Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 12.07.2010) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. Juli 2010
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Anstiftung zur – tateinheitlich begangenen – versuchten besonders schweren Brandstiftung und Brandstiftung schuldig ist;
- im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte in angemieteten Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Tatanwesens, in welchem sich im Erdgeschoß verschiedene Geschäftslokale und im Obergeschoß fünf genutzte Wohnungen befanden, ein Sonnenstudio. Da die Einkünfte des Angeklagten nicht ausreichten, um seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, fasste er den Entschluss, das Inventar des Sonnenstudios durch Dritte in Brand setzen zu lassen, um gegenüber der Inventarversicherung vermeintliche Versicherungsansprüche betrügerisch geltend zu machen. Mit der Brandlegung beauftragte der Angeklagte ihm bekannte Personen, die nicht ermittelt werden konnten. Der Angeklagte hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf, dass sich das Feuer auch auf das bewohnte Obergeschoß ausweiten konnte. Nicht ausschließbar vertraute er aber darauf, dass Menschen dadurch weder verletzt noch getötet werden.
Rz. 3
Am 24. Januar 2009 zwischen 2.30 und 4.20 Uhr gelangten die vom Angeklagten beauftragten Täter mit einem vom Angeklagten überlassenen Schlüssel in das Sonnenstudio. Sie entzündeten im Eingangsbereich in der Nähe der dortigen Empfangstheke befindliche Gegenstände, wofür sie etwas Benzin aus einem mitgebrachten 5-Liter-Kanister verwendeten, den sie mit geöffnetem Verschluss im Sonnenstudio zurückließen. Das Feuer, das Gebäudeteile nicht erfasste, führte dazu, dass die Einrichtungen des Sonnenstudios, vor allem die Trennwände im Bereich der Empfangstheke und in ihrer Nähe in größerem Umfang verrußt bzw. verkohlt und – ebenso wie die Akustikdecke – durch die Hitzeeinwirkung zerstört wurden. Beim Eintreffen der um 6.55 Uhr alarmierten Feuerwehr war das Feuer bis auf noch vorhandene Glutnester erloschen. In Folge des Brandes, durch den niemand verletzt wurde, war das vom Angeklagten angemietete Geschäftslokal bis zu dessen Instandsetzung nicht mehr nutzbar. Hätte sich aus der Brandlegung ein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwartender Vollbrand des Sonnenstudios entwickelt, wäre mit einem Übergreifen des Feuers auf das Obergeschoß und einer Gefährdung der Bewohner zu rechnen gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die unbekannt gebliebenen Täter haben entgegen der Auffassung der Strafkammer lediglich eine versuchte schwere Brandstiftung in Tateinheit mit Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306 Abs. 1 Nr. 1, § 52 StGB begangen. Nach § 28 Abs. 2 StGB hat sich der Angeklagte daher der Anstiftung zur tateinheitlichen versuchten besonders schweren Brandstiftung und Brandstiftung schuldig gemacht.
Rz. 5
1. Die von den Haupttätern verübte schwere Brandstiftung ist nicht über das Versuchsstadium hinaus verwirklicht worden.
Rz. 6
a) Da das Landgericht ein Übergreifen des Feuers auf Gebäudeteile in der Weise, dass deren Fortbrennen aus eigener Kraft möglich war (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1986 – 1 StR 270/86, BGHSt 34, 115, 117), nicht hat feststellen können, fehlt es an einem vollendeten Inbrandsetzen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegen die Voraussetzungen der Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines der Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor.
Rz. 7
b) Schutzobjekt des durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164) neu gefassten § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jede Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient. Geschützt ist die Wohnstätte des Menschen als der örtliche Mittelpunkt menschlichen Lebens (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1975 – 4 StR 120/75, BGHSt 26, 121, 123). Aus dem auf das Wohnen bezogenen Schutzzweck des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB folgt, dass die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens eines Wohngebäudes bei einer Brandlegung in einem einheitlichen, teils gewerblich, teils als Wohnung genutzten Gebäude erst dann verwirklicht ist, wenn (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, d.h. eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene Untereinheit, durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 – 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 18, 20; Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 – 3 StR 339/06, NStZ-RR 2007, 78; vom 10. Januar 2007 – 5 StR 401/06, NStZ 2007, 270, 271; vom 6. Mai 2008 – 4 StR 20/08, NStZ 2008, 519; vom 14. Juli 2009 – 3 StR 276/09, NStZ 2010, 151, 152; vom 26. Januar 2010 – 3 StR 442/09, NStZ 2010, 452; vgl. auch Urteil vom 17. November 2010 – 2 StR 399/10, NJW 2011, 1091; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 306a Rn. 8a; anders noch BGH, Beschluss vom 29. September 1999 – 3 StR 359/99, NStZ 2000, 197). Dass das Feuer auf zu Wohnzwecken genutzte Teile des Gebäudes hätte übergreifen können, ändert nichts am fehlenden Eintritt des in § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandlich vorausgesetzten Erfolgs und vermag daher die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 StGB nicht zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2010 – 3 StR 442/09 aaO). Da die Inbrandsetzung des Inventars des Sonnenstudios lediglich zu einer Zerstörung des dem Betrieb des Sonnenstudios dienenden Geschäftslokals führte, ist die von den unbekannt gebliebenen Tätern verübte schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Versuchsstadium stecken geblieben.
