Verfahrensgang
Anwaltsgerichtshof Hamm (Beschluss vom 17.11.2023; Aktenzeichen 1 AGH 11/23) |
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. S. wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. November 2023 wird abgelehnt.
Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Notanwalts wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin ist seit Februar 1994 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 11. Januar 2023 widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Nunmehr beantragt die Klägerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs und die Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Rz. 2
Mit Verfügung vom 22. Februar 2024 hat der Vorsitzende Richter Prof. Dr. S. ausgeführt, dem Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags könne nicht entsprochen werden, da die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO und § 224 Abs. 2 ZPO einer Verlängerung nicht zugänglich sei (unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - AnwZ (Brfg) 3/10, juris; "im Volltext abrufbar auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs unter www.bundesgerichtshof.de").
Rz. 3
Mit Faxschreiben vom 27. Februar 2024, eingegangen am 3. März 2024, hat die Klägerin gegen die Ablehnung des Antrags auf Fristverlängerung "das hiergegen zulässige Rechtsmittel" eingelegt. Zudem hat sie "alle Richter(innen), die an dieser Entscheidung beteiligt sind, wegen Besorgnis der Befangenheit" abgelehnt.
II.
Rz. 4
Die Anträge der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Rechtsanwalts haben keinen Erfolg.
Rz. 5
1. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. S. kann an der Entscheidung mitwirken, obwohl er von dem gestellten Ablehnungsgesuch betroffen ist. Eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit durch den abgelehnten Richter selbst ist mit dem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, sofern das Ablehnungsgesuch gänzlich untauglich oder rechtsmissbräuchlich ist. Eine völlige Ungeeignetheit des Ablehnungsgesuchs ist anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist, weil das Ablehnungsgesuch für sich allein, das heißt ohne jede weitere Aktenkenntnis, offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag (BVerfG, Beschlüsse vom 20. August 2020 - 1 BvR 793/19, juris Rn. 14 und vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11, juris Rn. 30). Das ist hier der Fall.
Rz. 6
a) Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. S. ist von dem Ablehnungsgesuch betroffen. Er ist zwar nicht namentlich bezeichnet worden, aber dem Ablehnungsgesuch lässt sich zweifelsfrei entnehmen (Senat, Beschluss vom 30. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 43/21, juris Rn. 23 mwN), dass die Richter abgelehnt werden, welche die beantragte Fristverlängerung abgelehnt haben. Die entsprechende Verfügung ist nur von dem Vorsitzenden Richter erlassen worden.
Rz. 7
b) Der Umstand, dass der Vorsitzende Richter die Verlängerung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags abgelehnt hat, ist offensichtlich nicht geeignet, eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Vorentscheidung rechtfertigt für sich genommen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Besorgnis der Befangenheit grundsätzlich nicht. Denn die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit ist kein Instrument der Verfahrens- oder Fehlerkontrolle. Eine vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafte Vorentscheidung vermag deshalb eine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit erst zu rechtfertigen, wenn die betreffende richterliche Entscheidung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt oder offensichtlich so grob fehlerhaft beziehungsweise unhaltbar ist, dass sie als willkürlich erscheint (BVerfG, Beschluss vom 20. August 2020 - 1 BvR 793/19, juris Rn. 16). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Vorsitzende Richter hat die gesetzliche Grundlage seiner Entscheidung benannt und auf entsprechende Rechtsprechung verwiesen.
Rz. 8
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 166 VwGO, § 114 ZPO). Zwar dürfen die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Die Ausführungen der Klägerin lassen einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs jedoch aus keinem der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Gründe erfolgversprechend erscheinen.
Rz. 9
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN).
Rz. 10
Die Klägerin führt hierzu aus, sie habe ihre Klage nicht im beA-Verfahren einreichen können, da ihr beA-Account seitens der Rechtsanwaltskammer gesperrt bzw. gelöscht worden sei. Da seitens des Anwaltsgerichtshofes angenommen worden sei, dass die Klage auf jeden Fall im sogenannten beA-Verfahren eingereicht hätte werden müssen, bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
Rz. 11
Von einer solchen Annahme ist der Anwaltsgerichtshof jedoch nicht ausgegangen.
