Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. Juni 1999, soweit es den Angeklagten Cengiz K. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine Revision hat mit einer auf die Verletzung des § 338 Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
1. Folgender Verfahrensgang liegt zugrunde:
Die Hauptverhandlung richtete sich gegen vier Angeklagte, von denen sich die Angeklagten Mustafa K. und Suphi K. in Untersuchungshaft befanden. Der Verteidiger des Angeklagten Suphi K. beantragte, den Haftbefehl gegen seinen Mandanten aufzuheben bzw. außer Vollzug zu setzen. Zur Begründung führte er unter anderem an, die Mitangeklagten Cengiz K. und D. befänden sich auf freiem Fuß. Die Strafkammer lehnte den Antrag ab und erließ anschließend Haftbefehl gegen die Angeklagten Cengiz K. und D.. Nach Verkündung dieser Beschlüsse wandte sich der Vorsitzende Richter an diese beiden Angeklagten mit den Worten – so der Revisionsvortrag –: „Das haben Sie nun davon. Dies ist das Resultat dieser Anträge. Der Kollege (hierbei deutete er auf den Verteidiger des Angeklagten Suphi K.) wollte dies so haben.” Daraufhin lehnte der Verteidiger des Angeklagten Cengiz K. die drei Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Haftbefehl sei von den Berufsrichtern unterzeichnet und von dem Vorsitzenden unter anderem mit den zitierten Äußerungen begründet worden. Gegen den Beschluß, mit dem das Gericht den Befangenheitsantrag gemäß § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO als unzulässig verworfen hatte, weil ein Ablehnungsgrund nicht angegeben sei, erhob der Angeklagte mit dem Hinweis Gegenvorstellung, daß er als Ablehnungsgrund die zitierten Äußerungen des Vorsitzenden angegeben habe. Gleichzeitig stellte er einen neuen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter, bezog sich auf die Äußerungen des Vorsitzenden und darauf, daß der Erlaß des Haftbefehls erkennen lasse, daß die Richter dem Angeklagten nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen. Die Kammer hat sodann die Gegenvorstellung aus den Gründen des Unzulässigkeitsbeschlusses zurückgewiesen und auch den zweiten Ablehnungsantrag aus den weiterhin zutreffenden Gründen dieses Beschlusses als unzulässig verworfen.
2. Die Rüge, die sich nur auf die Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden Richters bezieht, ist zulässig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer alle Umstände vollständig vorgetragen, die zu der beanstandeten Äußerung geführt haben.
Davon, daß die Äußerungen auch so gemacht worden sind, ist nach den im Freibeweisverfahren eingeholten dienstlichen Äußerungen auszugehen. Der abgelehnte Vorsitzende, der sich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern kann, bestreitet nicht, diese Äußerungen getan zu haben. Sein schriftlich mitgeteilter Eindruck, er habe nur in für die Angeklagten verständlicher Form den Verfahrensstand erläutert, er sei nicht verärgert gewesen, und habe dies auch nicht ausgedrückt, sagt nichts darüber aus, wie seine Äußerungen aus der Sicht des Angeklagten bewertet werden konnten. Das gilt auch für die anderen eingeholten dienstlichen Äußerungen, die sich darin erschöpfen, daß sich die übrigen Richter, die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und die Urkundsbeamtin an den Wortlaut der Äußerung nicht mehr erinnern können. Damit ist dem Senat zwar nicht die volle Überzeugung vermittelt worden, daß die zitierten Äußerungen auch tatsächlich so gefallen sind. Es genügt aber schon, daß die Wahrscheinlichkeit ihrer Richtigkeit in hinreichendem Maße dargetan ist (BGHSt 21, 334, 350; BGH NStZ 1991, 144). So liegt es hier.
Das Ablehnungsgesuch ist auch zu Unrecht verworfen worden. Die zitierten Äußerungen begründen die Besorgnis der Befangenheit; sie waren geeignet, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).
Der Angeklagte hatte wegen der Äußerungen des Vorsitzenden „Das haben Sie nun davon. Dies ist das Resultat dieser Anträge. Der Kollege wollte dies so haben” bei vernünftiger Würdigung aller Umstände begründeten Anlaß, an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden zu zweifeln. Diese Äußerungen unmittelbar im Anschluß an die Verkündung eines gegen ihn erlassenen Haftbefehles konnte der Angeklagte dahin verstehen, daß er nicht in Haft genommen worden wäre, wenn der Verteidiger des Mitangeklagten Suphi K. nicht einen Antrag auf Aufhebung des gegen seinen Mandanten gerichteten Haftbefehls gestellt hätte, die Entscheidung somit aus objektiven Gründen nicht veranlaßt war. Darauf, ob der Haftbefehl gegen den Angeklagten zu diesem Zeitpunkt der Sache nach zu Recht erlassen werden konnte, kommt es nicht an. Daß der Erlaß mit den dargestellten Worten kommentiert wurde, konnte jedenfalls in dem Angeklagten die Befürchtung wecken, der Vorsitzende lasse sich nicht mehr von sachlichen Erwägungen leiten und sei deshalb ihm gegenüber nicht mehr unbefangen.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 512524 |
wistra 2001, 24 |
StV 2002, 116 |