Rz. 8
c) Auf Anfrage des Senats hat der 2. Strafsenat seine entgegenstehende, dem Beschluss vom 19. Juli 2007 – 2 StR 266/07 – zu Grunde liegende Rechtsauffassung aufgegeben.
Rz. 9
2. Die von den unbekannt gebliebenen Tätern begangene versuchte schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 22 StGB steht zu der ebenfalls verwirklichten vollendeten Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Verhältnis der Tateinheit.
Rz. 10
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass bei einer dasselbe Gebäude betreffenden Brandlegung der Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch denjenigen der schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verdrängt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2003 – 4 StR 246/03; vom 3. April 2002 – 3 StR 32/02; vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 498/00, StV 2001, 232; vom 21. November 2000 – 1 StR 438/00, NStZ 2001, 196). Gleiches gilt für das Verhältnis von einfacher zur besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – 1 StR 498/00, aaO). Handelt es sich bei dem Tatobjekt um ein fremdes Gebäude, wird der Unrechtsgehalt des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch einen Schuldspruch wegen schwerer oder besonders schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306b Abs. 2 StGB vollständig erfasst.
Rz. 11
b) Anders ist das Konkurrenzverhältnis aber zu beurteilen, wenn eine versuchte schwere oder versuchte besonders schwere Brandstiftung nach §§ 22, 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit einer vollendeten einfachen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zusammentrifft. Diese Konstellation kann sich in Folge der Erweiterung der Brandstiftungsdelikte um die Tatbestandsalternative des teilweisen Zerstörens ergeben, wenn – wie hier – bei einer Zerstörung eines gewerblichen Zwecken dienenden Teils eines teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes zwar der Tatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB, nicht aber derjenige des § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB vollendet ist. In diesen Fällen wird durch eine Verurteilung nur wegen versuchter schwerer oder versuchter besonders schwerer Brandstiftung nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass bezogen auf den Tatbestand der einfachen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein Brandstiftungserfolg eingetreten ist. Die Klarstellungsfunktion der Idealkonkurrenz (BGH, Urteil vom 24. September 1998 – 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 198) gebietet es daher, Tateinheit zwischen § 306 Abs. 1 Nr. 1 und §§ 22, 306a Abs. 1 Nr. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 78/08, NStZ-RR 2008, 309 zu §§ 22, 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB; Beschlüsse vom 31. August 2004 – 1 StR 347/04, NStZ-RR 2004, 367 zu §§ 22, 306c StGB und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB; vom 21. November 2000 – 1 StR 438/00, aaO zu §§ 22, 306b Abs. 1 StGB und § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Rz. 12
3. Da es sich bei der nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB erforderlichen Absicht um ein strafschärfendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 1999 – 3 StR 359/99, NStZ 2000, 197, 198), hat sich der Angeklagte auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nach § 28 Abs. 2 StGB der Anstiftung zur – tateinheitlich begangenen – versuchten besonders schweren Brandstiftung und Brandstiftung schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 13
Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe zur Folge. Die zugehörigen, rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können dagegen bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.
Rz. 14
Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer, nachdem die Zuständigkeit des Schwurgerichts nicht mehr gegeben ist.
Unterschriften
Ernemann, Roggenbuck, Cierniak, Mutzbauer, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 2708693 |
NJW 2011, 2148 |
NJW 2011, 8 |
JR 2012, 347 |
NStZ 2012, 214 |
NZM 2011, 760 |
NJW-Spezial 2011, 441 |
RÜ 2011, 509 |
StV 2012, 468 |
StraFo 2011, 326 |