Rz. 12
aa) Er hat ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob der von der Beklagten erlassene Widerrufsbescheid der Klägerin wirksam am 17. Januar 2023 zugestellt worden sei. Zugunsten der Klägerin unterstellt, der Bescheid sei ihr nicht wirksam zugestellt worden, wäre die Klage zwar rechtzeitig, aber nicht formwirksam erhoben worden. Denn dann wäre die Klägerin noch zugelassene Rechtsanwältin gewesen und hätte die Klage gemäß § 112c BRAO i.V.m. § 55a VwGO als elektronisches Dokument einreichen müssen. Sie habe die Klage aber nur per Telefax eingereicht. Gemäß § 55d Satz 3 und 4 VwGO bleibe die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften nur dann zulässig, wenn die Einreichung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich sei. Die vorübergehende Unmöglichkeit sei bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen.
Rz. 13
Die Klägerin habe hierzu in der Klageschrift lediglich ausgeführt, dass sie aufgrund von Schwierigkeiten mit ihrer beA-Karte im Zusammenhang mit dem Kartentausch kein Schreiben einreichen könne. Das sei unzureichend. Es sei schon nicht ersichtlich, dass es sich bei den angegebenen Schwierigkeiten überhaupt um technische Gründe gehandelt habe. Es fehle jede Glaubhaftmachung der vermeintlichen vorübergehenden Störung. Eine solche hätte einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe und Umstände und einer eidesstattlichen oder anwaltlichen Versicherung bedurft und hätte zudem schon bei Klageeinreichung oder unverzüglich erfolgen müssen.
Rz. 14
Selbst wenn man wiederum zugunsten der Klägerin unterstelle, sie wäre - aufgrund einer wirksamen Zustellung des Widerrufsbescheids und einer im Anschluss daran verspäteten Einreichung der Klage - bei Klageeinreichung nicht mehr Rechtsanwältin und daher zur beA-Nutzung nicht verpflichtet gewesen, wäre die Klage unzulässig. Denn in diesem Fall hätte sich die Klägerin gemäß § 112c Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen und ihre unbedingt erhobene Klage durch diesen einreichen lassen müssen.
Rz. 15
bb) Der Anwaltsgerichtshof ist daher nur für die Fallkonstellation, dass der Widerrufsbescheid der Beklagten bei Einreichung der Klage noch nicht bestandskräftig war, davon ausgegangen, dass die Klägerin nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 55d Satz 1 VwGO grundsätzlich verpflichtet war, die Klage als elektronisches Dokument im Sinne des § 55a VwGO einzureichen. Er hat zudem ausgeführt, dass die Vorschrift des § 55d Satz 3 VwGO eine Ausnahme vorsieht, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, und sich dann ausführlich damit befasst, dass eine solche vorübergehende Unmöglichkeit von der Klägerin weder bei der Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach im Sinne von § 55d Satz 4 VwGO glaubhaft gemacht worden ist. Die vom Anwaltsgerichtshof dargestellten Anforderungen entsprechen der Rechtsprechung zu der Vorschrift des § 55d VwGO (vgl. Senat, Beschlüsse vom 15. Dezember 2023 - AnwZ (Brfg) 10/23, juris Rn. 7 ff. und vom 10. Januar 2024 - AnwZ (Brfg) 15/23, juris Rn. 9 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. Februar 2024 - 14 LA 117/23, juris Rn. 6 ff. mwN; BayVGH, Beschluss vom 4. Januar 2024 - 6 CE 23.1766, juris Rn. 3 ff. mwN).
Rz. 16
b) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 6. Februar 2012 - AnwZ (Brfg) 42/11, juris Rn. 25 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Rz. 17
Nach Ansicht der Klägerin stelle sich hier die Frage‚ ob ein Rechtsanwalt dann einen Schriftsatz außerhalb des beA-Verfahrens einreichen könne, wenn sein beA-Konto in krimineller Weise gehackt bzw. gesperrt worden sei. Hier habe die Rechtsanwaltskammer das beA-Konto der Klägerin in rechtswidriger Weise gesperrt, um der Klägerin die Möglichkeit zu nehmen, über das beA-System eine Klage einzureichen.
Rz. 18
Wie schon unter II 2 a bb ausgeführt worden ist, geht es vorliegend im Wesentlichen darum, ob die Klägerin - bei Zugrundelegung eines noch nicht bestandskräftigen Widerrufsbescheids - rechtzeitig glaubhaft gemacht hat, dass die Einreichung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Es ist bereits durch die Regelung in § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 55d Satz 3 VwGO geklärt, dass nur wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, gemäß § 55d Satz 3 VwGO die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig bleibt. Nach § 55d Satz 4 VwGO ist dann die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Welche Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stellen sind, ist durch die Rechtsprechung bereits geklärt. Vorliegend geht es nur um die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall.
