Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwalterbeteiligung im Beschlussanfechtungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
a) Der amtierende Verwalter ist im Beschlußanfechtungsverfahren auch dann weiterer Beteiligter, wenn der Beschluß vor seiner Amtszeit gefaßt wurde.
b) Der nach Beschlußfassung ausgeschiedene Verwalter ist im Anfechtungsverfahren auch dann weiterer Beteiligter, wenn er den Anfechtungsgrund zu vertreten hat.
c) Eine unterlassene Beteiligung kann auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt werden, wenn eine weitere Sachaufklärung weder notwendig noch zu erwarten ist und nur rechtliches Gehör gewährt werden soll.
d) Bei der Kostenentscheidung darf ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch berücksichtigt werden.
Normenkette
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 2, § 47
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 19.01.1994) |
AG Hamburg (Beschluss vom 21.06.1993) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Antragstellerin werden der Beschluß des Landgerichts Hamburg vom 19. Januar 1994 und der Beschluß des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 21. Juni 1993 abgeändert.
Die in der Eigentümer Versammlung vom 24. Oktober 1991 gefaßten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
Die Beteiligte zu 10 hat die Gerichtskosten zu tragen und den anderen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert für alle Instanzen wird auf 56.100 DM festgesetzt.
Gründe
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümerin in einer Wohnungseigentumsanlage in H. In § 14 Abs. 8 der im Grundbuch eingetragenen Teilungserklärung heißt es:
„In Ergänzung des § 23 WEG wird bestimmt, daß zur Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung außer den dort genannten Bestimmungen die Protokollierung des Beschlusses erforderlich ist. Das Protokoll ist vom Verwalter und von zwei von der Eigentümerversammlung bestimmten Wohnungseigentümern zu unterzeichnen.”
Am 24. Oktober 1991 fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt, in der mehrere Beschlüsse gefaßt wurden. Das Protokoll ist von der Beteiligten zu 10 als Versammlungsleiterin sowie von zwei weiteren – von der Versammlung hierzu nicht bestimmten – Wohnungseigentümern unterzeichnet.
Mit am 13. November 1991 bei Gericht eingegangenem Antrag hat die Antragstellerin beantragt, sämtliche von der Wohnungseigentümerversammlung am 24. Oktober 1991 gefaßten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihre Anträge weiter. Das Oberlandesgericht möchte sie zurückweisen, sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. März 1984 (ZMR 1985, 30) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1, 3, § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht ist in Übereinstimmung mit dem Kammergericht (WuM 1993, 709) der Auffassung, die in § 14 Abs. 8 der Teilungserklärung enthaltene Regelung über die Protokollierung gefaßter Beschlüsse sei dahin auszulegen, daß sie keine Gültigkeitsvoraussetzungen für die gefaßten Beschlüsse enthielten, so daß auch ein Verstoß gegen die vorgesehene Form des Protokolls (Unterschrift des Verwalters und von zwei durch die Eigentümerversammlung bestimmte Wohnungseigentümer) kein Anfechtungsgrund sei. Bei einer anderen Auslegung sei die Klausel unwirksam, weil sie in diesem Fall dem Zweck des § 23 Abs. 4 WEG zuwiderlaufe, in Gemeinschaftsangelegenheiten innerhalb einer kurzen Frist Rechtssicherheit zu schaffen. Wäre die in der Teilungserklärung vorgeschriebene Protokollform Gültigkeitsvoraussetzung, könnten die Unterschriftsberechtigten eine ordnungsgemäße Protokollierung durch Verweigerung ihrer Unterschrift verhindern und allenfalls durch ein gerichtliches Verfahren zur Nachholung veranlaßt werden. Daraus entstünde eine unerträgliche Rechtsunsicherheit über die Gültigkeit der gefaßten Beschlüsse. Im Ergebnis würden die Wohnungseigentümer durch die zusätzlichen Formerfordernisse auch „entmündigt”, wenn ein wirksam gefaßter Beschluß durch fehlende oder fehlerhafte Unterzeichnung des Protokolls ungültig werden könnte.
Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Oldenburg in einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung vom 16. März 1984 (ZMR 1985, 30) zu einer gleichlautenden Bestimmung in der Teilungserklärung die Meinung vertreten, ein Verstoß hiergegen mache die gefaßten Beschlüsse fehlerhaft und damit anfechtbar. Beide Oberlandesgerichte sind mithin bei der Auslegung derselben Klausel einer Teilungserklärung unterschiedlicher Auffassung. Dies rechtfertigt die Vorlage, weil die Teilungserklärung wegen ihres normähnlichen Charakters und ihres über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinausgehenden Verwendungsbereichs in bezug auf die Vorlagepflicht einer bundesrechtlichen Vorschrift gleichgestellt ist (BGHZ 88, 302, 304; 113, 374, 376).
An die Auffassung des vorlegenden Gerichts, daß die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich sei, ist der Senat im Rahmen der Statthaftigkeitsprüfung gebunden (st. Rspr., vgl. BGHZ 99, 90, 92; 109, 396, 398; 113, 374, 376; 116, 392, 394).
III.
Die auf die Beschlußanfechtung bezogene sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, §§ 27, 29 FGG) und hat in der Sache Erfolg.
