Leitsatz (amtlich)
Zum notwendigen Inhalt einer Beschwerdebegründung in Ehe- und Familienstreitsachen (im Anschluss an BGH v. 1.4.2015 - XII ZB 503/14, FamRZ 2015, 1009).
Normenkette
FamFG § 117 Abs. 1 S. 1; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 20.10.2014; Aktenzeichen 13 UF 219/13) |
AG Zehdenick (Entscheidung vom 13.08.2013; Aktenzeichen 31 F 61/12) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des OLG Brandenburg vom 20.10.2014 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Beschwerdewert: 10.946 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann, auf Trennungsunterhalt in Anspruch.
Rz. 2
Die seit April 2000 verheirateten Beteiligten leben seit September 2011 voneinander getrennt. Das AG hat den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.9.2011 bis zum 30.6.2012 rückständigen Unterhalt i.H.v. 5.858 EUR zu zahlen, und dabei Zahlungen auf die rückständigen Unterhaltsforderungen i.H.v. 3.000 EUR berücksichtigt. Weiter hat das AG den Antragsgegner für die Zeit ab 1.7.2012 zur Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts i.H.v. 424 EUR verpflichtet.
Rz. 3
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, die er im selben Schriftsatz begründet hat. Die Beschwerdebegründung enthält keinen Beschwerdeantrag. Das OLG hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Rz. 4
Die gem. § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
Rz. 5
1. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH v. 12.10.2011 - XII ZB 127/11, FamRZ 2011, 1929 Rz. 8 m.w.N.). Auch der von der Rechtsbeschwerde behauptete Verstoß des Beschwerdegerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
Rz. 6
2. Das OLG hat die Erstbeschwerde mangels hinreichend bestimmten und begründeten Beschwerdeantrags als unzulässig verworfen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 7
a) Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Beschwerde sei unzulässig, weil die Ausführungen in dem Schriftsatz, der die Beschwerdeeinlegung und -begründung enthält, nicht den formalen Anforderungen an einen Beschwerdeantrag genügten. Sie machten weder Umfang noch Ziel der Beschwerde so deutlich, dass ein konkretes Rechtsschutzziel erkennbar werde. Nach seinen Ausführungen erstrebe der Antragsgegner eine abweichende Anrechnung von Zahlungen. Er beanstande ferner die Rechtsauffassung des AG zur mangelnden Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Einkommen der Antragstellerin und vertrete ohne nähere Begründung die Auffassung, weitere Zahlungen seien so nicht korrekt, da eine Auskunft über Mieteinnahmen der Antragstellerin noch ausstehe. Daraus sei nicht erkennbar, hinsichtlich welcher Zeiträume der Beschluss in welchem Umfang abgeändert werden solle, zumal die vom Antragsgegner erstrebte Berücksichtigung auch eines Einkommens der Antragstellerin als prägend sich bedarfserhöhend auswirke. Eine abweichende Beurteilung rechtfertige sich nicht aus dem Umstand, dass der erste, nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erteilte Berichterstatterhinweis sich noch nicht mit dem Fehlen des Sachantrags befasst gehabt habe.
Rz. 8
b) Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 9
aa) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung enthält, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist (BGH v. 1.4.2015 - XII ZB 503/14, FamRZ 2015, 1009 Rz. 10; v. 25.6.2014 - XII ZB 134/13, FamRZ 2014, 1443 Rz. 15; v. 23.5.2012 - XII ZB 375/11, FamRZ 2012, 1205 Rz. 13 m.w.N.).
Rz. 10
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und Berufungsgericht sowie Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (BGH v. 1.4.2015 - XII ZB 503/14, FamRZ 2015, 1009 Rz. 11; v. 19.11.2014 - XII ZB 522/14, FamRZ 2015, 247 Rz. 10; v. 25.6.2014 - XII ZB 134/13, FamRZ 2014, 1443 Rz. 16; v. 23.5.2012 - XII ZB 375/11, FamRZ 2012, 1205 Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 11
Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen bestimmten Sachantrag stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Eine Schlüssigkeit der gegebenen Begründung ist nicht erforderlich (BGH v. 1.4.2015 - XII ZB 503/14, FamRZ 2015, 1009 Rz. 12; v. 25.6.2014 - XII ZB 134/13, FamRZ 2014, 1443 Rz. 17; v. 23.5.2012 - XII ZB 375/11, FamRZ 2012, 1205 Rz. 15 m.w.N.).
