Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 21.01.2014) |
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 21. Januar 2014, soweit es diese Angeklagten betrifft, aufgehoben,
- soweit der Angeklagte Mo. O. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in zwei Fällen (Fälle II. 1 und II. 7 der Urteilsgründe) und der Angeklagte J. O. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in fünf Fällen (Fälle II. 4, 5, 6, 8 und 10 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
- in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen.
Die Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur konkreten Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten Mo. O. unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Betruges in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, den Angeklagten J. O. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und wegen Betruges in jeweils fünf Fällen.
Rz. 2
Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; die weiter gehenden Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 3
Die vom Angeklagten J. O. erhobene, nicht näher ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von beiden Angeklagten geltend gemachten sachlich-rechtlichen Beanstandungen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht sie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt hat. Die bisherigen, zu den einzelnen Taten getroffenen Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass ihr Fehlverhalten eine konkrete Gefährdung der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Individualrechtsgüter zur Folge hatte.
Rz. 5
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (Senatsurteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschlüsse vom 25. April 2012 – 4 StR 667/11, NStZ 2012, 700, 701 und vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13, Rn. 7; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5, 17). Die Annahme einer solchen, über die abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs hinausgehende konkrete Gefährdung wird im angefochtenen Urteil in keinem der betreffenden Fälle belegt.
Rz. 6
b) Die Angeklagten führten nach den Feststellungen des Landgerichts als Fahrer verschiedener Kraftfahrzeuge absichtlich insgesamt neun Verkehrsunfälle herbei und machten im Anschluss gegenüber den gegnerischen Haftpflichtversicherungen unberechtigte Schadensersatzansprüche geltend, um sich dadurch eine nicht nur vorübergehende und nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Zum Beleg der Voraussetzungen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in insgesamt sieben Fällen teilt die Strafkammer in den Urteilsgründen den jeweiligen Anschaffungs- bzw. Zeitwert des Fahrzeugs des Unfallgegners sowie, aufgeschlüsselt nach einzelnen Schadenspositionen, die Beträge mit, die die Angeklagten mit Anwaltsschreiben bei den gegnerischen Haftpflichtversicherungen geltend machten und welche Summen sie letztlich ausgezahlt erhielten. Daraus sowie aus den Feststellungen zum jeweiligen Unfallhergang folgert das Landgericht, in den betreffenden Fällen seien schon deshalb fremde Sachen von bedeutendem Wert, nämlich in der vom Senat in ständiger Rechtsprechung angenommenen Mindesthöhe von 750,00 EUR (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5) gefährdet worden, weil es im Zuge der jeweiligen Vorfälle tatsächlich zu Kollisionen zwischen den beteiligten Kraftfahrzeugen gekommen sei. Feststellungen zu den jeweils konkret eingetretenen Fremdschäden werden in den Urteilsgründen indes nicht mitgeteilt. Diese und die konkrete Gefahr weiterer Schäden lassen sich auch dem Gesamtzusammenhang der Schilderung der jeweiligen Kollisionen und dem jeweils mitgeteilten Schadensbild nicht hinreichend sicher entnehmen. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Prüfung durch den Tatrichter, der auch über die Gesamtstrafe neu zu befinden haben wird. Da sich der durchgreifende Rechtsfehler auf die Feststellungen zur konkreten Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert beschränkt, hat der Senat die übrigen Urteilsfeststellungen aufrecht erhalten.
Rz. 7
2. Den weiter gehenden Rechtsmitteln bleibt der Erfolg aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 4. Juli 2014 versagt.
Rz. 8
Der Senat bemerkt insoweit lediglich ergänzend, dass in der strafschärfenden Berücksichtigung der Vorverurteilung vom 26. November 1998 hinsichtlich des Angeklagten Mo. O. entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kein Verstoß gegen § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG liegt: Gemäß § 46 Abs. 3 BZRG verlängert sich die Frist von 15 Jahren um die Dauer der durch das damalige Urteil des Landgerichts Essen verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten (vgl. Senatsbeschluss vom 27. April 1999 – 4 StR 125/99, BGHR BZRG § 46 Abs. 1 Tilgungsfrist 2).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 7319178 |
NStZ 2014, 6 |
NStZ 2015, 278 |
NZV 2015, 308 |
StRR 2014, 403 |
StV 2016, 288 |
VRR 2014, 402 |