Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergehen gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53
Tenor
Auf die Revisionen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. April 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Staatskasse hat die notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Vergehen gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53 zu Geldstrafen verurteilt und zum Nachteil der Verfallsbeteiligten den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die Revisionen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung.
1. Die Angeklagten veranlaßten als Vorstandsvorsitzender der verfallsbeteiligten Aktiengesellschaft bzw. als Direktor des zuständigen Unternehmensbereiches, daß Anlagen für die Herstellung elektronischer Bauteile nebst Zubehör und Ersatzteilen von September 1987 bis Dezember 1989 zum Gesamtpreis von über 65 Millionen DM ungenehmigt in die DDR geliefert wurden. Ein ungenehmigter Export dieser Waren wäre auch in sonstige Ostblockländer untersagt gewesen, da sie von der „COCOM-Liste” erfaßt waren.
2. Die Taten sind – nachdem seit ihrer Beendigung zehn Jahre, das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V.m. Art. VIII MRG Nr. 53; vgl. zur Strafdrohung BVerfG – Vorprüfungsausschuß – EuGRZ 1983, 438 und NJW 1984, 39), vor Erlaß des angefochtenen Urteils abgelaufen sind, absolut – verjährt (§ 78 Abs. 1 Satz 1, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB). Der Senat vermag sich der Auffassung des Tatrichters, die Verjährung sei durch Art. 315a Abs. 2 EGStGB (i.d.F. des 2. und 3. Verjährungsgesetzes) gehemmt worden, für die zur Tatzeit in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen und allein hier handelnden Beschwerdeführer nicht anzuschließen.
a) Allerdings konnte sich der Tatrichter darauf berufen, daß der Senat eine Teilverjährung gegen die in der DDR als Besteller handelnden Mittäter der Angeklagten unter Berufung auf jene Hemmungsnorm verneint hatte (BGH wistra 1999, 299) und diese Rechtsauffassung bereits der umfassenden Verwerfung einer Revision des – ebenfalls von der DDR aus als Mittäter handelnden – Leiters des Bereichs „KoKo” gegen eine entsprechende Verurteilung (Senatsbeschluß vom 29. März 1999 – 5 StR 97/99 –) zugrunde gelegt hatte.
Diese Auslegung des Art. 315a Abs. 2 EGStGB war, wie vom Tatrichter zutreffend interpretiert, am Normzweck orientiert. Sie hatte zum einen die vom Staat DDR maßgeblich veranlaßte Organisation – und eine damit verbundene gewisse politische Motivation – der geahndeten Verstöße im Blick, die dadurch „SED-Unrechtstaten” ähneln. Zum anderen bestanden nach Aufdeckung der Taten infolge der deutschen Einheit bei ihrer Ermittlung und Verfolgung vergleichbare organisatorische Schwierigkeiten wie in Fällen der „Vereinigungskriminalität”, auf die mit der Regelung über die Verjährungshemmung ebenfalls Rücksicht genommen werden sollte (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 78c Rdn. 41). Beide Aspekte erfassen primär Täter, die vom Boden der DDR aus gehandelt haben. Der Ort ihres unmittelbaren Handelns – die DDR – konnte als maßgebliches Kriterium für eine Anwendung des Art. 315a Abs. 2 EGStGB herangezogen werden.
b) Ein „Tatort” (im Sinne des § 9 StGB) in der DDR, nach deren Recht jene Embargoverstöße selbstverständlich nicht strafbar waren, war hiermit indes nicht verbunden (vgl. BGHSt 43, 129, 140). Auf eine hieran orientierte Gleichbehandlung aller Mittäter, von denen jeder den durch einen einzelnen Mittäter begründeten Tatort auch gegen sich gelten lassen muß (vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdn. 45), kann mithin nicht unmittelbar abgestellt werden. Eine Besserstellung ausschließlich in der Bundesrepublik aktiv gewordener Mittäter von Vergehen nach dem MRG Nr. 53 in der Verjährungsfrage im Vergleich zu allein vom Boden der DDR agierenden Mittätern ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen; sie erweist sich vielmehr als sachgerecht. Der Senat vermag der – auf den ersten Blick keineswegs fernliegenden – gegenteiligen Schlußfolgerung des Tatrichters aus den Senatsentscheidungen zur Verjährungshemmung letztlich nicht zu folgen.
Vermieden wird damit eine abermalig erweiternde Auslegung der Vorschrift über die Hemmung der Verjährung. Angesichts der von vornherein gegebenen „klassischen” Zugriffsmöglichkeiten der Strafjustiz der Bundesrepublik Deutschland auf dort agierende Täter und der damit für diese verbundenen Risiken stellen sich die infolge der deutschen Einheit eingetretenen effektiveren Aufdeckungschancen bei diesem Täterkreis – anders als bei den vom Boden der DDR aus zuvor effektiv ungefährdeten Tätern – eher als zufällig dar; dies rechtfertigt die abweichende, in der Verjährungsfrage günstigere Behandlung von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland. Sie geht im übrigen einher mit einer strengeren Ahndung diesen angelasteter Embargoverstöße im Vergleich zu entsprechenden Verstößen von Bürgern der DDR; nur diesen kommt eine eingeschränkte Auslegung des Anwendungsbereichs des MRG Nr. 53 zugute (vgl. BGHSt 43, 129 gegenüber BGHSt 42, 113).
c) Nach alledem hält der Senat Art. 315a Abs. 2 EGStGB auf die Beschwerdeführer nicht für anwendbar. Dies zieht die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Einstellung des Verfahrens nach sich.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Gerhardt, Raum
Fundstellen
Haufe-Index 600031 |
wistra 2001, 178 |
NJ 2001, 493 |