Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 29.11.2019; Aktenzeichen 05 Js 270/18 8 KLs 21/19 302 AR 17/20) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29. November 2019 wird verworfen.
2. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 28. Februar 2020 wird auf seine Kosten verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, jeweils in Tateinheit mit Sachbeschädigung unter Einbeziehung anderer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Er wendet sich gegen die Verwerfung seiner Revision wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Landgericht. Dies bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil vom 29. November 2019 hat der Angeklagte am 4. Dezember 2019 Revision eingelegt. Seinem Verteidiger ist das Urteil am 27. Januar 2020 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 28. Februar 2020 hat das Landgericht die Revision als unzulässig nach § 346 Abs. 1 StPO verworfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Dieser Beschluss ist dem Verteidiger am 6. März 2020 zugestellt worden. Mit seinem am 10. März 2020 eingegangenen Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO und stellt hilfsweise den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist. Zugleich hat er die Revision begründet.
Rz. 3
Zur Begründung hat der bestellte Pflichtverteidiger ausgeführt, es habe ein Verständigungsproblem gegeben. Er sei davon ausgegangen, die Revision nicht mehr durchzuführen, sondern sich auf die Strafvollstreckung zu konzentrieren. Anhand eines in die rumänische Sprache übersetzten Urteils habe die Sache mit dem Angeklagten besprochen werden sollen. Es habe sich aber niemand gefunden, der zu für den Angeklagten finanzierbaren Preisen das komplette Urteil in der kurzen Zeit übersetzt habe. Als festgestanden habe, dass innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eine Übersetzung nicht zu erhalten sei, habe er für den 28. Februar 2020 einen Termin in der Justizvollzugsanstalt ins Auge gefasst, um die weitere Strafvollstreckung mit dem Angeklagten zu besprechen, da er ohnehin davon ausgegangen sei, dass keine Revision durchgeführt werde. Dieser Termin habe wieder aufgehoben werden müssen, weil ihm nicht rechtzeitig eine Besuchserlaubnis zugesandt worden sei. Am 2. März 2020 habe ihn überraschend ein undatierter (und nach der eingereichten Kopie nicht unterschriebener) Brief des Angeklagten erreicht, in dem dieser darum gebeten habe, mit der Revision „weiterzumachen”. Nach seinen Angaben habe der Angeklagte den Brief bereits Mitte Februar 2020 abgesandt. Am 5. März 2020 sei eine Dolmetscherin verfügbar gewesen, so dass eine Besprechung mit dem Angeklagten habe stattfinden können. Dabei habe der Angeklagte deutlich gemacht, dass er die Revision durchführen wolle. Er habe dem Verteidiger auch einen weiteren Brief gesandt, dieser sei aber nicht mehr fristgerecht eingegangen.
Rz. 4
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig.
Rz. 5
Es ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass den Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Die Behauptung eines möglichen Missverständnisses über die Durchführung der Revision aufgrund von Verständigungsproblemen vermag den Vortrag der maßgeblichen Geschehensabläufe nicht zu ersetzen. Es hätte näherer Darlegung bedurft, worin dieses Missverständnis bestand. Insbesondere wäre mitzuteilen und glaubhaft zu machen gewesen, was der Verurteilte im Einzelnen mit seinem Verteidiger besprochen und was dieser wiederum verstanden hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juni 2019 – 3 StR 183/19).
Rz. 6
Aus dem vorgelegten Brief des Angeklagten ergibt sich zudem, dass dieser offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, dass ohne seine explizite Aufforderung die Revision nicht weiter durchgeführt wird, denn sonst wäre die Bitte „weiterzumachen” überflüssig gewesen. Dass der Angeklagte diesen Brief (oder einen weiteren Brief) schon vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist abgesandt hat, ist nicht glaubhaft gemacht. Eine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten wäre hierfür kein geeignetes Mittel (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 45 Rn. 9 mwN).
Rz. 7
Dass es im vorliegenden Fall schwierig war, einen Übersetzer für das angefochtene Urteil zu finden, stellt ebenfalls keinen zur Wiedereinsetzung berechtigenden Grund dar, denn der Verteidiger konnte den Inhalt des Urteils auch mit einem Dolmetscher mit dem Angeklagten besprechen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19).
Rz. 8
3. Weil die ab Urteilszustellung (vgl. zu deren Wirksamkeit auch ohne Übersetzung BGH, aaO) laufende einmonatige Frist zur Begründung der Revision (vgl. § 345 Abs. 1 StPO) versäumt wurde, verbleibt es bei dem zutreffenden Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 28. Februar 2020, mit dem die Revision kostenpflichtig als unzulässig verworfen worden ist.
Rz. 9
4. Ein zur Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers oder zur Wiedereinsetzung von Amts wegen nötigender „offenkundiger Mangel” der Verteidigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. August 2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349; vom 5. Juni 2018 – 4 StR 138/18, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. c Beschränkung 3; vom 18. Januar 2018 – 4 StR 610/17, NStZ-RR 2018, 84; vom 28. Juni 2016 – 2 StR 265/15, StV 2016, 770) liegt nicht vor.
Unterschriften
Cirener, Berger, Mosbacher, Köhler, Resch
Fundstellen
Haufe-Index 13913589 |
NStZ-RR 2022, 166 |