Verfahrensgang
LG Cottbus (Urteil vom 10.08.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 10. August 2004, soweit es den Angeklagten betrifft,
- im gesamten Strafausspruch und
- soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist,
mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und bestimmt, daß dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Maßregelausspruch nach § 69 a StGB keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Januar 2005.
2. Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch im übrigen nicht bestehen bleiben.
a) Zur Aufhebung führt, daß das Landgericht rechtsfehlerhaft die Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) unterlassen hat, obwohl sich dies hier aufdrängte. Nach den auf die Gutachten von zwei Sachverständigen gestützten Feststellungen besteht bei dem Angeklagten eine bereits jahrelange ausgeprägte psychische Abhängigkeit vom Kokain- und Amphetamintyp. Diese Abhängigkeit habe „Krankheitswert und sei behandlungsbedürftig” (UA 34). Dazu komme seit seinem 16. Lebensjahr eine erhebliche Alkoholproblematik, die bereits zu körperlichen Entzugserscheinungen geführt habe. Bei der verfahrensgegenständlichen Tat stand der Angeklagte wiederum unter dem Einfluß von Betäubungsmitteln und Alkohol. Der schwere Raub diente für den Angeklagten und seine Mittäter auch der Beschaffung von Geld, um Drogen zu erwerben. Nach Einschätzung beider Sachverständigen, denen das Landgericht auch insoweit gefolgt ist, ist der Angeklagte hinsichtlich seiner Drogenproblematik „einsichtig und selbstkritikfähig”. Bei ihm liege auch eine ausreichende Motivation und Therapiefähigkeit vor, so daß insgesamt eine gute Therapieprognose gestellt werden könne.
Angesichts dieser Feststellungen, die einen Hang des Angeklagten zu übermäßigem Rauschmittelkonsum und einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem schweren Raub und der Abhängigkeit belegen, hätte der Tatrichter prüfen und entscheiden müssen, ob bei dem Angeklagten die Gefahr besteht, daß er auch künftig infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Unterbringung nach § 64 StGB ist zwingend anzuordnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind (vgl. BGHSt 37, 5, 6; BGHR StGB § 64 Ablehnung 8). Dem steht hier nicht entgegen, daß die Sachverständigen eine körperliche Abhängigkeit des Angeklagten von Drogen noch nicht angenommen haben. Denn für die Feststellung eines Hanges genügt bereits die eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen; diese Neigung muß noch nicht den Grad einer physischen Abhängkeit erreicht haben (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5).
Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht nicht entgegen, daß ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (vgl. BGHSt 37, 5). Auch hat der Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittel ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
b) Der aufgezeigte Erörterungsmangel zu § 64 StGB zieht hier – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Auch wenn angesichts des massiven Vorgehens der Täter gegen die hochbetagten Geschädigten – insoweit entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – kein durchgreifender Rechtsfehler darin zu erblicken ist, daß das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB nicht erörtert hat, kann der Senat nicht mit genügender Sicherheit ausschließen, daß die Strafkammer, hätte sie die Unterbringung des Angeklagten angeordnet, dies bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2000 – 4 StR 377/00 – und vom 16. Juli 2002 – 4 StR 179/02).
Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Insoweit wird der neue Tatrichter mit Blick auf die früheren Verurteilungen vom 30. September 2003 und vom 16. März 2004 die Möglichkeit nachträglicher Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB zu erörtern haben. Nach den im Urteil mitgeteilten Daten zu den Tatzeiten in jenen Verfahren käme eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der durch Urteil vom 16. März 2004 verhängten Geldstrafe (zum Verschlechterungsverbot vgl. BGHSt 35, 208; Rissing-van Saan LK 11. Aufl. § 55 Rdn. 45, 46) allerdings nur in Betracht, wenn das Urteil vom 30. September 2003 wegen Erledigung der dort verhängten Strafe keine Zäsurwirkung entfaltet (vgl. dazu Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 55 Rdn. 9 f.).
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen