Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 30.09.2019; Aktenzeichen 153 Js 380/18 33 KLs 2/19) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 30. September 2019 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in drei Fällen tateinheitlich mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlossen sich der Angeklagte und vier Mitangeklagte für eine gewisse Dauer zur fortgesetzten Begehung von mehreren selbständigen, im Einzelnen noch ungewissen Taten des Handeltreibens mit Marihuana auf dem … Markt zusammen. Der Angeklagte lagerte in seiner Wohnung die von Mitangeklagten bestellten Betäubungsmittel und portionierte einen Teil zum Weiterverkauf in Kleinmengen. Zwischen dem 11. April 2018 und dem 29. Mai 2018 wurde in sieben Fällen Marihuana mit einem Gewicht von 500, 1.000 beziehungsweise 2.000 Gramm geliefert. Während verschiedene Mengen im Rahmen der Bandenabrede an Kleinabnehmer verkauft wurden, veräußerte ein Mitangeklagter in drei Fällen davon unabhängig eine Teilmenge an Großabnehmer. Nachdem sich der Angeklagte im Juni 2018 von der Bande abgewendet hatte, betrieb er eigenständig Handel mit Betäubungsmitteln, um seine für den allgemeinen Lebensunterhalt verfügbaren finanziellen Mittel kurzfristig zu vergrößern. Er erwarb einmal 500 und zwei Mal 1.000 Gramm Marihuana zur gewinnbringenden Weiterveräußerung.
Rz. 3
Von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat die Jugendkammer mit der Begründung abgesehen, dass bei ihm zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung keine intensive Neigung mehr vorliege, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Zudem habe sie auch keine Gefahr dahin erkannt, dass er infolge der noch bestehenden Konsumneigung erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde.
Rz. 4
2. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Rz. 5
a) Die allgemein erhobene Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und genügt daher nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rz. 6
b) Die Sachrüge deckt keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf. Der näheren Ausführung bedarf insoweit ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts nur Folgendes:
Rz. 7
aa) Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich insgesamt wegen zehn in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander stehender Taten strafbar gemacht, ist zutreffend.
Rz. 8
Eine Verknüpfung der einzelnen bei ihm gelagerter Marihuanamengen scheidet in der gegebenen Konstellation aus. Zwar verbindet ein sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienendes Aufsuchen des Lieferanten als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1). Allerdings ist für jeden Mittäter, der an einer Deliktserie mehrerer Personen beteiligt ist, gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob einzelne Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2019 – 3 StR 529/19, StV 2020, 661 Rn. 9; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 176, 181 f. mwN). Weil der Angeklagte für die Veräußerung jeder der einzelnen Betäubungsmittellieferungen individuelle Beiträge erbrachte und sich diese nicht im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit überschnitten, ist in Bezug auf diese Realkonkurrenz gegeben. Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte verschiedene Liefermengen gleichzeitig lagerte (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 – 3 StR 88/18, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 6 Rn. 7) oder er bei der Entgegennahme einer neuen Lieferung eine vorangegangene bezahlte. Soweit er auf Anweisung eines Mitangeklagten „in einigen wenigen Fällen hohe Bargeldbeträge als Bezahlung für frühere Lieferungen” an Lieferanten übergab, folgt daraus zum einen nicht, dass dies anlässlich der Entgegennahme einer neuen Betäubungsmittelmenge geschah. Zum anderen betreffen die Zahlungen den Zeitraum von Januar bis März 2018. Inwieweit zu den im Tatzeitraum „fortsetzend” erfüllten Aufgaben auch Geldübergaben gehörten, ist nicht ausgeführt. Eine willkürliche Zusammenfassung ohne ausreichende sachliche Anhaltspunkte kommt nicht in Betracht; auch der Zweifelssatz gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat (vgl. zur Bewertungseinheit BGH, Beschlüsse vom 25. Juli 2019 – 1 StR 273/17, PharmR 2020, 28, 29 f.; vom 6. Februar 2018 – 3 StR 453/17, NStZ-RR 2018, 184 f. mwN).
Rz. 9
bb) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine Strafmilderung nach § 31 BtMG ausschließlich bei den Bandentaten angenommen hat. Die Aufklärungshilfe des Angeklagten bezog sich nicht auf die letzten drei Taten. Das von ihm nach Verlassen der Bande eigenständig begangene Handeltreiben steht mit den vorangegangenen Delikten nicht in einem Zusammenhang i.S.d. § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG. Ein innerer, verbindender Bezug zwischen seinen späteren und den offenbarten Taten fehlt (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 25. September 2018 – 5 StR 251/18, BGHSt 63, 210 Rn. 15 ff.; Beschluss vom 31. März 2015 – 3 StR 21/15, juris Rn. 3 mwN).
Rz. 10
cc) Dass das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, ist im Ergebnis ebenso ohne Rechtsfehler.
Rz. 11
Zwar begegnet die Begründung Bedenken, mit welcher der Hang, andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, abgelehnt worden ist. Allerdings hat die – sachverständig beratene – Jugendkammer tragfähig dargelegt, dass keine Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten bestehe (vgl. zur Wahrscheinlichkeit weiterer Taten BGH, Beschluss vom 22. November 2018 – 4 StR 356/18, juris Rn. 10 mwN).
Rz. 12
3. Der Senat kann die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO verwerfen. Der Antrag des Generalbundesanwalts auf Schuldspruchänderung hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses steht dem nicht entgegen, da er nicht auch die Aufhebung des Strafausspruchs zum Gegenstand hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2019 – 3 StR 379/19, wistra 2020, 105 Rn. 11 mwN; vom 8. Juli 2009 – 1 StR 214/09, wistra 2009, 398; KK-StPO/Gericke, 8. Aufl., § 349 Rn. 28). Der Aufhebungsantrag wegen der Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wirkt zu Lasten des Angeklagten und hindert mithin gleichfalls nicht die Verwerfung der Revision durch Beschluss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 317/14, juris Rn. 25; vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 459/10, NStZ-RR 2011, 255 mwN).
Unterschriften
Schäfer, Wimmer, Paul, Anstötz, Kreicker
Fundstellen
Haufe-Index 14392412 |
NStZ 2022, 302 |