Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für eine Prozessbürgschaft zur Vollstreckung aus einer nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung gem. § 709 Satz 1 ZPO sind Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO.
Normenkette
ZPO § 709 S. 1, § 788
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 22.05.2013; Aktenzeichen 5 T 61/13) |
AG Erkelenz (Entscheidung vom 13.02.2013; Aktenzeichen 17 M 59/12) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 22.5.2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für eine Prozessbürgschaft.
Rz. 2
Die Antragsgegnerin wurde durch Urteil des AG - FamG - E. vom 23.7.2004 zur Zahlung von 40.903,35 EUR nebst Zinsen an den Antragsteller verurteilt. Das Urteil war gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller erbrachte die Sicherheit durch Übergabe einer Prozessbürgschaft der Kreissparkasse H. und betrieb die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Antragsgegnerin durch die Eintragung einer Zwangshypothek. In der Rechtsmittelinstanz einigten sich die Parteien mit Vergleich vom 7.11.2007 darauf, dass umgekehrt der Antragsteller an die Antragsgegnerin 45.000 EUR zahlt.
Rz. 3
Nunmehr begehrt der Antragsteller von der Antragsgegnerin Erstattung der Avalkosten für die Prozessbürgschaft i.H.v. 5.002,50 EUR. Zunächst hatte er beim AG - FamG - E. beantragt, diese Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung des ursprünglichen Hauptsacheverfahrens festzusetzen. Diesen Antrag wies das AG - FamG - E. jedoch mit der Begründung zurück, es handele sich um Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO. Dementsprechend hat der Antragsteller beim AG - Vollstreckungsgericht - beantragt, die Avalkosten i.H.v. 5.002,50 EUR nebst Zinsen als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung festzusetzen.
Rz. 4
Das AG - Vollstreckungsgericht - hat antragsgemäß entschieden. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 6
1. Das Beschwerdegericht meint, Kosten für die Beschaffung einer Bankbürgschaft, die die Zwangsvollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärten Titel erst ermögliche, seien keine nach § 788 ZPO erstattungsfähigen Kosten. Die Beschaffung der Sicherheit sei ein Vorgang, der sich außerhalb des eigentlichen Verfahrens abspiele. In erster Linie hänge es von der Vermögenslage der Partei ab, ob und wie sie Sicherheit leisten wolle. Die Kosten seien damit nicht unmittelbar durch die Zwangsvollstreckung, sondern durch eigene Entscheidung des Gläubigers verursacht worden, der Einwendungen entgegen gehalten werden könnten. Zur Überprüfung solcher Ansprüche sei das summarische Kostenfestsetzungsverfahren weder vorgesehen noch geeignet.
Rz. 7
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand.
Rz. 8
a) Das Beschwerdegericht nimmt zu Unrecht an, dass die Kosten für die Beschaffung einer Prozessbürgschaft, die für die Vollstreckung aus einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Titel erforderlich ist, keine Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO sind.
Rz. 9
aa) Dabei geht das Beschwerdegericht mit einer vereinzelt in der Literatur vertretenen Meinung davon aus, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft weder Verfahrens- noch Vollstreckungskosten sind und damit weder dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 103 ZPO noch nach § 788 Abs. 1 ZPO unterliegen (vgl. Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rz. 11).
Rz. 10
bb) Diese Ansicht ist rechtsfehlerhaft. Der BGH hat bereits entschieden, dass die Kosten für eine zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachte Avalbürgschaft jedenfalls Verfahrenskosten im weiteren Sinne sind (BGH, Beschl. v. 4.10.2012 - VII ZB 11/10, NJW 2012, 3789 Rz. 8; v. 3.12.2007 - II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515 Rz. 6 ff.; Urt. v. 18.12.1973 - VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 694, juris Rz. 38 ff.).
Rz. 11
cc) Ob Avalkosten für eine Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gem. §§ 709 Satz 1, 711 Satz 1 Halbs. 3 ZPO als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 ZPO oder als Verfahrenskosten nach §§ 91, 103 ZPO einzuordnen sind, ist umstritten. Der BGH konnte diese Frage bislang offen lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 4.10.2012 - VII ZB 11/10, NJW 2012, 3789 Rz. 8; v. 3.12.2007 - II ZB 8/07, NJW-RR 2008, 515 Rz. 6; Urt. v. 18.12.1973 - VI ZR 158/72, NJW 1974, 693, 694, juris Rz. 40).
Rz. 12
(1) Die ganz überwiegende Meinung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum geht davon aus, dass Beschaffungskosten für eine vom Gläubiger nach § 709 Satz 1 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO sind (vgl. OLG Koblenz MDR 2004, 835, juris Rz. 6; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.11.2003 - 12 W 144/03, juris Rz. 3 f.; OLG Düsseldorf, JurBüro 2003, 47 f., juris Rz. 26; OLG München NJW-RR 2000, 517, 518, juris Rz. 6; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rz. 5; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 788 Rz. 3; Wieczorek/Schütze/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 788 Rz. 62; MünchKomm/ZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 788 Rz. 14 - unter Aufgabe der in der 2. Aufl. vertretenen Meinung; Schuschke/Walker/Schuschke, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 788 ZPO Rz. 12; BeckOK ZPO/Preuß, Stand: 1.12.2015, § 788 Rz. 16 f.).