Rz. 12
Allerdings darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer bestimmten Höhe weiterverfolgen will. Darauf können sich Gericht und Gegner einstellen. Dem Schutzbedürfnis vor Unklarheit über den Umfang des Rechtsmittels, dem die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG dient, ist für diesen Teil des Beschwerdeangriffs Genüge getan (BGH, Beschl. v. 1.4.2015 - XII ZB 503/14, FamRZ 2015, 1009 Rz. 18 ff. m.w.N.).
Rz. 13
bb) Gemessen hieran genügt die Beschwerdebegründungsschrift des Antragsgegners nicht den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen Beschwerdeantrag. Dem Schriftsatz lassen sich Umfang und Ziel der Beschwerde nicht hinreichend bestimmt entnehmen.
Rz. 14
(1) Die Beschwerdebegründung führt an, der Antragsgegner habe seit der Trennung nicht die vom AG berücksichtigten 3.000 EUR, sondern insgesamt 8.750,41 EUR für die Antragstellerin, entweder direkt an sie oder für sie an verschiedene Institutionen, entrichtet. Insofern sei insb. der festgesetzte Unterhaltsrückstand nicht korrekt.
Rz. 15
Diesem Angriff lässt sich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, ob er sich allein gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Unterhaltsrückstands oder auch gegen diejenige zur Zahlung laufenden Unterhalts richtet. Denn es wird nicht klar, ob es sich allein um Zahlungen auf den Rückstand handeln soll - nur dann könnte man zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beschwerde sich jedenfalls i.H.v. 5.750,41 EUR gegen den Ausspruch zum Rückstand wendet - oder auch um solche auf den monatlichen Unterhalt ab Juli 2012. Für Letzteres spricht zudem, dass die der Beschwerdebegründung beigefügte Zahlungsaufstellung in erheblichem Umfang Einzelzahlungen nach dem Rückstandszeitraum beinhaltet.
Rz. 16
(2) Auch den weiteren in der Beschwerdebegründung enthaltenen Einwendungen lässt sich kein eindeutiges Beschwerdeziel entnehmen. Dies gilt sowohl für die einzelnen Einwände, die Antragstellerin habe erst im Jahre 2005 ihre Arbeit aufgegeben, der gemeinschaftliche Hund sei wegen der zur Berufsaufgabe führenden Depressionen der Antragstellerin angeschafft worden und die Antragstellerin habe noch nicht über Mieteinnahmen Auskunft erteilt, als auch für die Angriffe in ihrer Gesamtheit. Insbesondere lassen diese entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung nicht den Schluss zu, der Antragsgegner wende sich insgesamt gegen den erstinstanzlichen Beschlussausspruch. Im Übrigen schließt die Beschwerdebegründung mit der Aussage, "dass auch die weiteren Zahlungen so nicht korrekt" seien. Dies lässt offen, ob nur eine Änderung der Zahlungshöhe oder aber die Beseitigung der durch das AG ausgesprochenen Verpflichtung insgesamt erstrebt wird.
Rz. 17
(3) Schließlich macht die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg geltend, das OLG habe sich in seinem ersten (durch die Berichterstatterin erteilten) rechtlichen Hinweis mit der Sache selbst befasst, ohne auf Zulässigkeitsbedenken einzugehen. Daraus, dass das Beschwerdegericht einen von Amts wegen zu beachtenden Zulässigkeitsmangel nicht sofort bemerkt, lässt sich nichts - insb. nicht die von der Rechtsbeschwerde reklamierte Indizwirkung - dafür herleiten, dass der Zulässigkeitsmangel nicht gegeben ist.
Rz. 18
cc) Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Das OLG hat alle maßgeblichen Umstände gesehen sowie berücksichtigt und aus ihnen lediglich nicht die vom Antragsgegner gewünschten, sondern die rechtlich zutreffenden Schlüsse gezogen.
Fundstellen