Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 01.09.2022; Aktenzeichen 20 KLs 4/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 1. September 2022
a) im Strafausspruch im Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffend die zum Nachteil der Nebenklägerin T. begangene Tat dahin geändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird;
b) dahin ergänzt, dass die Höhe eines Tagessatzes für die verhängten Einzelgeldstrafen auf jeweils einen Euro festgesetzt wird.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bestimmt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 31. Januar 2023 genannten Gründen unbegründet.
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Strafausspruchs im Fall II. 3. der Urteilsgründe betreffend die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T..
Rz. 4
a) Das Landgericht hat die dafür festgesetzte Einzelstrafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB entnommen, da die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht entfalle. Dabei hat es zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, „dass er den entgegenstehenden Willen der Geschädigten nicht nur erkannt, sondern über einen längeren Zeitraum ignoriert hat und die sexuellen Handlungen trotz des von ihm erkannten entgegenstehenden Willens sogar intensiviert hat, indem er mit seinem Penis jeweils in den Anus der Nebenklägerinnen eingedrungen ist, was für beide in der jeweiligen Tatsituation mit erheblichen Schmerzen verbunden war“. Unter Bezugnahme unter anderem auf diese Erwägung hat die Strafkammer sodann die konkrete Strafzumessung vorgenommen und auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten erkannt.
Rz. 5
b) Dies stellt zwar entgegen der Auffassung der Revision keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB dar, da die Strafkammer dem Angeklagten nicht erneut die Tatbestandsverwirklichung des § 177 Abs. 1 StGB bzw. die Erfüllung des Regelbeispiels des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB angelastet hat (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - 4 StR 5/20 Rn. 7; Beschluss vom 28. Juni 2018 - 1 StR 171/18, StV 2019, 559, 561; Beschluss vom 22. April 2004 - 3 StR 113/04 Rn. 2). Sie hat insoweit vielmehr maßgeblich auf die Art der Tatausführung und das darin zum Ausdruck kommende gesteigerte Handlungsunrecht abgestellt, wobei es sich um einen anerkannten Strafschärfungsgrund handelt (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 631 ff. mwN). Nach den Feststellungen trifft es jedoch - anders als in den Fällen II. 1. und 4. der Urteilsgründe - im Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht zu, dass der Angeklagte die Nebenklägerin sowohl vaginal als auch anal penetrierte. Hier drang der Angeklagte vielmehr zunächst teilweise mit seinem Penis in den Anus der Nebenklägerin ein und anschließend kam es nur noch zu einer einvernehmlichen manuellen Befriedigung des Angeklagten durch die Nebenklägerin. Dieser Strafzumessungsgesichtspunkt ist also in Bezug auf Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht durch die Feststellungen gedeckt und daher rechtsfehlerhaft.
Rz. 6
c) Um jede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO die Strafe auf das Mindestmaß des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB von zwei Jahren Freiheitsstrafe herab. Eine mildere Strafe kam nicht in Betracht, da aufgrund der Gesamtschau der von der Strafkammer angeführten Strafzumessungserwägungen auszuschließen ist, dass sie bei rechtsfehlerfreier Betrachtung ohne Berücksichtigung der konkreten Tatausführung im Fall II. 3. der Urteilsgründe von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB abgewichen wäre.
Rz. 7
d) Die Gesamtstrafe kann bestehen bleiben, da der Senat ausschließt, dass sich der Rechtsfehler auf deren Bildung ausgewirkt hat (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn das Landgericht hat die Gesamtstrafe aus insgesamt sechs Einzelstrafen - unter anderem einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (Einzelstrafe im Fall II. 4. der Urteilsgründe) ‒ gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 StGB durch Erhöhung der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einsatzstrafe (Freiheitsstrafe von vier Jahren) gebildet. Daher liegt fern, dass die Gesamtstrafenbildung anders als geschehen ausgefallen wäre, wenn das Landgericht im Fall II. 3. der Urteilsgründe für die Tat zum Nachteil der Nebenklägerin T. sogleich auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt hätte.
Rz. 8
3. Im Übrigen bedarf das Urteil noch insoweit der Ergänzung, als es das Landgericht unterlassen hat, für die drei verhängten Geldstrafen in den Fällen II. 2., 3. und 5. der Urteilsgründe eine Tagessatzhöhe zu bestimmen (§ 40 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StGB). Diese Festsetzung ist auch dann erforderlich, wenn - wie hier - aus Geld- und Freiheitsstrafen gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 3 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2022 - 6 StR 213/22; Beschluss vom 2. August 2022 - 4 StR 231/22 Rn. 15, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2022, 741; Beschluss vom 13. Januar 2022 - 6 StR 469/21; Beschluss vom 15. November 2021 - 6 StR 468/21; Beschluss vom 19. August 2015 - 1 StR 308/15 Rn. 3; Beschluss vom 14. Mai 1981 - 4 StR 599/80, BGHSt 30, 93, 96). Der Senat setzt, wiederum um jede Benachteiligung des Angeklagten zu vermeiden, die Höhe des Tagessatzes daher auf den Mindestsatz von einem Euro fest (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB).
Rz. 9
4. Angesichts des geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu belasten (§ 473 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO).
Quentin |
|
Rommel |
|
Maatsch |
|
Messing |
|
Momsen-Pflanz |
|
Fundstellen
Haufe-Index 15734785 |
NStZ-RR 2024, 7 |