Rz. 13
(2) Vereinzelt wird hingegen angenommen, dass es sich um Kosten zur Beschaffung des Titels und damit um Kosten des Rechtsstreits, die nach §§ 103 ff. ZPO festzusetzen sind, handelt (vgl. OLG Koblenz, BeckRS 2010, 11399; OLG Düsseldorf, JurBüro 1996, 430).
Rz. 14
(3) Der Senat entscheidet diese Streitfrage nunmehr dahingehend, dass die Kosten einer Prozessbürgschaft für eine nur gegen Stellung einer Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Entscheidung gem. §§ 709 Satz 1, 711 Satz 1 Halbs. 3 ZPO Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO sind.
Rz. 15
Kosten des Rechtsstreits auf Seiten des klagenden Gläubigers sind die Kosten, die notwendig sind, um einen Titel zu erlangen. Titel nach § 704 ZPO sind u.a. Endurteile, die für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Sind solche Titel nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, so stellt diese Sicherheitsleistung eine besondere Vollstreckungsvoraussetzung nach § 751 Abs. 2 ZPO dar. Kosten zur Erlangung dieser Sicherheit sind deshalb Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 Abs. 1 ZPO. Sie dienen nicht der Erlangung eines Titels, sondern ermöglichen den Zugriff auf das Schuldnervermögen bereits im Stadium der nur vorläufigen Vollstreckbarkeit zur Abwendung des Risikos der Insolvenz des Schuldners bei gleichzeitiger Absicherung des Schuldners für den Fall der späteren Aufhebung oder Abänderung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung im Rechtsmittelzug. Solche Kosten sind auch die für eine Prozessbürgschaft anfallenden Avalzinsen und -gebühren.
Rz. 16
(4) Der Beschluss des VI. Zivilsenats vom 17.1.2006 (VI ZB 46/05, NJW-RR 2006, 1001) steht dem nicht entgegen, da er die Einordnung von Avalzinsen für eine Bankbürgschaft betrifft, die nicht wie im Streitfall der Gläubiger zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung, sondern der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aufgebracht hat.
Rz. 17
b) Der angegriffene Beschluss stellt sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar, § 577 Abs. 3 ZPO.
Rz. 18
aa) Aus § 788 Abs. 3 ZPO folgt, dass ein Gläubiger nach Ersetzung des vorläufig vollstreckbaren Titels durch ein Urteil oder einen Prozessvergleich die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht mehr gegen den Schuldner geltend machen kann, soweit der Verurteilung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 9.7.2014 - VII ZB 14/14, NJW-RR 2014, 1149 Rz. 13). § 788 Abs. 3 ZPO beruht auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger aus einem noch nicht endgültigen Titel auf eigene Gefahr vollstreckt (BGH, Beschl. v. 9.7.2014 - VII ZB 14/14, a.a.O.; v. 5.5.2011 - VII ZB 39/10, NJW-RR 2011, 1217 Rz. 10). Danach sind die Kosten einer im Ergebnis zu Unrecht erfolgten Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel nach dessen Aufhebung oder Abänderung nicht nur nach § 788 Abs. 3 ZPO zu erstatten, sondern dürfen bereits im Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 788 Abs. 2, 103 ZPO keine Berücksichtigung finden (BGH, Beschl. v. 9.7.2014 - VII ZB 14/14, a.a.O.; Beschl. v. 7.9.2011 - VIII ZB 27/09, NJW-RR 2012, 311 Rz. 8; Beschl. v. 5.5.2011 - VII ZB 39/10, a.a.O.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 788 Rz. 14).
Rz. 19
bb) So liegt der Fall hier.
Rz. 20
Die Kosten für die Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des AG - FamG - E. vom 23.7.2004 können nicht mehr festgesetzt werden, da deren Festsetzungsfähigkeit durch den von den Parteien in der Rechtsmittelinstanz geschlossenen Vergleich vom 7.11.2007 entfallen ist. In diesem Vergleich hat sich der hiesige Antragsteller in Umkehrung der vom AG - FamG - E. ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung verpflichtet, an die hiesige Antragsgegnerin einen Betrag von 45.000 EUR zu zahlen. Durch den Vergleich ist der bereits durchgeführten Vollstreckung die materiell-rechtliche Grundlage entzogen, was im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist.
III.
Rz. 21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 9146148 |
NJW 2016, 2579 |
FA 2016, 118 |
IBR 2016, 314 |
JurBüro 2016, 263 |
JurBüro 2016, 386 |
WM 2016, 464 |
DGVZ 2016, 152 |
JZ 2016, 249 |
MDR 2016, 13 |
MDR 2016, 485 |
MDR 2016, 504 |
Rpfleger 2016, 442 |
AGS 2016, 254 |
FoVo 2016, 96 |
RVGreport 2016, 192 |
FMP 2016, 76 |
Mitt. 2016, 480 |
RENO 2016, 16 |
RVG prof. 2016, 120 |