Rz. 19
c) Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Im Prozesskostenhilfeverfahren gilt dabei ein anderer Prüfungsmaßstab. Ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, hängt von den Erfolgsaussichten des gesamten Rechtszugs im Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO ab. Denn das Zulassungsverfahren und das anschließende Rechtsmittelverfahren bilden im Sinn dieser Vorschrift nicht zwei gesonderte Verfahren, sondern einen einheitlichen Rechtszug. Prozesskostenhilfe kann deshalb nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten in der Sache selbst bewilligt werden; auf den isolierten Erfolg eines unter Geltendmachung eines erheblichen Verfahrensmangels gestellten Antrags auf Zulassung der Berufung kommt es nicht an (BayVGH, Beschluss vom 27. April 2015 - 9 ZB 15.793, juris Rn. 2 mwN; vgl. BSG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - B 5 R 218/16 B, juris Rn. 4 mwN; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2007 - IX ZR 133/06, FamRZ 2007, 557).
Rz. 20
aa) Soweit die Klägerin rügt, dass der Anwaltsgerichtshof ihren Beweisanträgen in Bezug auf die Frage, ob der Widerrufsbescheid zugestellt worden ist, nicht nachgekommen ist, liegt kein Verfahrensmangel vor, weil der Anwaltsgerichtshof die Frage der wirksamen Zustellung offen gelassen hat. Diese war für ihn nicht entscheidungserheblich, da er zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Klage sowohl im Falle einer wirksamen Zustellung des Widerrufsbescheids als auch im Falle einer unwirksamen Zustellung dieses Bescheids unzulässig ist.
Rz. 21
bb) Soweit die Klägerin rügt, dass der Anwaltsgerichtshof über einen Befangenheitsantrag, den sie in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2023 gestellt habe, nicht entschieden habe, hat dies keinen Erfolg.
Rz. 22
(1) Es kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher Antrag gestellt worden ist. Denn er wäre als Prozessantrag und wesentlicher Vorgang der Verhandlung gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO in das Protokoll aufzunehmen. Das Protokoll begründet gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 105 VwGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO bzw. § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 98 VwGO i.V.m. §§ 415, 418 ZPO den vollen Beweis für die protokollierten und die zu protokollierenden Vorgänge und erhebt in diesem Sinne Anspruch auf Vollständigkeit; demnach belegt die fehlende Erwähnung im Protokoll, dass ein Prozessantrag nicht gestellt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2022 - 4 BN 28/21, juris Rn. 8 [zu einem Beweisantrag]). Aus dem Protokoll ergibt sich nicht, dass die Klägerin einen Befangenheitsantrag gestellt hätte.
Rz. 23
Zur substantiierten Darlegung des Verfahrensfehlers müsste die Klägerin darlegen, dass sie auf die unterlassene Protokollierung des gestellten Befangenheitsantrags schon in der mündlichen Verhandlung reagiert hat, dass das dann gebotene ausdrückliche Begehren, den von ihr formulierten Antrag ins Protokoll aufzunehmen (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO), vom Gericht abgelehnt worden ist und der diesbezügliche Beschluss (§ 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 2 und 3 ZPO) wiederum nicht im Protokoll vermerkt worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2022 - 4 BN 28/21, juris Rn. 10). Schließlich muss sie vortragen, dass sie gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 164 ZPO die Berichtigung des Protokolls beantragt hat (vgl. BVerwG aaO). Die Klägerin hat nur auf einen von ihr gestellten Berichtigungsantrag verwiesen. Dieser ist jedoch mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Klägerin ihr Begehren mit einem Antrag nach § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO in der Verhandlung hätte verfolgen müssen. Dass sie dies gemacht hätte, hat die Klägerin aber nicht dargelegt.
