behandlungsaussichten nachvollziehbar zu bewerten. Dabei wären in die Beurteilung die im Urteilszeitpunkt gegebenen prognosegünstigen (bekundete Therapiebereitschaft, mögliche Stabilisierung seiner persönlichen Lebensverhältnisse) und auch die prognoseungünstigen Faktoren (insbesondere langjährige Drogenabhängigkeit, mehrfache erfolglose Langzeittherapien) einzubeziehen gewesen.
Rz. 7
Die danach erforderliche Abwägung kann weder ersetzt werden durch den bloßen Hinweis der Strafkammer auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die nicht weiter mitgeteilt werden, noch durch die allgemeine Erwägung, der Annahme der Erfolgsaussicht stünde nicht entgegen, dass der Angeklagte bereits erfolglose Langzeittherapien hinter sich gebracht habe. Dass es sich – wie die Strafkammer in diesem Zusammenhang annimmt – bei einer Suchttherapie um einen langwierigen und mühsamen Prozess handele, der dem Betroffenen viel Durchhaltevermögen und Kraft abverlange, ist allein kein tragfähiger Beleg dafür, dass trotz des Scheiterns in der Vergangenheit eine neuerliche Therapie beim Angeklagten gerade jetzt aussichtsreich sein könnte.
Rz. 8
3. Die Aufhebung des Maßregelausspruchs entzieht der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
Unterschriften
Franke, Appl, Krehl, Meyberg, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 13161243 |
NStZ-RR 2019, 244 |