Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung der Streitwertermittlung in der Kostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Streitwertfestsetzung muß berücksichtigt werden, daß die Stellung eines Vorerben erheblich schwächer ist als die eines Vollerben, und zwar auch dann, wenn der Nacherbfall nicht nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums, sondern erst mit dem Tode des Vorerben eintritt.

 

Normenkette

BGB § 1925 Abs. 1; Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz § 1030; Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz § 1031

 

Tenor

Auf die Erinnerung der Kläger wird die Kostenrechnung für die Revisionsinstanz aufgehoben. Die Kostenbeamtin wird angewiesen, die Kosten nach einem Wert von 6.500.000 DM zu berechnen.

 

Gründe

Die Kläger haben im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung begehrt, daß sie zu je 3/10 (Vor-)erben ihrer Tante geworden seien. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg vom 10. Dezember 1987, das diese Klage abwies, legten sie Revision ein. In der Revisionsschrift erklärten sie, daß die Revision "zunächst nur zur Fristwahrung" eingelegt werde; gleichzeitig suchten sie um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nach. Nachdem das Bayerische Oberste Landesgericht den Bundesgerichtshof für zuständig erklärt hatte, nahmen die Kläger das Rechtsmittel zurück. Die Kostenbeamtin hat eine Verfahrensgebühr gemäß §§ 11, 49, 61 GKG (Kostenverzeichnis Nr. 1030-1031) angesetzt. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Kläger.

1.

Die Kostenbeamtin hat mit Recht eine Gebühr gemäß Nr. 1030, 1031 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz angesetzt. Die Verfahrensgebühr für die Revisionsinstanz entsteht und wird fällig mit der Einreichung der Revisionsschrift (§ 61 Abs. 1 GKG). Daran ändert auch die in der Revisionsschrift enthaltene Erklärung, die Revision werde nur zur Fristwahrung eingelegt, nichts. Wenn die Kläger sichergehen wollten, daß sie nicht zur Zahlung von Gerichtskosten für die Revisionsinstanz herangezogen wurden, blieb ihnen nur die Möglichkeit, die Einlegung der Revision zurückzustellen, innerhalb der Revisionsfrist nur um Prozeßkostenhilfe nachzusuchen und nach deren Bewilligung um Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Revisionsfrist nachzusuchen.

Für die entstandene Verfahrensgebühr haften die Kläger als Antragsteller der Instanz, und zwar als Alleinschuldner, da keine gerichtliche Entscheidung über die Kostenpflicht ergangen ist (§ 49 GKG). Daß sich die Verfahrensgebühr infolge der Rücknahme der Revision auf die Hälfte ermäßigt (Kostenverzeichnis Nr. 1031), ist bei der Kostenrechnung berücksichtigt worden.

2.

Da der Streitwert für die Revisionsinstanz nicht festgesetzt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Erinnerung von Amts wegen zu prüfen, ob der in der Kostenrechnung zugrundegelegte Wert richtig ermittelt worden ist. Die Kostenbeamtin hat sich an den Streitwertbeschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 10. Februar 1987 (Bl. 219, 220 der Akten) gehalten. Dort war ausgeführt: In den Nachlaßakten sei der Wert des Nachlasses aufgrund von Angaben von Herrn Peter Hein, dem nicht widersprochen wurde, auf 20.000.000 DM festgesetzt worden. Berücksichtige man die unstreitig geltendgemachten Pflichtteilsansprüche der Mutter der Erblasserin, welche sich auf die Hälfte des Werts ihres Erbteils, d.h. gemäß § 1925 Abs. 1, 3 BGB auf ein Viertel des Wertes der Erbschaft, somit auf 5.000.000 DM belaufen, so würde den beiden Klägern 60 % von 15.000.000 DM = 9.000.000 DM zustehen. Da es sich hier nur um eine Feststellungsklage handele, sei ein Abzug von 20 % zu machen, so daß sich ein Streitwert von 7.000.000 DM ergebe. Keine wertmindernde Bedeutung komme der Tatsache zu, daß die Kläger nur Vorerben sein sollen, da die Vorerbschaft vor Eintritt des Nacherbfalls einer vollen Erbschaft gleichstehe und im Hinblick auf den Wert der Nutznießung des Grundbesitzes den gesetzlichen Beschränkungen als Vorerben keine wertmindernde Bedeutung zukomme. Diese Auffassung wollte sich offenbar auch das Oberlandesgericht, wie sich aus seiner Beschwerfestsetzung ergibt, zu eigen machen.

Dem Senat erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, die Stellung eines Vorerben ebenso zu bewerten wie die eines Vollerben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann bei der Wertfestsetzung nicht der Gesichtspunkt maßgeblich sein, daß der Vorerbe an der Erbschaft die gleichen Nutzungsrechte habe wie der Vollerbe. Die Erbenstellung erschöpft sich nicht darin, dem Erben eine Nutzung der zum Nachlaß gehörenden Vermögensgegenstände zu ermöglichen; ebenso bedeutsam ist für ihn die Befugnis, über die Nachlaßgegenstände verfügen zu können. Die Verfügungsmacht des Vorerben unterliegt bereits bei Rechtsgeschäften unter Lebenden gewissen Einschränkungen, von denen die Kläger durch das erste Testament der Erblasserin nicht befreit worden sind. Die Möglichkeit, von Todes wegen über die Erbschaft zu verfügen, fehlt dem Vorerben gänzlich. Die Stellung eines Vorerben ist demnach erheblich schwächer als die eines Erben, und zwar auch dann, wenn wie hier der Nacherbfall nicht nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums, sondern erst mit dem Tode des Vorerben eintritt. Das muß auch bei der Wertfestsetzung berücksichtigt werden.

Andererseits darf nicht außer acht gelassen werden, daß als Nacherben nach dem Kläger Dr. Dirk-Lothar H. dessen Kinder eingesetzt waren, also Personen, die zu den gesetzlichen Erben gehören und die auch bei einer testamentarischen Regelung der Erbfolge meist bedacht werden. In einem solchen Fall wird der Ausschluß der testamentarischen oder erbvertraglichen Verfügungsbefugnis nicht so schwer empfunden wie dann, wenn als Nacherbe eine mit dem Vorerben nur weitläufig oder überhaupt nicht verwandte Person eingesetzt ist. Hinsichtlich des Klägers Harry H. ist Nacherbschaft nur für den Fall angeordnet worden, daß seine Ehe kinderlos bleibt; auch bei ihm darf daher der Abzug nicht allzu hoch bemessen werden.

Aus all diesen Gründen erscheint dem Senat ein Streitwert von 6.500.000 DM angemessen.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Dehner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456192

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