Rz. 24
(2) Zudem kann ein Antrag auf Zulassung der Berufung grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass ein Befangenheitsantrag während des der Sachentscheidung vorausgehenden Verfahrens zu Unrecht abgelehnt worden sei. Eine Ausnahme hiervon ist für den Fall zuzulassen, dass mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung eine gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßende, auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruhende Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs geltend gemacht wird (BVerfG, NVwZ-RR 2008, 289, 290 mwN). Dieser Grundsatz gilt nicht nur, wenn über ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit fehlerhaft entschieden wird, sondern gleichermaßen, wenn über ein unzulässiges oder offensichtlich unbegründetes Ablehnungsgesuch nicht oder nicht rechtzeitig entschieden wird (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - 18 A 3256/04, juris Rn. 13 mwN). Offensichtlich rechtsmissbräuchliche Ablehnungsgesuche, über die der abgelehnte Richter selbst entscheiden kann, können von vornherein keine Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO begründen (BVerwG, Beschluss vom 7. April 2020 - 5 B 30/19 D, juris Rn. 18 mwN; BSG, Beschluss vom 30. November 2016 - B 6 KA 18/16 B, juris Rn. 10).
Rz. 25
Soweit die Klägerin angibt, sie habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sie "die abwimmelnde und abweisende Art und Weise, auf ihre Beweisanträge nicht einzugehen, ohne dieses zu begründen, für einen Grund zur Ablehnung" ansehe, zumindest hinsichtlich der Richter, die der Ansicht seien, sie habe die Klage im beA-Verfahren einreichen müssen, begründet dies keinen Befangenheitsgrund. Die Ablehnung dient nicht dazu, das Gericht zur Übernahme der eigenen Rechtsansicht zu bringen. Soweit die Klägerin möglicherweise einen unangemessenen Kommunikationsstil zum Gegenstand des Befangenheitsantrags machen wollte, erlauben diese allgemeinen Angaben keine Beurteilung. Gleiches gilt für den von ihr erhobenen Vorwurf, der Vorsitzende Richter des Anwaltsgerichtshofs habe ihre Ausführungen zu den Mitarbeitern der Beklagten als beleidigend angesehen.
Rz. 26
(3) Der Verfahrensmangel würde zudem nicht zu einer anderen Entscheidung in der Sache führen. Das Rechtsmittelverfahren würde ergeben, dass die von der Klägerin eingereichte Klage aus den im Urteil des Anwaltsgerichtshofs ausgeführten Gründen unzulässig war.
Rz. 27
3. Kommt nach all dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hier nicht in Betracht, so scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus.
Rz. 28
Soweit die Klägerin die Beiordnung eines Notanwalts - unabhängig von den Voraussetzungen des Prozesskostenhilfeverfahrens - verlangt, kommt eine Beiordnung ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b ZPO ist einem Verfahrensbeteiligten auf dessen Antrag hin, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, durch Beschluss für den Rechtszug ein Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung ist weiter, dass der Verfahrensbeteiligte nicht mittellos ist; andernfalls ist sein Antrag nach den Vorgaben des Prozesskostenhilferechts gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO zu behandeln (vgl. BVerwG, NVwZ 2017, 1550 Rn. 6). Die Klägerin führt hier jedoch an, dass sie mittellos sei. Im Übrigen fehlt es auch an der Erfolgsaussicht für den Antrag auf Zulassung der Berufung.
Rz. 29
4. Soweit die Klägerin gegen die Ablehnung der von ihr beantragten Fristverlängerung Rechtsmittel eingelegt hat, wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbare Vorentscheidung handelt.
Rz. 30
Zudem wird darauf hingewiesen, dass ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen ist, das Rechtsmittel wirksam einzulegen oder rechtzeitig zu begründen, wenn er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste. Eine bedürftige Prozesspartei, die eine gegen sie ergangene Entscheidung mit dem Rechtsmittel angreifen will, kann sich darauf beschränken, innerhalb der Rechtsmittelfrist einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den notwendigen Belegen beim Prozessgericht einzureichen und die Rechtsmitteleinlegung bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zurückzustellen. Das gilt auch dann, wenn neben dem Prozesskostenhilfegesuch ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt worden ist (vgl. Senat, BGH, Beschluss vom 20. März 2018 - AnwZ (Brfg) 8/17, juris Rn. 8). Denn der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei ist im Falle einer Versagung der Prozesskostenhilfe die Möglichkeit einzuräumen, das Rechtsmittelverfahren auf eigene Kosten durch Einlegung des Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt wirksam fortzuführen und einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen (BGH, Beschluss vom 20. März 2018 - AnwZ (Brfg) 8/17, juris Rn. 9).
Schoppmeyer |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16398878 |