1. Schon das bisherige Verfahren leidet an einem Mangel, weil die Vorinstanzen den Beteiligten zu 11 nicht ebenso wie in dem – dieselbe Eigentumswohnungsanlage betreffenden – Parallelverfahren V ZB 2/97 förmlich beteiligt haben. Denn der im Amt befindliche Verwalter ist in einem Beschlußanfechtungsverfahren gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG auch dann weiterer Beteiligter, wenn der angefochtene Beschluß zu einem Zeitpunkt gefaßt wurde, zu dem er noch nicht im Amt war. Er hat bestandskräftige Beschlüsse durchzuführen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) und wird von dem Verfahren in seinen Rechten und Pflichten materiell-rechtlich betroffen. Ist er aber materiell Beteiligter, ist die Entscheidung gemäß § 45 Abs. 2 WEG für ihn auch bindend, so daß er vorher schon aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs, ggf. auch weiterer Sachaufklärung (vgl. BayObLG, WE 1991, 197) förmlich beteiligt werden muß. Soweit die Beteiligte zu 1 – nach erfolgter förmlicher Beteiligung des Beteiligten zu 11 – zum ersten Mal behauptet, der Beteiligte zu 11 sei nicht Verwalter, bedarf dies keiner weiteren Aufklärung mehr, weil die Beteiligung erfolgt ist und der Beteiligte durch die Entscheidung nicht beschwert wird.
Ein weiterer Verfahrensfehler besteht darin, daß nicht auch der im Zeitpunkt der Beschlußfassung amtierende – inzwischen ausgeschiedene – Verwalter förmlich beteiligt worden ist. Denn er war bei Einleitung des Anfechtungsverfahrens noch im Amt und hätte als materiell Beteiligter gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG auch förmlich beteiligt werden müssen. Dasselbe gilt für das Beschwerdeverfahren, obwohl er hier nicht mehr im Amt war. Denn in einem Beschlußanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG bleibt ein Verwalter nach seinem Ausscheiden unter anderem auch dann noch Beteiligter, wenn der Anfechtungsgrund von dem Verwalter zu vertreten ist.
Die beiden Verfahrensfehler führen jedoch nicht zur Zurückverweisung, weil der Senat die förmliche Beteiligung noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachholen konnte. Ist nämlich nach dem Sach- und Streitstand eine weitere Sachaufklärung weder notwendig noch auch nur zu erwarten und dient die förmliche Beteiligung nur der Gewährung rechtlichen Gehörs, kann sie auch vom Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden (vgl. BayObLG, ZMR 1988, 72). Bringt der Beteiligte neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor bzw. stellt er einen neuen Antrag, so ist die Sache zurückzuverweisen. Anderenfalls kann das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache entscheiden. So liegt der Fall hier. Die Behauptung des Beteiligten zu 11, das Sitzungsprotokoll vom 24. Oktober 1991 sei von Wohnungseigentümern unterzeichnet worden, die von der Versammlung ohne förmliche Beschlußfassung „im Rahmen einer Absprache” bestimmt worden seien, ist rechtlich unerheblich und deswegen nicht aufklärungsbedürftig.
2. In der Sache sind die angefochtenen Beschlüsse für ungültig zu erklären, weil ihre Protokollierung nicht der durch die Teilungserklärung vorgeschriebenen Form entspricht. Die beiden Wohnungseigentümer, welche das Sitzungsprotokoll unterzeichnet haben, sind entgegen § 14 Abs. 8 der Teilungserklärung von der Eigentümerversammlung, welche die angefochtenen Beschlüsse gefaßt hat, nicht ordnungsmäßig bestimmt worden. Denn die Bestimmung hat zu Beginn der Versammlung durch Mehrheitsbeschluß zu erfolgen (Wangemann, Die Eigentümerversammlung nach WEG, Rdn. C 302). Ein solcher ist hier aber auch nach der Darstellung des Beteiligten zu 11 nicht gefaßt worden. Der Verstoß führt, wie der Senat durch Beschluß vom 3. Juli 1997 (V ZB 2/97, WM 1997, 1907) entschieden hat, zur Ungültigkeit der in der Eigentümerversammlung gefaßten Beschlüsse.
IV.
Die Kostenentscheidung entspricht billigem Ermessen, weil die Beteiligte zu 10 als Verwalterin das Anfechtungsverfahren schuldhaft veranlaßt hat (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 47 Rdn. 18, 36). Zwar war die Frage, ob eine von der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung abweichende Unterschriftsleistung unter ein Beschlußprotokoll die gefaßten Beschlüsse anfechtbar macht, in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten und noch nicht abschließend geklärt. In einem solchen Fall muß aber ein mit der Versammlungsleitung befaßter und für die Protokollführung verantwortlicher Berufsverwalter das Risiko einer Anfechtung meiden und dafür sorgen, daß die in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung enthaltene Bestimmung über die Protokollierung von Beschlüssen eingehalten werden. Da die Beteiligte zu 10 dies – schuldhaft – nicht getan hat, wäre es unbillig, die Kosten des hieraus entstandenen Verfahrens den Wohnungseigentümern aufzubürden. Denn bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung darf berücksichtigt werden, daß der Verwalter den Anfall der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten wegen Verletzung ihrer Vertragspflichten gemäß §§ 675, 276 BGB zu vertreten hat (vgl. BGHZ 111, 148, 153; BayObLGZ 1975, 369, 371; 1988, 287, 293; KG OLGZ 1989, 174, 178 f; Erman/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 47 Rdn. 11; Niedenführ/Schulze, WEG, 4. Aufl., § 47 Rdn. 6, 9) und deswegen nach materiellem Recht kostenerstattungspflichtig ist.
Der Geschäftswert entspricht dem Wert, den das Landgericht nach § 48 Abs. 3 WEG zutreffend festgesetzt hat.
Unterschriften
Vogt, Lambert-Lang, Wenzel, Tropf, Krüger
Fundstellen
Haufe-Index 731135 |
NJW 1998, 755 |
BGHR |
NZM 1998, 78 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 292 |
ZMR 1998, 171 |
MDR 1998, 29 |
WuM 1998, 118 |